Traitor to the Living

Philip Jose Farmer

„Traitor to the Living“ aus dem Jahre 1973 ist ein eher schwächerer Philip Jose Farmer Roman. Zum Einen gibt es keine echten Bezüge zu den beiden erotisch surrealistischen Abenteuern, in denen Farmer seinen Protagonisten Gordon Carfex eingeführt hat.

Harold Childes erste beiden Abenteuer sind „The Image oft he Beast“ und „Blown“ gewesen. In beiden Büchern hat Farmer Sex und weniger Erotik mit surrealistischen Handlungen kombiniert. Sex spielt in diesem Buch nur eine untergeordnete Rolle, wobei es eine Sequenz gegen Ende des Buches gibt, in welcher Farmer anscheinend bei Robert A. Heinlein mit seinem umstrittenen, drei Jahre vorher publizierten „I will Fear no Evil“ Anleihen nimmt.

Ohne zu viel zu verraten wird eine junge Frau vergewaltigt und ermordet. Der Täter agiert dabei in mehrfacher Hinsicht pervers. Der Austausch von sexuellen Identitäten ist eines der Themen, auf das Robert A. Heinlein in seinem umfangreichen Werk immer wieder Bezug genommen hat.  Farmer macht es wie viele Aspekte auf eine erstaunlich bescheidene Art und Weise in diesem Buch.

Im Grunde muss man zusätzlich den Roman als eine Art Umkehrversion zu seiner mit dem HUGO prämierten Novelle „To Your Scattered Bodies Go“ aus dem Jahr 1971 sehen, die Farmer mit zahlreichen sehr umfangreichen Fortsetzungen ja zu der bekannten „Riverworld“ Serie ausgenaut hat. Während in dieser Serie die Seelen der Verstorbenen entlang des gigantischen Fluss wieder erwachen und quasi um ein weiteres Überleben kämpfen müssen, geht es hier vordergründig um den Kontakt mit den Verstorbenen.

Die Ausgangssituation ist dabei nicht einmal uninteressant. Gordon Carfax alias Herold Childe ist ein Professor fürs Mittelter. In den ersten beiden angesprochenen Romanen hat er als Privatdetektiv gearbeitet. Seine Cousine Patricia Carfax bittet ihn um Hilfe. Anscheinend hat ihr Vater eine kontroverse Erfindung namens MEDIUM gemacht, mit deren Hilfe die Menschen Kontakt zu der Welt der Geister der Verstorbenen aufnehmen kann. Grundsätzlich ist die Idee nicht neu. Philip Jose Farmer sieht aber diese ambivalent beschriebene Zwischenwelt als durchaus real an und impliziert immer wieder, dass es sich mehr um eine Sphäre als einen imaginären Bereich handelt.

Wäre der Roman besser ausgearbeitet worden, dann hätte er quasi als alternative irdische Version der „Riverworld“ Bücher gelten können, die ja ausschließlich in dieser faszinierend fremdartigen Welt spielen, während „Traitor tot he Living“ als Gegenentwurf nur auf einer bedingt futuristischen Erde spielt und keine Hinweise auf die „Riverworld“ enthält.

Anscheinend hat ein skrupelloser Unternehmer namens Western die Erfindung ihres Vaters gestohlen. Interessant ist, dass Carfax die Ausgangsprämisse überhaupt nicht glauben will und aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen- hier finden sich sehr vage Bezüge zu den ersten beiden Romanen der losen Serie- eher an Außerirdische glaubt.

Richtig schwierig wird es, den Plot noch für glaubwürdig zu halten, wenn Farmer andeutet, dass der Kontakt zu den Toten mittels der MEDIUM Maschine eine Art Perpetuum Mobile sein könnte, das unbegrenzt natürlich auch noch umsonst Energie liefert. Spätestens ab diesem Moment interessieren sich natürlich auch die Geheimdienste für diese Erfindung.

Der kurze und manchmal sogar kurzweilige Roman weist leider eine Reihe von Schwächen auf. Alle Charaktere sind erstaunlich eindimensional gezeichnet. Das beginnt bei Carfax, der auf der einen Seite nach seiner Cousine lüstert, auf der anderen Seite aber höchstens pragmatisch handelt und sich durch seine eigene Naivität immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Als Gegenspieler überzeugt Western auch nicht. Anfänglich der charismatische wie diebische Erfinder wird er schließlich zu einem Perversen, der Carfax Sehnsüchte ohne es zu ahnen umsetzt. Aber der Mitte des Romans versucht Farmer mit dem Tausch von Identitäten – dabei  spielt es keine Rolle, ob dieser freiwillig oder erzwungen erfolgt – einen weiteren Aspekt in die laufende Handlung einzubauen, der aber fehlschlägt, weil der Leser bis dahin sich nicht mit den einzelnen Protagonisten identifizieren konnte.

Auch die Ausgangslage ist schwammig formuliert.  Grundsätzlich wäre ein Kontakt mit den Toten nicht nur konträr zu den Ansichten vieler Religionen, er ist auch schädlich für die Gesellschaft. Niemand kann wie Spiritisten einen abschließenden Beweise bringen, ob es sich um Scharlatane oder echte Tote handelt. Ob die Technik de MEDIUM Maschine wirklich funktioniert oder wie Farmer es leider versucht, diese sich als ambivalentes Wunderding erweist, das einen literarischen Wunsch nach dem Anderen erfüllen kann. Da die Linie nicht konsequent genug entwickelt worden ist, wechseln sich spannende Szenen wie die Idee von Kolonien voller Geister – im Original Semps genannt – im Orbit mit bizarren Szenen ab, in denen Farmer nicht nur die Leser, sondern auch seine eigenen Protagonisten verblüfft. Die Kirche reagiert wie die Politik ambivalent. Sie sieht sich in ihrer grundlegenden Existenz als Mittler zu Gott und damit zu Himmel und Höhle unterminiert, auf der anderen Seite könnte sie aber der Versuchung nicht widerstehen, die Idee einer tatsächlichen Wiedergeburt in Form einer bedingten Reinkarnation als Mahnmal für ein tugendhaftes Leben im Diesseits zu nehmen. Aber dieser Aspekt wird von Farmer nicht weiter diskutiert.

Viel schlimmer ist, dass im Laufe der mehr und mehr zu einer Actiongeschichte verkümmernden Story die MEDIUM Maschine immer neue Fähigkeiten erhält. Der nächste konsequente Schritt wäre die Rückkehr der Toten in neuen, entleerten Körpern auf die Erde. Quasi eine Art Unsterblichkeit mit einem individuellen Abstecher ins Jenseits und wieder zurück. Der Klappentext impliziert, dass es dann wahrscheinlich nicht ausreichend gute Körper für die Vermögenden geben könnte, die sich auf diesem Weg relative Unsterblichkeit sichern wollen. Aber technisch wird der Vorgang nicht beschrieben und die Erweiterung der Idee kommt eher aus dem Nichts heraus. In dieser Reihenfolge erst Kontakt mit dem Jenseits, den eine unendliche saubere Energiequelle und schließlich eine Art Transmitter von Seelen, bzw. Bewusstseinen. Oder das an der ursprünglichen Erfindung noch etwas verändert wird. Diese Gleichgültigkeit einer logischen Grundstruktur gegenüber ist schade.

Höhepunkt dieser Oberflächlichkeit ist der Showdown zwischen Calfax und Western, nachdem mehrere Villen zerstört; Calfax immer wieder bedroht und entweder mit seiner Couine oder alleine um eine eher oberflächlich beschriebene Erde getrieben worden ist. Während Calfax teilweise widerwillig in den ersten beiden Büchern seine Sehnsüchte quasi ausleben konnte, leidet er in diesem Buch unter dem im Grunde „allmächtigen“ und doch aus dem Nichts heraus verwundbaren Western, der sich in mehrfacher Hinsicht perverse Wünsche erfüllt und dabei Calfax hilflos an einen Stuhl gefesselt auch noch provoziert. Spannungstechnisch verschenkt Farmer ausgesprochen viel Potential, in dem er den Hintergrund des Romans nicht sorgfältig genug und provokant wie in einigen seiner besseren Bücher entwickelt, sondern sich wie Heinlein in Monologe flüchtet, welche den Protagonisten wütend machen sollen und gleichzeitig den Leser schockieren. Aber am Ende des Buches bleiben leider so viele rote Fäden in der Luft hängen, das weder das Eine noch das Andere funktioniert und „Traitor to the Living“ immer im Schatten der nicht perfekten, aber exzentrisch grandios entwickelten „Riverworld“ Serie stehen wird anstatt aus diesseitiger Perspektive eine überzeugende Ergänzung zu sein.  

  

Traitor to the Living (Herald Childe Book 3) (English Edition)

  • Format: Kindle Ausgabe
  • Dateigröße: 617 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 199 Seiten
  • Verlag: Gateway (25. Juli 2013)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Englisch
  • ASIN: B00DS9COJK