Forever Magazine 61

Neil Clarke (Hrsg.)

Neil Clarke berichtet im Vorwort von den Folgen seiner Herzschrittmacheroperation. Wahrscheinlich sollte man deswegen gnädiger mit ihm umgehen, auch wenn der Nachdruck einer nicht mal sechs Monate alten Novelle – unabhängig von der wirklich herausragenden Qualität – aus einem der drei großen Magazine schon fast frech zu nennen ist.

„Gremlins“ heißt die Novelle aus der Feder Carrie Vaughn. Sie erschien in „Isaac Asimov´s Science Fiction Magazine“ eben im Frühsommer 2019. Drei Generationen starker russischer Frauen. Der Bogen spannt sich von den brutalen gnadenlosen Kämpfen in und in diesem Fall über Stalingrad während des Zweiten Weltkriegs bis zu einer interstellaren Mission.

Eine Pilotin findet nach einer erfolgreichen Jagd auf deutsche Jagdmaschinen plötzlich ein fremdes Wesen auf ihrem Flugzeug wieder. Es handelt sich um eine Art Ball mit Augen, das sich aber nicht nur sehr gut tarnen,  sondern durch mindestens Flugzeugglas gleiten kann. In der letzten Teilgeschichte kann es sogar im Vakuum leben. Die Pilotin nimmt das Wesen als eine Art Glücksbringer an sich. Natalia überlebt nicht zuletzt dank dessen Fähigkeit, aus der Luft die feindlichen Jäger im Grunde zu verspeisen den Krieg. Sie gibt das Wesen in die Obhut ihrer Enkelin Elena, die über dem Nahen Osten einen modernen Kampfjet fliegt.

Zu einer der rührenden, vielleicht fast ein wenig kitschigen Momente gehört der Augenblick, als Drook – russisch für Freund – quasi den Flügel an der Maschine hält, damit Elena landen kann.

Die ersten beiden Abschnitten sind die besten der Novelle. Das hat weniger mit den kriegerischen Auseinandersetzungen zu tun, sondern der Duplizität der Ereignisse. Beide Frauen verlieren nicht durch den Krieg, sondern mittelbare Ereignisse wichtige Menschen in ihrem Leben. Diese Verluste prägen auch die Freundschaft zu Drook, der vor allem Schrott zum Leben braucht.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum niemand von den abschließend drei Frauen zu Wissenschaftlern gegangen ist, um Drook zu zeigen. Ellie übernimmt schließlich die Aufgabe, ihn nach Hause zu bringen. Dieser Abschnitt ist zwar gut geschrieben, aber die Chemie zwischen dem ambivalenten Wesen und Ellie wirkt zu distanziert erzählt. Das Ende ist auf der einen Seite ohne Frage konsequent und folgerichtig, auf der anderen Seite wird dadurch auch eine Distanz zwischen den Menschen, bzw. Frauen und dem Drook aufgebaut, die den ersten beiden Episoden auch widerspricht.

Carrie Vaughn eine in ihrem so klassisch epischen und doch auch persönlichen Stil eine emotional ansprechende, nicht unbedingt kitschige Novelle verfasst, die auf der einen Seite in die jeweiligen Zeiten eingebettet ausgezeichnet funktioniert, auf der anderen Seite aber auch zeigt, wie eng Generationen mit einer im Grunde absurden Aufgabe miteinander verknüpft werden können.

Auch wenn „Gremlins“ – nicht mit dem Spielberg/ Dante Film verwechseln – immer wieder die richtigen Tasten spielt, setzen sich die Bausteine im Kopf des Lesers erst abschließend zusammen, so dass alleine aus qualitativen Gründen der Nachdruck ohne Frage berechtigt erscheint, obwohl er zeitlich ein wenig „früh“ kommt. 

 Sehr viel emotionaler und anrührender ist "Red in Tooth and Cog" von Cat Rambo. Die Protagonistin verliert ihr Handy in einem nahe gelegenen Park. Es geht ihr weniger um das Gerät als die verzierte Hülle. Sie verbringt mehr und mehr Zeit im Park und stellt fest, dass der Park von zurückgelassenen intelligenten Geräten bewohnt wird, die aber die örtlichen Behörden ärgern. Immer am Rande des emotionalen Kitsches ist es eine wunderschöne rührende Story um die Hinterlassenschaften der Menschen. Die Geschichte erschien im Frühjahr 2016 in „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“.

Thematisch am Aktuellsten ist John Kessels “Consolation”. Im Gegensatz allerdings zu seinen wirklich pointierten und teilweise sarkastischen Arbeiten besteht die Geschichte im Grunde aus den Anekdoten dreier Menschen, die in einer durch die klimatischen Veränderungen kaum wieder zu erkennenden USA mittelbar von einem Terrorangriff betroffen sind. John Kessel gibt sich weder die Mühe, die einzelnen Protagonisten nachhaltig genug zu entwickeln noch kann er eine konsequente Handlungsführung aufweisen. Einzelne Elemente werden aus dem Nichts heraus eingeführt, dann aber quasi in der Luft hängen gelassen. Dadurch wirkt der ganze Text sehr unrund und eine echte Spannungskurve kommt nicht auf.

Dank der exzellenten Novellen ist auch die Februar Ausgabe von „Forever“ wieder eine Reise wert. Weiterhin erscheinen die Nachdrucke über die Jahre betrachtet stärker als die exklusiven Veröffentlichungen in der großen Schwester „Clarkesworld“.

 

Forever Magazine Issue 61 cover - click to view full size

112 Seiten E Book

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