Das Mädchen, die goldene Uhr und alles andere

John McDonald

Erst in den achtziger Jahren veröffentlichte der Heyne Verlag John D. MacDonalds dritten Science Fiction Roman, der ursprünglich 1962 in den USA erschienen ist.  Dazwischen liegt eine Veröffentlichung als gekürztes Terra Taschenbuch. Chronologisch handelt es sich um die dritte längere phantastische Arbeit des Amerikaners, der seine Karriere ja in den Pulps und mit zahlreichen heute noch lesenswerten Kurzgeschichten begonnen hat.

Die ersten beiden Bücher sind schon vor vielen Jahren im Heyne Verlag veröffentlich worden.

Es ist der einzige SF Roman aus der Feder des Amerikaners, der zu einem allerdings Fernsehfilm bearbeitet worden ist. Mit Robert Hays und Pam Dawber in den Hauptrollen flimmerte die Adaption 1980 über die Bildschirme.

Interessant ist, dass der Titel ein wenig ironisch den Plot sehr gut zusammenfasst und Douglas Adams in dieser Hinsicht sogar vorwegnimmt. Auch wenn nicht alle Sequenzen ernsthaft gemeint sind und der Augen sich ein Augenzwinkern nicht verkneifen kann,  ist das Grundgerüst der Handlung um ein Thriller Korsett herum aufgebaut worden. 

Der Klappentext verrät fast zu viel vom phantastischen Element einer Uhr, welche die Zeit stoppen kann. Nur der Träger der Uhr kann sich in einer Art roten Zone bewegen. Aus heutiger Sicht wird dem Leser das Phänomen mit den entsprechenden Hinweisen sowohl aus Stephen Kings Epos „11/22/63“ bekannt vorkommen wie auch aus den Anspielungen in Spider Robinsons „Callahan“ Serie.

Kirby Winter ist ein junger Mann, der lange Zeit von seinem Onkel gelebt hat. Diese hat ein sagenhaftes Vermögen angesammelt. Kirby Winter ist der Mann für besondere Aufträge, deren Hintergründe er nicht kennt. Im Leben hat er sein Studium abgebrochen. Bei Frauen passieren ihm immer wieder kleinere Katastrophen. Im Bett spielt sich gar nichts ab.

Bei der Testamentseröffnung erfährt Kirby, dass der Onkel im Nichts bis auf einen Brief, den er erst in einem Jahr öffnen darf, und einer goldenen Uhr mit einem kleinen Spielzeugteleskop an einer Kette  hinterlassen hat.  In der Linse kann der Betrachter ein pornographisches Bild erkennen.

Allerdings scheint er auch über sein eigenes Unternehmen mehr als 27 Millionen Dollar aus versteuertem Geld verschenkt zu haben, was den Aufsichtsrat seines zweiten Unternehmens sehr beunruhigt.  

Plötzlich interessiert sich eine sehr attraktive, aber ältere Frau für Kirby. Ihre Annäherungsversuche scheitern an der Ungeschicktheit des jungen Mannes, wobei der Leser nicht erkennen kann, ob diese Verkettung unglücklicher Umstände und Pannen einer Gesetzmäßigkeit unterliegen oder zufallsbedingt sind.

Erst eine Verwechselung und eine heiße Nacht, lange Zeit im Halbschlaf verbracht mit der attraktiven Bonnie Lee Beaumont lassen Kirby nicht nur zu einem Mann werden, sondern seine Ungeschicklichkeit vergessen. Am nächsten Tag entdeckt er das Geheimnis, das ihm sein Onkel nicht auf einem Silbertablett, aber erkennbar vermacht hat.

Es ist empfehlenswert, vor allem den deutschen Klappentext nicht zu genau zu lesen. Zu viele Nebeninformationen werden präsentiert und hindern vor allem zu Beginn des Romans den Leser daran,  die vielen kleinen Seitenhieben auf die Jetset Gesellschaften und vor allem auf die feigen Geschäftsführer der Firma des verstorbenen Onkels nachzuvollziehen.

Wer den Klappentext kennt, weiß, woher der Onkel seinen Reichtum hat. Aus heutiger Sicht mit einem Abstand von fast sechzig Jahren ist die Idee nicht unbedingt neu und in zahlreichen Filmen und Comics, sowie einigen Romanen verwandt worden. In den sechziger Jahren wirkte sie noch deutlich origineller, wobei John D. MacDonald geschickt jegliches technisches Know How zur Seite schiebt und sich alleine auf die Folgen dieser Erfindung konzentriert.

Der Mittelteil des Buches ist deutlich flotter, auch wenn der Autor mit der Entführung Kirbys und seiner Freundin, einer entsprechenden Erpressung und schließlich der effektiven, aber auch wenig spektakulären Flucht von der schönen Jacht wieder aufs Festland nur eine Reihe von Klischees bedient, die unzählige Thrillerautoren in ihren Büchern immer wieder eingesetzt haben. Kaum ist Kirby in der Lage, die Uhr zu benutzen, haben die Gegner keine echte Chance. Ein einleitender Brief zu Beginn des Buches mit einem verzweifelten, sich in Privatleben zurückziehenden Auftragskiller ist ein wunderbares Musterbeispiel, wobei der Roman diese absurde Exzentrik im Laufe der Handlung nur noch an wenigen Stellen wiederholen kann.

Viel mehr wirken einige der folgenden Actionszenen eher bieder und bodenständig. Im Gegensatz zu seinen harten und dunklen Thrillern überschreitet der Autor aber nicht irgendwelche Grenzen und trotz ein wenig Gewalt geht man erstaunlich respektvoll miteinander um.

Da Kirby noch lernt und vieles zum schwierigen, auf einigen Zufällen aufbauenden, aber auch nachvollziehbaren Plan des Onkels gehört, kann die Uhr nur bedingt effektiv eingesetzt werden. Wie verführerisch dessen Macht ist, zeigt der Autor an einigen Beispielen nicht nur exemplarisch, sondern nutzt diese Szenen, um zwischen den rücksichtslosen opportunistischen Schurken und den „Helden“ zu unterscheiden, die eher monetären Mundraub begehen als mittels der Uhr rücksichtslos zu stehlen. Rechtlich ist das Ergebnis in beiden Fällen gleich, aber McDonald baut einige Zwischentöne aus.

Ganz den sechziger Jahren entspricht der charakterliche Hintergrund der Figuren. Das Jetset wird überdreht beschrieben. Grenzenloser Luxus, es wird geraucht und getrunken. Immer an ein wenig am Rande der Parodie beschreibt der Autor die Schurkin als Vamp, die ihre Verführungskraft inklusiv des Verbrechens auf eine innige Beziehung bzw. Ehe einsetzt, um den naiven und überforderten Kirby Winter zu manipulieren.

Auch die sexuell aggressive und schließlich zu einer sanften Schutz suchenden Begleitung mutierende Bonnie Lee Beaumont wirkt eher wie der feuchte Traum eines jeden jungen Helden als eine dreidimensionale Persönlichkeit.

Ihre Handlanger sind alle groß, kräftig und furchtbar dumm. Spätestens beim Brand auf dem Schiff zeigen sie, dass sie wahrscheinlich nicht mal mit einem normalen Agenten fertig werden würden.

Während der Onkel nur als eine Art Chiffre vor allem durch seinen langen, notwendigen und ironisch überzogenen Brief am Ende des Buches eine Rolle spielt, ist dessen treue Sekretärin fast zu sehr als Karikatur gestaltet worden. Sie glaubt, Kirby will über sie herfallen. Dazu besteht wirklich kein Anlass und sie sollte es auch aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Jungen und dessen Erfahrungen mit Frauen besser wissen. Sie hat alle Anweisungen pflichtschuldigst erfüllt und selbst in den sechziger Jahren wirken die Andeutungen der Geschäftsführer nachvollziehbar, aber auch hinsichtlich ihrer eigentlichen Intention aus der Luft gegriffen. Für versteuertes Geld interessiert sich im ersten Schritt kein Finanzamt der Welt. Selbst wenn der Eigentümer entlang der Küste Freudenfeuer veranstaltet.

John MacDonald braucht aber diese Scheinherausforderungen, um den Plot am Laufen zu halten und zumindest eine Art von Gefahr zu implizieren.

Es ist schade, dass der Autor das ganze Potential der Geschichte nicht abschließend heben kann. Der Leser wünscht sich, den gereiften Kirby Winter natürlich mit der inzwischen richtigen, ihm aus dem Nichts ins Bett gespülten Frau agieren und nicht wie über weite Strecken des Buches ausschließlich reagieren zu sehen.

John D. MacDonald ist aber ein geschickter und schon in den sechziger Jahren routinierter Autor, der allerdings im bekannten und zu erahnenden Rahmen kleine Überraschungen in den Plot einbaut und dadurch auch Spannung generiert.

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  • Format: Apex Verlag
  • Dateigröße: 1706 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 457 Seiten
  • Verlag: BookRix (28. März 2019)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch