Die fliegenden Zauberer

Larry Niven & David Gerrold

Bei “Die fliegenden Zauberer” handelt es sich um die einzige Kooperation zwischen Larry Niven und David Gerrold. Als „The Misspelled MagishuN“ erschienen Teile des Romans 1971 in „If“.

Auch wenn die Grundhandlung relativ einfach ist – zwei Streithähne müssen sich abschließend zusammenraufen -, überzeugt der Humor nicht nur die pointierten Dialoge, sondern vor allem den vielen kleinen Nebenkriegsschauplätzen in sozialer wie kultureller Hinsicht.

Ein weiterer Aspekt dürfte heute eher unbekannt sein. Wie vom Science Fiction Autor  Wilson Tucker vorgemacht, haben Niven und Gerrold einen Rekord von Tuckerizations eingebaut, Anspielungen und Verballhornungen auf Persönlichkeiten des Genres. Es lohnt sich bei der Lektüre auf die Wikipediaseite des Buches zurückzugreifen und sich die einzelnen Hinweise/ Querverweise und Anspielungen erklären zu lassen.  

Larry Niven und David Gerrold stellen nur vordergründig in den Mittelpunkt ihres Buches die Idee, dass überlegene Technik von primitiven Einheimischen als „Magie“ angesehen werden kann. Die Einheimischen selbst haben ihre Kultur auf den wohlmeinenden Einfluss von Magie personifiziert in den in jedem Dorf lebenden Zauberern aufgebaut.  Auch wenn die Technik des gestrandeten menschlichen Astronauten zu Beginn magisch erscheint, können die primitiven Eingeborenen mit pragmatischen Ideen und vor allem einer konsequenten Umsetzung diesen „Nachteil“ ausgleichen. Da der ganze Roman aus der Perspektive des Einheimischen Lant erzählt wird, erscheint auch der Astronaut Purpur – so genannt wegen seiner Hautfarbe – anfänglich irgendwo zwischen Gott und Dummkopf angesehen. Fst zynisch ist, dass nur der Dorfzauberer weiterhin an die Magie des Fremden glaubt, während die Einheimischen erkannt haben, dass dieser nur über eine andere Art der Handwerkskunst verfügt.

 Purpur möchte diesen erdähnlichen Planeten untersuchen, der von befellten Einheimischen in kleinen, autarken Siedlungen auf einem frühmittelalterlichen Niveau bewohnt wird. Die Männer entscheiden alles. Sie dürfen mehrere Frauen haben, die in erster Linie für die Nahrung und die Versorgung der Kinder da sind. Auch diese Standeshierarchie wird Purpur allerdings eher unfreiwillig zerstören.

Die Ausgangsbasis ist ein Missverständnis. Lant und der eifersüchtige Zauberer Shoogar beobachten den in einem Ei förmigen Raumschiff („Mork vom Ork“ wird diese Idee später anscheinend übernehmen) gelandeten Forscher und Technik. Shoogar fühlt sich vom dem Zauberer provoziert und bedrängt, so dass er eine Reihe von Verwünschungen inklusiv einer Mischung aus Dreck und Viehzeug in dessen Raumschiff platziert. Der Streit zieht sich bis zum Finale mit einer absurden Komik durch den Roman, wobei das finale Duell zumindest Shoogar weniger als Magier entlarvt, sondern als eitlen Narzissten, dem es vor allem um das eigene Ego geht.

Am Ende dieser Slapstickszene steht allerdings die Explosion des Antriebs, was viele Dorfbewohner tötet und die Gegend radioaktiv verstrahlt. Purpur scheint dabei ums Leben gekommen zu sein. Die Dorfbewohner verlassen ihre Gegend und stranden auf einer kleinen Insel, deren einziger Zugang regelmäßig überschwemmt wird. Die Einheimischen nehmen sie eher widerwillig auf, stellen ihnen aber ihren neuen Zauberer vor, der vom Himmel fallend seinen Vorgänger getötet hat. Natürlich handelt es sich um Purpur. Purpur schlägt vor, dass Lant – inzwischen Sprecher seines Stammes – Shoogar und er zusammenarbeiten, um mit einem Flugschiff nach der Absturzstelle seines Raumschiffs zu suchen.

 Handlungstechnisch ist der Roman ein ambivalentes Vergnügen. Die Autoren wollten ohne Frage einen lustigen, aber auch belehrenden Roman schreiben. Über einige Strecken ist es ihnen sehr gut gelungen, wobei manchmal die Aktionen bzw. Reaktionen vor allem der beiden Zauberer Shoogar und „Purpur“ eher als Slapstick erinnern als das sie logisch. Aber der Konflikt zwischen Technik und Magie kann auch als Allegorie einer Gesellschaft betrachtet werden, die von außen aus dem Nichts heraus umgekrempelt wird. Und hier ist Purpur im Grunde bis auf die Vertreibung auf ihren angestammten Nestern Schuld.

Die sozialen Veränderungen beeinflusst er durch den Druck, möglichst schnell wieder zu seinem Raumschiff zurückzukehren. Aus einfachen Handwerksbetrieben macht er industrielle Großanlagen zwar auf einem bescheidenen Niveau, aber die Erhöhung der Produktivität ist klar erkennbar. Hinzu kommt ein Schichtbetrieb, wobei ihm die zwei Sonnen zu Gute kommen.

Als die Manneskraft nicht mehr ausreicht, werden die stillen Reserven aktiviert. In diesem Fall die Frauen, beginnend mit den unattraktiven wie unverheirateten Stammesmitgliedern, die plötzlich weben sollen, müssen und es besser als die Männer können. Die Machoattitüde dieser Einheimischen ist natürlich frauenfeindlich und sexistisch. Aber das muss sie auch sein, damit diese Machos von ihrem Thron fallen.

Auch hier haben Larry Niven und David Gerrold die richtige Antwort. Erst Nahrungsentzug, aber viel schlimmer Sexentzug. Und zwar nicht nur durch die eigenen Ehefrauen, sondern vor allem auch bei den Ledigen. Sie ergreifen den Strohhalm einer Chance, „Menschen“ zu werden und der Knute ihrer Männer zumindest zeitweilig zu entkommen.

Bei der Industrialisierung der kleinen Gesellschaft bewegt sich Purpur auf einem schmalen Grat. Auf der einen Seite hilft er ihnen, bessere Waren jeglicher Art zu erschaffen. Mit den „Zaubern“ als Tauschmittel wird er sogar ein monetäres Zahlungssystem ein, dass schnell zum Spiel und für käuflichen Sex benutzt wird.

Auf der anderen Seite benötigt er aber für seine Idee sehr viele Rohstoffe aus der direkten Umgebung, so dass der an Kautschuk erinnernde Saft der Bäume zu Ende geht. Niemand weiß, ob das Anzapfen nicht ökologische Folgeschäden in der kleinen Dorfgemeinschaft hinterlässt.

Bei den Erfindungen konzentriert sich die Handlung nicht nur auf Purpur. Auch wenn er irgendwo zwischen Genie – ein eigenes Luftschiff bauen – und Wahnsinn – die letzte Batterie im elektrischen Rasierer wird im Kampf gegen den Bart geleert – hin und her schwankt, ist er nicht selten nur Katalysator. Viele gute Erfindungen entstehen quasi aus den Gesprächen mit ihm und werden eigenständig von den Einheimischen umgesetzt.

Wie eingangs erwähnt ist die Grundhandlung relativ einfach gehalten. Es ist erstaunlich, wieviel Platz und Zeit vergeht, bevor der abschließende Plot sich in Bewegung setzt. Die Eingangsphase mit dem aus dem Nichts auftauchenden Purpur, den ersten Missverständnissen nicht nur aufgrund der Sprachbarriere, sondern den kulturellen Unterschieden ist dagegen von einem hohem Tempo geprägt.

Viele Informationen erhält der Leser eher im Vorrübergehen. Durch den subjektiven Erzähler hat der Leser den Vorteil oder Nachteil, dass er bei den rudimentären Beschreibungen der technischen Ausrüstung Purpurs immer einen Schritt voraus ist; bei den magischen Elementen ist dem Leser der listige und sich stetig anpassende Knochenschnitzer und später erster Spreche des Stammes immer einen Schritt voraus.

Zusammenfassend stellt der Roman trotzdem durch den unentschieden ausgehenden Konflikt zwischen Magie – es gibt keine abschließende Erklärung, ob es sich um tatsächlich Zauberei handelt oder den reinen ins Absurde übersteigerten Aberglauben der Einheimischen – und Technik eine kurzweilige wie zeitlose Unterhaltung da. Der Grundton ist wie angesprochen uneinheitlich zwischen Slapstick wie dem Anschlag in dem Eiförmigen Raumschiff und Tragik mit der Bestrafung der ersten Diebe des Planeten.

Als Team agieren David Gerrold und Larry Niven aber ausgesprochen gut. Sehr lebendige, gut auch laut zu lesende Dialoge, dazu den fast subversiv zu nennenden Unterton des Erzählers und einige naturwissenschaftlich vorgetragene, aber nicht belehrende Exkurse. „Die fliegenden Zauberer“ ist ein gutes wie seltenes Beispiel für humorvolle Science Fiction, die nicht in Klamauk oder sich selbst befruchtenden Parodien endet. Die Entwicklung einer primitiven, aber überlebensfähigen Gesellschaft nicht aus der Not hinsichtlich einer Katastrophe heraus, sondern aufgrund eines Anstoßes von außen ist der am meisten überzeugende Abschnitt des ganzen Romans.  

 

Die fliegenden Zauberer

Aus dem Amerikanischen von Yoma Cap
Originaltitel: The Flying Sorcerers
eBook epub (epub) 480 Seiten
ISBN: 978-3-641-23129-3