Erdlicht

Arthur C. Clarke

Arthur C. Clarkes 1955 publizierter Roman „Earthlight“ ist in seinem Gesamtwerk ein bemerkenswertes, literarisches aber nicht gänzlich geglücktes Kuriosum. In „Childhood´s End“ sind die Menschen erstmals Außerirdischen begegnet, die so unfassbar fremd und gleichzeitig überlegen sind, dass eine Kommunikation schwer direkt möglich ist. Eine andere Art von Überwesen wird in seinem letzten alleine verfassten Roman „3001“ auf der Erde eingreifen, als eine atomare Auseinandersetzung droht. Die Idee der kriegerischen Auseinandersetzung, am besten zu den Sternen getragen wird der Autor das erste und im Grunde das einzige Mal in „Earthlight“ durchspielen. In mancherlei Hinsicht stellt „3001“ im Grunde eine finale Extrapolation zweier konträrer Ideen aus den fünfziger Jahren dar.

Interessanter ist, dass Robert A. Heinlein unter anderen Voraussetzungen die Idee einer Kampf zwischen der totalitären Erde und seinen Kolonien – bei Heinlein nur auf dem Mond und ein ehemaliges Strafgefangenenlager – wie eine Fackel von Clarke aufnimmt und in „Der Mond ist eine herbe Geliebte“ sehr viel umfassender und zufrieden stellender erzählt.

 Es ist der Epilog, in dem der Protagonist Sadler als Buchhalter, aber auch Gegenspionagemaulwurf auf seinen Kontrahenten trifft, welcher die Erde mit wichtigen Informationen auf eine technisch interessante Art und Weise versorgt hat, der aus der Masse herausragt. In ihm fügen sich erstaunlich viele nicht ausreichend herausgearbeitete Aspekte dieses ausgesprochen kompakten Buches in interessanten, realistisch geschriebenen, aber vor allem auch für den Leser auf Augenhöhe nachvollziehbaren Dialogen exzellent zusammen und geben dem Buch die humanistisch emotionale Note, welche der Leser an vielen anderen Stellen vermisst.  

 Die Handlung setzt ungefähr zweihundert Jahre in der Zukunft ein. Die Menschheit lebt – bis auf den schwelenden und später ausbrechenden Konflikt – friedlich im Sonnensystem. Der Mond, der Mars, die Venus und interessanterweise der Jupiter sind besiedelt worden. Die Kolonien nennen sich Föderation, während die Erde sich politisch auf die eigene heimatliche Stärke konzentriert hat.

 Bertram Sadler wird von der Erde zum Mond geschickt, um offiziell die Budgetierung bestimmter Forschungen im Platokrater zu untersuchen. Gleichzeitig trifft im Sonnensystem nach mehr als zweitausend Jahren das Licht eine Supernova ein, ein untrügliches Zeichen, dass das Universum immer stärker sein wird als der Mensch. Dieses Zeichen nimmt Clarke aus Auftakt eines fast unwürdigen politischen Ränkespieles, an dessen Ende im Grunde nur Verlierer stehen könnten und die wichtigen Resourcen des Sonnensystems gefährdet. Die kosmische Bedeutung ist vernachlässigbar, wie ein menschliches Leben angesichts der Äonen der Evolutionsgeschichte. Es ist aber erstaunlich, das im Laufe des stringenten, fast simpel erzählten Plots Arthur C. Clarke diesen Aspekt nicht noch einmal aufgreift, in fast ignoriert.

 Der Roman stellt eine Erweiterung einer wenige Jahre vorher veröffentlichten Novelle dar. Vielleicht wirkt deswegen der Hauptplot extrem fokussiert und kompakt erzählt, während diese philosophischen Exkurse dem Buch nicht das erwünschte abgerundete Bild schenken, sondern teilweise vom fast bodenständig distanzierten erzählten Handlungsfaden ablenken.

 Im Grunde ist Sadler ein Spion. Er soll untersuchen, wo und in weit die Erde ihren Einfluss auf die Kolonien verliert. Clarke geht zwar nicht so weit, die Knechtschaft der Erde über die Kolonien mit historischen irdischen Exzessen zu vergleichen. Heinlein ist in dieser Hinsicht einen deutlichen Schritt weitergegangen. Vielleicht wirkt deswegen sein Buch auch deutlich moderner und vor allem auch intensiver als Clarkes Gentlemenversuch. Sadler soll den Informanten ausschalten, welcher der Federation wichtige Informationen liefert. Man vermutet den Gegenspion zwar unter den Astronomen, die im Plato Krater sich mit den Sternen beschäftigen, es gibt aber keine nachhaltigen Beweise.

 Die Grundstruktur ist unabhängig vom Konflikt zwischen der Erde und der Federation ein klassischer Clarke. Ein Außenseiter ist Beobachter und Mittler zum Leser zugleich. Durch seine Augen lernt der außen stehende Betrachter den technischen Fortschritt der Menschheit aus einer lehrhaften, aber nicht belehrenden Perspektive kennen.

 Sadler ist dabei ein vielschichtigerer Charakter als in „Aufbruch zu den Sternen“ oder „Projekt: Morgenröte“ . Auch wenn sein vorgegebener Beruf – ein Buchhalter – nicht mit einem Journalisten oder gar einem Science Fiction Schriftsteller zu vergleichen ist, ahnt der Leser schnell, dass es sich dabei um eine Fassade handelt. Die anderen Clarke Protagonisten haben ihr innere Gesinnung relativ offen vor sich hergetragen.  

 Interessant ist, dass Clarke zwischen einzelnen Protagonistengruppen differenziert. Auch wenn sich unter den Forschern möglicherweise ein Spion befindet, agieren diese in einer Art intellektuellen Vakuum, das unabhängig von Systemen funktioniert und dessen Ziel die weitere friedliche Erforschung des Alls ist. Auch Sadler agiert im Grunde als eine Art Spion wider Willen, der sich lieber mit seinen Kollegen als Amateur der Forschung verschreibt. Aufgrund seiner Position kann er alle wichtigen Einrichtungen auf dem Mond besuchen. Clarke hat Probleme, Sadler in seiner Tarnung zu skizzieren. Zu offensichtlich dringt nicht nur bei dieser Figur, sondern allen Protagonisten der Mann der Wissenschaft in Person des Autoren durch.

 Wie bei vielen Rebellenbüchern liegen die Sympathien auf Seiten der Kolonisten, die in der unwirtlichen Umgebung entweder der amerikanischen Frontier oder eben wie hier im All ihr Leben riskieren und deswegen auch frei entscheiden möchten. Im Gegensatz zu vielen anderen Büchern und als Vorreiter von Heinleins „Der Mond ist eine herbe Geliebte“ sieht der Brite kriegerische Konflikte nicht nur als archaisch, sondern vor allem auch nicht als zielführend an. Es gibt eine größere Auseinandersetzung am Ende des Buches, die aber derartig unspektakulär und mit wissenschaftlicher Präzision beschrieben worden ist, dass sie den Space Opera Freunden im wahrsten Sinne des Wortes die Lust an der Zerstörung nimmt. Akribisch werden am Ende des Tages die Verluste aufgelistet.

 Auch wenn Krieg/ Kämpfe ein letztes Mittel der Diplomatie sein könnten, agiert Clarke als übergeordneter Erzähler angewidert und vor allem auch derartig negativ auf diese Art der Auseinandersetzungen, dass er quasi seinen Diplomaten die Sporen gibt und eine Art Vernunftfrieden walten lässt. Wenn der Leser unbedingt nach einem Sieger sucht, so ist es natürlich die Federation der Planeten mit ihren größeren Möglichkeiten, die Erde als Fixpunkt anzugreifen. Aber auch die Kolonien würden sich bei einer Zerstörung der Mutterwelt eine wichtige Nabelschnur in mehrfacher Hinsicht abschneiden. Wie zu Beginn des Buches ist das fragile Gleichgewicht der auseinanderstrebenden Kräfte notwendig, damit die Menschheit ihre großen Ziele erreichen kann.

 „Earthlight“ ist keiner von Clarkes besten Büchern. Eingeengt zwischen zwei Klassiker seines Werkes „Childhood´s End“ und „The City and the Stars“ vereinigen sich allerdings ausgesprochen viele Ideen, extrapoliert aus den Wirren des Zweiten Weltkriegs mit dem stetig vorwärts strebenden Geist der Wissenschaft, um zu zeigen, dass weniger der Krieg als die Forschung der Vater bzw. die Mutter jeglichen Fortschritts ist. Zu den Stärken des vielleicht emotional zu wenig ansprechenden, technisch aber ausgesprochen kompakten Buches gehört die erste Hälfte, in welcher Clarke dem roten Faden seines Werkes folgend die Besiedelung insbesondere des Monds, aber auch des Mars sehr authentisch basierend auf dem Stand der Forschung in den fünfziger Jahren beschrieben hat. In dieser Hinsicht ist „Earthlight“ an den Epilog von „Aufbruch zu den Sternen“ anschließend ein wunderbar stimulierendes Werk, das sich zwar eng an der vor allem amerikanischen Geschichte zu orientieren scheint, aber abschließend einen gänzlich anderen Weg vorschlägt.

Erdlicht: Roman

  • Format: Kindle Ausgabe
  • Dateigröße: 1339 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 212 Seiten
  • Verlag: Heyne Verlag (25. Februar 2014)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch