Das Haus Zamis 60- Bluternte

Simon Borner & Logan Dee

Es ehrt den Exposeautor Logan Dee, dass er die interessanten Passagen der gegenwärtigen Coco Zamis Handlung seinem Mitstreiter Simon Borner überlässt, der sich  auf der anderen Seite aber mit dem verflixten Problem der Zeitschleife auseinandersetzen muss.

 Logan Dee spannt in seinem Handlungsabschnitt den Bogen vom dämonischen Gardasee nach Frankreich, wo sich Coco Zamis mit ihrem neuen Freund zu verstecken sucht. Natürlich gibt es auf jedem Ort dieses Planeten mit Ausnahme des von Coco Zamis betriebenen Cafes dämonische Vergangenheit, die wie die Motten vom Licht von der Anwesenheit einer besonderen Hexe angezogen werden.

 Die Rockerbande aus der Gegenwart wirkt eher befremdlich. Wenn die Autoren auf derartige Erscheinungen zurückgreifen, sollten sie diese auch entsprechend platzieren. In Großstädten wie New York oder den Weiten des amerikanischen Westen hätte man aus dieser Prämisse etwas machen können, aber nach einem vielleicht ein wenig zu ruhigen Aufbau versucht Logan Dee die Temposchraube anzudrehen und spannt dabei den Bogen ein wenig zu weit. Kaum die eher unterdurchschnittlich belichteten Rocker losgeworden kommt es zu einer Heimsuchung aus der Vergangenheit und damit einem weiteren Brückenschlag zu Simon Borners deutlich interessanterer und vielschichtigerer Handlung.

 Weiterhin leidet der Gegenwartsspannungsbogen unter der Tatsache, dass Coco Zamis ja böse und eine andere Persönlichkeit ist. Nicht aufgrund einer natürlichen Veränderung, sondern durch die Manipulation der Neiddämonin. Natürlich liest es sich nett, wenn Coco Zamis ein wenig anders mit ihren Gegnern umgeht, aber fairerweise war sie auch in der Vergangengeit als normale Coco Zamis mit ihren echten Gegner nicht unbedingt zimperlich. Der Graubereich waren die Kreaturen, die zu ihren Taten von anderen Dämonen gezwungen worden ist. Da dieses Thema momentan gänzlich ausgeblendet wird, springt der Funke handlungstechnisch auch zu wenig über und Logan Dees Abschnitt wirkt wie eine Sightseeingtour ins Nichts, an deren Ende der Leser momentan Coco Zamis Rückkehr zur Normalität vielleicht auch an der Seite einen kurzzeitigen neuen Freundes stehen könnte.

 Simon Borner hat es in seinem Handlungsabschnitt deutlich leichter. Im Paris des Jahres 1888 steht die Weltausstellung vor den Toren. Die schwarze Familie will dieses monumentale Ereignis nutzen, um einem Ratschlag Skarabäus Toth zu folgen. Während Toth ja in der Gegenwart verschwunden kann, kann Simon Borner in der Vergangenheit einer jugendlichere und wieder deutlich dynamisch erscheinende Version des Schiedsrichters einführen. Es soll eine Art Wettbewerb stattfinden. Sie sollen wie die Menschen allerdings mit ihren dunklen Kräften gruselige Exponate erschaffen. Für den Sieger hat Asmodis eine besondere Belohnung vorgesehen.

 Aus der ganzen Welt reisen Dämonen an. Darunter auch der junge Michael Zamis, der aus Russland kommend auf seinen damals noch ungeborenen Sohn, die momentan als Puppe leidende Junta und den Zwerg Ficzko trifft.

 Mit Michael Zamis Vergangenheit bis in das Dritte Reich haben sich die Autoren schon einmal auseinandergesetzt. Simon Borner geht einen Schritt zurück. Bislang ist diese Idee noch nicht angesprochen worden, was es dem Autoren aber nicht einfacher macht. Der Chronologie folgend muss diese Episode ja irgendwie wieder aus Michael Zamis Gedächtnis getilgt werden, sonst würde der bisherige Rückblick ein wenig oberflächlich erscheinen. Die ganze Zeitreise später ad Absurdum zu führen, wäre den Lesern gegenüber nicht gerecht. Es bleibt abzuwarten, wie Logan Dee und Simon Borner den im Grunde in dieser Form auch unnötigen gordischen Knoten durchschlagen wollen.

 Das die Vergangenheit auch ohne Michael Zamis über ausreichend Potential verfügt, zeigt die Einführung einer besonderen „Supernatural“ Polizeieinheit, deren Wurzeln aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart und damit auch dem Brand von Notre Damme reichen. Auch die Verbindung mit tragischen Ereignissen der Gegenwart ist nicht selten ein heikles Thema, das emotional überzeugend und gleichzeitig auch behutsam angegangen werden muss. Da bei dem Brand keine Menschen ums Leben gekommen sind, hat Simon Borner ein wenig mehr Spielraum.

 Aber auch bei der Polizeieinheit stellt sich die Frage, wie man rückblickend diese Neuerungen behandelt. Sie ist interessant und hat in der Vergangenheit auch seine Daseinsberechtigung, aber rückwirkend in bestehende Universen andere Aspekte einzuführen, kann den Kosmos auch zerflettert und weniger nachhaltig konstruiert erscheinen lassen.

 Weiterhin positiv ist, dass Simon Borner beim Abschluss der Zeitreise nicht auf Bauerntricks zurückgreift, sondern den Spannungsbogen sinnvoll und konsequent zu Ende bringt. Viele der alleine auf dieser Handlungsebene angesprochenen besonderen Ideen und Elemente könnten in der Theorie in den nächsten Romanen fortgeführt werden, aber der Autor hat schon ordentlich an den Fundamenten der ganzen Serie inklusiv Dorian Hunter gerüttelt.

 Wie die letzten Romane besteht auch „Bluternte“ aus einem überzeugen, wenn auch ein wenig konstruierten Teil, aber auch einer Gegenwartshandlung, in welcher Logan Dee zumindest versucht, Stimmung zu erzeugen, wenn er auch nicht die Dynamik Simon Borners in seinen Spannungsbogen integrieren kann. Die Diskrepanz zwischen den beiden Handlungsteilen ist schon seit einer Vielzahl von Romanen spürbar, so dass sich die Frage stellt, ob es nicht mal sinnvoller wäre, entweder wieder einen Autoren einen ganzen Roman schreiben zu lassen oder die beiden Handlungsbögen sinnvoller miteinander zu verbinden und die Abschnitte nicht so sehr als isoliert zu betrachtende, mit heißer Nadel zusammengefügte Teile zu sehen.

Cover Das Haus Zamis 60

Zaubermond Verlag

Taschenbuch, 202 Seiten

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