James Bond Origin Band 1

Jeff Parker

Der erste Band der Splitterausgabe umfasst die ersten sechs Hefte der Miniserie “Origin”, in welcher Jeff Parker die Lücke zwischen den vagen Andeutungen in Ian Flemings Romanen und vor allem dem kurzen Blick hinter James Bonds Herkunft in „Skyfall“ zu schließen sucht. Das ist kein leichtes Unterfangen, da spannungstechnisch der Leser ja weiß, dass aus dem jungen Bond ein Agent mit der Lizenz zum Töten wird. Auch die Nachkommen Ian Flemings haben versucht, dem Label James Bond mit einer extra für ein jugendliches Publikum konzipierten Serie eine weitere Facette zu schenken. Auf diese Bücher nimmt Jeff Parker keine Rücksicht.

 Viel mehr orientiert er sich ein wenig an den unorthodoxen Methoden Ian Flemings, der ja während des Zweiten Weltkriegs für den Geheimdienst der Marine arbeitete und verschiedene Geheimorganisation hinter den Kulissen der Nazis organisierte.

 Jeff Parker arbeitet nicht nur mit verschiedenen Graphikern, aber nur einem Zeichner Bob Q zusammen, zu Beginn agiert er mit einer Zeit versetzten Handlung. Der Prolog wird erst später im Laufe des jeweiligen Comicheftes wieder aufgenommen. Der Paukenschlag soll die Leser gleich in die gefährliche Situation einführen, während der Weg dahin ein wenig phlegmatischer und ausführlicher in Angriff genommen wird. Ein- oder zweimal ist diese Vorgehensweise opportun, aber nicht jedes Mal. Interessant ist auch, dass neben einer gesonderten im Playboy abgedruckten Kurzgeschichte mit einer gefährlichen Mission in Belgien Jeff Parker für die letzten beiden Comichefte die Perspektive ein wenig verschiebt und eine junge attraktive Portugiesin erzählen lässt.

 Beginnend mit einer kurzen Einführung hinsichtlich des Weges bis in Jahr 1941 beginnt die Geschichte mit einem Luftangriff auf britische Werften. James Bond befindet sich mit seinen Klassenkameraden an dem Tag auf dem Gelände, weil sie für die Marine angeheuert werden soll. James Bond kommt zu spät, weil er einen alten Freund seiner Eltern besucht; dabei Zeuge wird, wie er angegriffen und seine Unterlagen gestohlen werden und die Verfolgung der Täter mit einem Motorrad aufnimmt.

 Die Idee mit den gestohlenen Unterlagen wird später noch einmal aufgenommen. James Bond entschließt sich, nicht nur dem Militär beizutreten, sondern einer speziellen Einheit. In einer Variation der bekannten Buchstabenkombination lernt er seine verschiedenen Ausbilder kennen und teilweise hassen. Das brutale Training wird zusätzlich durch den Hinweis erschwert, dass sich ein Verräter in ihren Reihen befinden könnte.

 Die erste Mission an Bord eines U Bootes endet in einem übertriebenen Triumph. Hier überspannt Jeff Parker den Bogen, denn was James Bond mit einer Handvoll Getreuer abschließend anstellt, wirkt wie eine der gänzlich überdrehten Actionszenen der Roger Moore Ära und ist weniger an den neuen Realismus der Dalton, Brosnan oder Craig Streifen angelehnt.

 Mit der nächsten Mission, die in einer vorläufigen Niederlage endet, versucht Jeff Parker vieles zu relativieren. Auch wenn es sich eher um eine intimere Situation handelt, wirkt die ganze Sequenz deutlich spannender. Während James Bond in der ersten Mission mit seiner Kaltblütigkeit und Frechheit überzeugen kann, scheitert er bei seinem zweiten Auftrag an der eigenen Arroganz. Die kann natürlich in den Wurzeln der ersten Mission begründet sein, aber Jeff Parker hat jetzt plötzlich zu wenig Raum, um die Feinheiten auszumalen.

 Es ist nicht leicht, einer derartig bekannten Figur jetzt eine neue, für den Zuschauer/ Leser erstmalige Vergangenheit zu erschaffen und gleichzeitig die wichtigsten Aspekte der Gegenwart zu intrigieren. Es geht ja auch nicht wie bei „Star Trek“ um einen Neustart oder die Ausbildung eines Paralleluniversums, sondern die Ergänzung des bestehenden Kanon. Auch Anthony Horowitz versucht sich mit der Mission vor „Casino Royale“ in dieser Hinsicht.

 Schon bei der Ausbildung zeigt sich, dass James Bond Teamplayer im eigenen Gusto und gleichzeitig Einzelgänger ist. Er wirkt zu überlegen, zu lernwillig und vor allem zu entschlossen, auf der einen Seite seine Vorgesetzten und väterlichen Freunde nicht zu enttäuschen, auf der anderen Seite aber auch zu einer Tötungsmaschine zu werden, welche vor allem die Nazis bekämpfen möchte. Ein Zug, den die Verfilmungen unter den Tisch gekehrt haben, der aber in Ian Flemings Originalromanen deutlich spürbar ist.

 Die erste Mission an Bord eines U Bootes zeigt eine gänzlich andere Stärke dieser Comicadaption. Bob Q hat sich sehr mit den historischen Vorlagen auseinandergesetzt. Während sowohl Frachtschiffe als auch Kriegsschiffe nicht unbedingt zu den bevorzugten Objekten gehören, nimmt er sich sehr viel Zeit, sowohl U- Boote als auch vor allem deutsche Flugzeuge von der Stuka bis zum Henkelbombe sehr detailliert zu zeichnen und in Szene zu setzen. Zusammen mit den überzeugend realistischen Unterwasserszenen entsteht eine packende Jagd zwischen den deutschen und britischen Kräften. Mit den alten Hasen auf den Kommandoständen beider Seiten wird diese gnadenlose Auseinandersetzung zu einem „fairen“ Zweikampf, wobei Jeff Parker an einigen Stellen die Grenzen zum Realismus negativ überspringt.

 Die Szene gipfelt in einer konsequenten, aber auch nicht unbedingt von der Ausgangslage logischen Gipfelstürmeraktion. Es erscheint unwahrscheinlich, dass die Deutschen erstens so leichtsinnig sind, zweitens angesichts der begrenzten Reichweite der Stuka nichts weiter als ein Lagerfeuer und Zelt da lassen und vor allem, dass niemand, auch wirklich niemand die Insel beschützt. Da ist die Leichtigkeit, mit welcher James Bond den Code der Deutschen knackt und vor allem das Handbuch für Stukas lesen kann schon verzeihlich.

 Durch diesen Hang zur Übertreibung hinterlässt „Origin“ einen zwiespältigen Eindruck und reiht sich ohne Probleme in die Reihe ähnlicher Projekte vor allem aus dem Superheldensektor ein. James Bond ist schon als sehr junger Mann gut zu erkennen und bis auf die sehr harte körperliche Ausbildung ist sein Geist schon derartig wach und aufmerksam, das er nahtlos ins Agentenleben eintreten könnte. Der einzige „Fehler“ wird einem wichtigen Mann zum Verhängnis und droht durch die Entwicklung einer Wunderwaffe den Krieg zu verändern. Wahrscheinlich wird James Bond im zweiten noch zu veröffentlichenden Teil der Miniserie diese Scharte auswetzen.

 Wer die Miniserie nicht mit James Bond ständigen Bild vor Augen liest, erhält eine phantastische Einführung in das Bilden der ersten Geheimagentencorps auf beiden Seiten der Front und ihrer Missionen hinter den feindlichen Linien. Wie erwähnt sind die Zeichnungen inklusiv der konsequenten und Kontinuität zeigenden Farbgebung von insgesamt vier Colouristen überzeigend. Die einzelnen Charaktere lassen sich sehr gut unterscheiden, wobei die Affinität Bob Qs vor allem Flugzeugen gegenüber hervorsticht. Als Ganzes erreicht der erste Teil der Miniserie nicht die Qualität der gegenwärtigen in sich abgeschlossenen Missionen James Bonds. Weniger wäre wahrscheinlich in diesem Fall mehr gewesen und nach der ersten Mission findet Jeff Parker dank eines deutlich lakonischeren Untertons besser in die Spur, so dass eine Gesamtbeurteilung von „Origin“ noch bis zur Veröffentlichung des zweiten Teils aufgeschoben werden kann und sollte.     

James Bond. Band 9: James Bond Origin (James Bond 007)

  • Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
  • Verlag: Splitter-Verlag; Auflage: 1. (23. Juli 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3962193480
  • ISBN-13: 978-3962193485
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