The House of many Worlds

Sam Merwin jr.

Obwohl Sam Merwins zwei Romane  leichte Anlehnungen an H. Beam Piepers „Paratime“ beinhalten, gelten „The House of many Worlds (1951) und die direkte Fortsetzung „Three Faces of Time“ (1955) als eine der ersten Arbeiten, die sich mit dem Thema Parallelwelten auseinandersetzen. Beide Romane erscheinen 1983 in Form eines ACE Doubles unter dem Titel „The House of many Worlds“.

Heute ist Sam Merwin – wenn überhaupt – in erster Linie durch seine Mystery Romane bekannt. Der 1910 geborene Amerikaner hat unter verschiedenen, auch weiblichen Pseudonymen neben Science Fiction und Mystery auch Romanzen geschrieben. Vielleicht fokussierte er sich deswegen auch so überzeugend auf weibliche Charaktere insbesondere auch in der Amy Brewster Serie von Krimis um eine eindrucksvolle weibliche an „Nero Wolfe“ erinnernde Detektivin. Von 1945 bis Anfang der fünfziger Jahre editierte Sam Merwin auch eine Reihe von Science Fiction Magazinen.  

Die Reporterin Elspeth Marriner und ihre Fotograf Mack Fraser – in einem offensichtlichen Klischee streiten sie sich, um sich im Verlaufe ihrer Abenteuer trotz der unterschiedlichen Charaktere aufeinander zu bewegen – werden zu einem alten Haus in den Hatteras geschickt, um dort seltsame auf den ersten Blick natürliche Phänomene zu untersuchen. Das Haus stellt aber das Tor zu verschiedenen Parallelwelten da. Diese Tore werden von einer Gruppe, die sich wie auch Merwin zugibt, einfallslos die Wächter nennen gehütet. Sie suchen für ihre Missionen gezielt Menschen aus, die sie mit speziellen Aufträgen in die einzelnen Parallelwelten schicken, um das Gesamtgefüge zu erhalten.  Zusammen mit der attraktiven Helferin Juanda wird den verblüfften wie kritischen Elspeth und Mack erläutert, dass sie für zumindest eine Mission ausgesucht worden sind.  Hinsichtlich der Konzeption des Romans geht Sam Merwin geschickt vor. Der Leser wird zusammen mit den beiden eher bodenständigen Journalisten mit einem gänzlich neuen Szenario konfrontiert. In den fünfziger Jahren war diese Idee innovativ, spekulativ und vielschichtig insbesondere in Serienform verwertbar, während die Leser heute eher an die langlaufende Fernsehserie „Sliders“ denken.  Wie allerdings in Williamsons „Zeitlegion“ und der schon angesprochenen Pieper „Paratime“ Serie gibt es eine Organisation, die auf diesen Welten politisch (aber nicht immer im Sinne der USA oder der kalten Nachkriegszeit) für Ordnung sorgt und sich – ebenfalls ein Novum – nicht zu schade ist, opportune politische Gruppen mit Waffen und Technik zu versorgen. Dafür brauchen die Wächter entsprechend intelligente Helfer.  

Obwohl das nicht der Fall ist, wirkt „The House of many worlds“ wie ein aus zwei Kurzgeschichten zusammengesetzter Roman mit zwei unterschiedlichen Missionen. Beim ersten Auftrag sollen Elspeth und Mark in einem amerikanischen Staatenbund, der während der napoleonischen Kriege von der bekannten Zeitschleife abgewichen ist, dem Anführer der Rebellen ein flugfähiges Auto überbringen.  Mit Columbia als Hauptstadt ist das Land vom Süden aus dominiert, wobei Farbige keine Sklaven mehr sind, sondern sich trotz aller rassistischen Anfeindungen einen Platz in der Gesellschaft förmlich erarbeitet haben. Aaren Burr war für diese Gründung der Konförderation maßgeblich, während sich Napoleon Mexiko Untertan gemacht hat, nachdem eine Fregatte ihn aus dem Exil auf Saint Helena befreit hat. Die fiktive Welt ist in vielen Punkten ausgesprochen interessant, wird aber angesichts des hohen Romantempos in wichtigen Passagen nur gestreift. So ist vor Jahren ein außerirdisches Raumschiff gestrandet, dessen Technik laut Geheimverträgen nicht genutzt werden darf. Natürlich brechen die politischen Machthaber diese Absprache und Elspeth wird Zeuge, wie Truppen die Disruptoren heimlich verwenden. Kein Wunder, dass aus den Boten schnell Gejagte werden. In dieser Welt ist allerdings auch nicht das Flugzeug erfunden worden. Es gibt schnelle Autos und Züge, es gibt Raketen und die Besiedelung des Mars durch frustrierte Exilanten steht unmittelbar bevor. Auch impliziert Merwin eine platonische Liebe zwischen der anfänglich noch zynischen Reporterin und dem farbigen Offizier, der wahrscheinlich ein Insiderwitz ein wenig zu stark an Shakespeares Othello erinnert.  Zu Beginn des Plots hat Mack zumindest auch eine Nacht mit der ominösen Juanda verbracht, die sich im Verlaufe der zweiten Hälfte des vorliegenden Abenteuers mehr und mehr zu einer im Hintergrund operierenden Ratgeberin entwickelt. Während die Menschen, denen Elspeth und Mack begegnen, eher wie eine Mischung aus dem 19. Jahrhundert und viktorianischen Romanzen agieren, überwinden die beiden wichtigen Protagonisten mehr und mehr ihre Hemmungen und greifen auch politisch aktiv in das Geschehen weit über den ursprünglichen Auftrag hinaus ein.  Dabei verzichtet der Autor auf Klischees. Selbst der Agent einer fremden Macht, der sich den beiden Boten unauffällig auch gesellschaftlich nähern kann, wird mehrdimensional beschrieben und kann eigene Akzente setzen.  Wenn Elspeth und Mack allerdings den potentiellen Exilanten ins Gewissen reden und von ihrer Pflicht gegenüber dem eigenen Staat sprechen, dann bewegt sich Merwin auf einem dünnen Eis, denn die Reden wirken teilweise pathetisch und kitschig überzogen angesichts der Tatsache, das Elspeth/ Mack nichts über die Wächter wissen und ihr politisches Wissen der parallelen Welten eher dürftig ist.  Auch steht im Vergleich zum zweiten Teil des Buches mit einer weiteren, aufeinander aufbauenden Mission das an Screwball Komödien erinnernde Geplänkel im Mittelpunkt der Geschichte. Sie hauen sich und sie werden sich lieben, scheint die Botschaft zu sein, welche die Geschichte deutlich älter als wahrscheinlich beabsichtigt macht. Für zukünftige Abenteuer beendet Sam Merwin allerdings das Verhältnis zwischen Mack und Juanda auf eine sehr tragische, fast überstürzt wirkende Art und Weise. Auch Elspeth darf ihren neuen, zweiten Schwarm nicht behalten, so dass zumindest in eine Richtung Tür und Tor geöffnet werden.

In der zweiten Mission sollen Elspeth und Mack ausgerechnet in Juandas ursprünglicher Welt eine Waffe abliefern. Die geheimnisvolle Frau, die zumindest  anfänglich Macks Geliebte zu sein scheint, schickt Elspeth als berühmte Dichterin auf die Reise. Sie trifft sowohl Präsident Roosevelt als auch dessen Tochter.  Im Gegensatz zur ersten Welt hat sich der Autor nur berühmt, Nuancen zu verändern. Während die amerikanische Nation weiter aus Washington regiert wird, konzentriert sich die United Nations auf San Franzisco.  Auch der Auftrag scheint weniger ambivalent. Warum die gerade gefundenen Informationen insbesondere über eine außerirdische Waffe ohne Kontrolle gleich in die nächste Welt bringen? In dieser Hinsicht agieren die ansonsten eher kritisch gezeichneten Journalisten sklavisch naiv.

Die beiden sehr unterschiedlichen Amerikas überzeugen in ihrer gesellschaftlich sozialen Ausprägung. Sam Merwin hat sich intensiv mit den Abweichungspunkten auseinandergesetzt und mit viel Phantasie eigene Welten erschaffen. Im Auftaktroman bleibt allerdings positiv eine Frage unbeantwortet. Ist die Welt, aus der Elspeth und Mack stammen, überhaupt die Welt des Lesers oder agieren sie ebenfalls aus einer Parallelwelt heraus? Andeutungen in diese Richtung gibt es von den dominierenden Damen über die britischen Implikationen bis zum technologischen „Stillstand“ genug.

Aus heutiger Sicht ist weiterhin interessant, dass Merwin gegen die Klischees des Genres weibliche Charaktere dominieren lässt.  Obwohl Juanda anfänglich das Liebesinteresse Macks zu sein scheint, dreht Merwin im Verlaufe der Handlung die Vorzeichen. Juanda sieht in Mack eher einen Zeitvertreib. Ihren Verlobten hat sie vor einigen Jahren auf einer Mission verloren.  Ohne Arroganz und vor allem auch Dominanz trotz ihres Wissensvorsprungs treibt sie Mack und Elspeth ziel- gerichtet vor sich her. Auf der anderen Seite verliebt sich Elspeth wie schon angesprochen in den farbigen Offizier, ohne das sie ihre Intelligenz oder gar ihre aktive Energie verliert. Vielleicht entspricht es dem Zeitgeist, dass sie ihren Geliebten noch vor Mack aufgeben muss, damit die Beiden schließlich zueinander finden.  Die zweite Romanze ist deutlich weniger intensiv und wie schon angesprochen glättet Sam Merwin im Schlussspurt leider viele der zwischenmenschlich interessanten Ansätze überstürzt und unnötig.

Am Ende schließt sich zusätzlich - ein wenig voreilig angesichts der nachfolgenden Ereignisse - ein Kreis innerhalb des Romans. An Hand der zweiten Spiegelerde versucht Merwin verschiedene Exzesse unserer Erde satirisch überzeichnet zu charakterisieren. Viele Friedensorganisationen und doch unzählige Kriege. Politik, die sich nicht bewegt und schließlich ein sozialer Stillstand. Ob es aber sinnvoll ist, in eine Welt wie die unsere so morderne Waffen - sowohl die Pläne der Disruptoren als auch die Idee eines auf außerirdischer Technologie basierenden Raumschiffes werden impliziert - zu exportieren, ohne das die Wächter unter ihrem sich letzt endlich zeigenden "Anführer" oder die beiden Boten die politischen Verhältnisse wirklich überzeugend untersucht haben, ist eine der Fragen, auf welche der Autor keine Antwort geben möchte. In diesem vorletzten Handlungsabschnitt des Romans zeigt sich eine überraschend optismistische, dem amerikanischen Sendungsbewusstsein vor allem aus der Perspektive des immer stärker in den Vordergrund drängenden kalten Krieges entsprechende Heilsbotschaft, welche einer Reihe von Passagen dieses B Buches nicht entspricht

„The House of many Worlds“ vor allem als Auftakt einer letztendlich nur weiter entwickelten Serie ist rasant geschrieben. Die ersten Kapitel geben das Tempo auf, dass Merwin bei diversen Verfolgungsjagden immer wieder zwischen den sozialpolitischen Exkursionen stetig auf einem gleichbleibenden Niveau hält.  Die Figuren – insbesondere die teilweise historischen Persönlichkeiten, denen der Leser und die Protagonisten begegnen – sind für einen Roman der fünfziger Jahre ausgesprochen dreidimensional gezeichnet worden. Zu den Höhepunkten dieses lesenswerten Romans gehören allerdings die Parallelwelten, die der Autor mit viel Liebe zum Detail erfunden hat.     



    

  • Format: Kindle Edition

  • Dateigröße: 380 KB

  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 211 Seiten

  • Verlag: PageTurner (6. Januar 2005)

  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.

  • Sprache: Englisch

  • ASIN: B000FC2PQK