Valhalla

Thomas Thiemeyer

Nach seinem Debütroman „Medusa“ und „Nebra“ folgt jetzt mit „Valhalla“  der dritte Roman, in dem die Archäologin im Auftrag eines der reichsten Männer der Erde zu exotischen Plätzen auf der Erde reisen muss und darf, um die Geheimnisse der Vergangenheit immer in Kombination mit Ereignissen der Gegenwart zu entschlüsseln.  In seinem fünften Wissenschaftsthriller orientiert sich Thomas Thiemeyer insbesondere im Vergleich zu den deutlich originelleren Jugendbüchern an den Mustern, die Michael Crichton schon in den achtziger Jahren mit Büchern wie „Kongo“ etabliert hat. Am effektivsten ist es, wenn am Ende des Buches die langen historischen Schatten der menschlichen Geschichte untergehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Naturkatastrophe oder moderne Bomben handelt. „Valhalla“ passt sich viel zu leicht an die Muster an,  ist mit knapp über fünfhundert Seiten trotzdem erstaunlich leicht und phasenweise mechanisch konzipiert.  Es ist kein schlechter Roman, sondern vor allem kein guter Thriller. Keine echten Ecken, keine nachhaltigen Kanten. Eindimensionale Schurken; ein wenig Sex – unter anderem mit minderjährigen hoch begabten Prostituierten aus der Ukraine -, der kitzeln und provozieren soll und vielen Rettungen in letzter Sekunde aus unmöglichen Situationen.  Was sich in seinen letzten Gegenwartsthrillern schon angedeutet hat, beweist „Valhalla“. Thomas Thiemeyer ist im Kommerz angekommen und wird ohne Frage jede Menge dieses Buches verkaufen.  Vergleicht man vor allem seinen ersten Hannah Peters Roman „Medusa“ , in dem er einen exotischen Hintergrund mit einer stringenten Handlung auch ohne ein Funkenwerk neuer Ideen kombinieren konnte, schleppt sich „Valhalla“ insbesondere im Mittelteil förmlich dahin.

Der Prolog ist klar. Im ewigen Eis um Spitzbergen forschen die Nazis in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs in den Gemäuern einer alten, einer uralten Stadt – hier gibt es ausreichend Andeutungen, aber die Ereignisse überrollen schließlich die Entdeckung, was beim Leser rückblickend auch Enttäuschung hinterlässt – Hyperborea  hinsichtlich biologischer Wunderwaffen. Natürlich geht es schief. Alle Soldaten kommen ums Leben. Der Leser weiß, das Grauen wird relativ schnell wieder auftauchen. In der Gegenwart wird Hannah Peters von ihren Ausgrabungen in Asien abgerufen. Der Milliardär Norman Stromberg schickt sie mit einer neuen Expedition nach Spitzbergen, wo gerade die uralte Stadt sich durch die kontinuierliche Erwärmung aus dem Eis zu schälen beginnt.  Nach etwas mehr als einem Drittel des Romans fügt Thomas Thiemeyer mit dem sterbenden Leiter der Expedition und einer Qualen leidenden Hannah Peters der ersten und einzigen Höhepunkt des Romans hinzu. Alle Mitglieder der Expedition scheinen qualvoll zu sterben, nur Hannah wird von ihrem Lebensabschnittsbegleiter John in letzter Sekunde gerettet. Sie hat nur überlebt, weil sie schwanger ist.  Auf der anderen Seite wird laut den Ärzten ohne Entwickeln eines Gegenmittels das Baby nach der Geburt sterben. Hannah Peters entschließt sich mit einem selbst ausgewählten Team nach einem in die Stadt einzudringen. Nur haben die Russen in der Zwischenzeit nicht nur die Stadt entdeckt, sondern ebenfalls Zugang zu den alten Unterlagen, aus denen die Forschung nach biologischen Kampfstoffen der Nazis überdeutlich hervorgeht.

Handlungstechnisch besteht der Roman aus einer Reihe von Versatzstücken. Neben der antiken Stadt geht Thomas Thiemeyer auch eher oberflächlich auf den biologischen Kampfstoff ein, der entweder sofort tötet oder die Menschen/ Tiere nach einer kurzzeitigen Todesstarre als Monster neu entstehen lässt. Diese Vorgehensweise ist in doppelter Hinsicht opportun. Zum einen lehnt er sich an Carpenters „The thing“ – der Fairness halber wird diese Hommage auch expliziert erwähnt – an, zum anderen kann er aber in einer im Grunde aussichtslosen Situation den Helden Hilfe bringen.  Das Ende ist ein wenig an „Andromeda- tödlicher Staub“ angelehnt, auch wenn es explosiv ist. Dazwischen finden sich noch zwei oder drei Actionszenen, wobei die Idee, dass eine Handvoll Forscher immerhin einer russischen Militäreinheit quasi durch die Hintertür entkommen können, während die noch bis zehn zählen absurd erscheint. Auch die Selbstopferung zweier Helden an wichtigen Stellen wirkt mechanisch. Hinzu kommt, dass passende „Auftauchen“ von Monstren, deren Identität der Leser wie Hannah Peters erahnen kann. Wie und warum sie so geworden sind, warum sie instinktiv sich in entscheidenden Stellen doch plötzlich erinnern können, um Freund und Feind zu unterscheiden, wird nicht weiter untersucht. Diese Oberflächlichkeit ist enttäuschend und widerspricht den wunderschönen Portraits seiner Jugendbücher, in denen Thomas Thiemeyer eher nach Hintergründen suchte.   Als Actionroman ist „Valhalla“ positiv genommen höchstens funktionell zu nennen. 

Die Verbindung zwischen Geschichte und Gegenwart  ist ein roter Faden, der inzwischen fünf Romane miteinander verbindet. Dabei informiert der Autor seine Leser unauffällig, aber sehr fundiert über neuste Entwicklungen auf wissenschaftlichem Gebiet und verbindet diese Informationen mit Einblicken in fremden Kulturen.  Diese Mischung aus Mythos und Fakten findet sich in „Valhalla“ pointiert und gezielt ebenfalls. Nur wirkt sie ausschließlich Zweck gebunden, da am Ende alles wieder in den Bereich der Legenden zurück gebombt wird.  Vor allem die biologische Forschung der Nazis erscheint eindimensional und von Klischees durchsetzt. Das die bösen Russen – eine Ausnahme gibt es am Ende, sonst gäbe es keine Überlebenden – ebenfalls Interesse an dieser Biobombe haben, ist von Beginn an Sonnenklar.  Immerhin könnte sie quasi im Vorgarten geerntet werden. Die Verbindung zwischen Hyperborea und den Nazis ist historisch gesehen eher zufällig. Auch wenn die Nazis dem Runenkult erlegen sind, haben sie die Mauern der verschütteten Stadt aus reiner Zweckmäßigkeit als zusätzliche Schutzwälle genommen. Wie sie die Stadt vor Beginn der Klimaerwärmung bleibt unerwähnt.  Es dauert zu lange, bis die Anlage ein zweites Mal erreicht worden ist und selbst dann gelingt es Thomas Thiemeyer kaum, sie in die Handlung irgendwie einzubeziehen.  Der Weg dahin mit dem obligatorischen Einbrechen in plötzlich dünnes Eis ist deutlich interessanter beschrieben worden. Dass die Russen ihren Schatz nicht moderner abgesichert haben, ist auf der anderen Seite eine der oberflächlichen Nebenkriegsschauplätze, welche die Lektüre über anspruchslose Unterhaltung hinaus so frustrierend machen.

Zu den Stärken und Schwächen des Romans zugleich gehören die handelnden Protagonisten. Hannah Peters als schwangere Forscherin könnte für eine emotionale Dramatik sorgen. Sie wirkt aber schwach gezeichnet. Niemand glaubt, dass erstens Thomas Thiemeyer den Mut hat, sie nach einem Drittel des Romans zu töten und zweitens sie auch nicht am Ende ihr Baby verlieren könnte. Der Ausblick auf eine neue Superintelligenz im überspitzten Sinne trägt negativ dazu bei, dass diese Idee eher wie eine Art MacGuffin erscheint. Mit einer unbekannten Protagonistin hätte diese Vorgehensweise sehr viel überzeugender gewirkt und wirklich Spannung erzeugen können.   Ihr Lebensabschnittbegleiter John wirkt noch eindimensionaler. Die Sexszene im Dchungel Kambodschas ist einer der wenigen Augenblicke, in denen der Leser Hannah und John tatsächlich eine Beziehung abnimmt. Ansonsten bewegt sich vieles im distanzierten Klischeebereich.

Jedes Mitglied ihres zweiten Teams wird im Mittelteil des Buches ausführlich und prägnant vorgestellt. Wie bei „Mission Impossible“ – auf einer vergleichbare Expedition gehen sie auch – handelt es sich nicht nur um Freunde, Johns ehemalige Freundin und vor allem Spezialisten, es sind auch besondere Menschen.  Neueinsteiger lernen so die Nebenfiguren besser kennen als die beiden wichtigsten Protagonisten.  Ergänzt wird das Team durch einen Hundeführer, der als Russe seinen Landsleute kritisch gegeneinsteht, aber nach wenigen Tagen mit den „Helden“ wahre Freundschaft schließt.  Auf der Gegenseite eine besondere Abordnung einer speziellen dem Geheimdienst zugeordneten Abteilung mit einem charismatischen wie selbstverliebten, an James Bond erinnernden Offizier – er darf Sex mit Minderjährigen haben – sowie seinem eher ambivalent beschriebenen Vorgesetzten  verfügt der Roman über schematische Schurken. Ihre Handlungen pendeln zwischen dumm – die Vorstellung in der Hütte inklusiv der Scheunentor offenen Umstellung – und brutal – er liebt es, seine Gefangenen körperlich wie geistig zu foltern – hin und her. Als Individuum dienen sie weniger   als überzeugende Antagonisten denn als Staffage in einem so durchschnittlichen, so konstruierten und im Grunde über weite Strecken auch leider einfallslos zusammengesetzten Roman.  Wie schwach „Valhalla“ ist, zeigt sich, wenn am Ende dank einer kleinen Probe auf jeden Fall das Gegengift zum potentiellen „Supersoldaten“ Erreger ( ach wäre die Hommage an „Captain America“ nur gelungen) während die Heldin quasi sich erholt gefunden wird.

Zusammengefasst wirkt „Valhalla“ eher wie eine Auftragsarbeit, deren Grundidee von Beginn an nur mechanisch routiniert, aber stilistisch gefällig umgesetzt worden ist. Viel Potential wird durch die rückblickend gedehnt erzählte Geschichte verschenkt und die zumindest überzeugend, wenn auch teilweise klischeehaft skizzierten Nebenfiguren ( Computernerd, Ex- Freundin, Gigolo) nicht im Regen, sondern im Schnee stehen lässt. 

 

Hardcover, Knaur HC
03.03.2014, 512 S.

ISBN: 978-3-426-65265-7

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