Der Tag, an dem die Götter starben

Walter Ernsting / Clark Darlton

1979 veröffentlichte der Marion von Schröder Verlag Walter Ernstings pseudofiktiven Roman „Der Tag, an dem die Götter starben“, den Walter Ernsting nicht zuletzt durch sein im Roman auftretendes Alter Ego als einen Tatsachbericht in der Verkleidung einer utopischen Geschichte bezeichnet hat. Fakten, Spekulationen und Science Fiction Elementen, welche der aufmerksame Leser nicht nur aus der Perry Rhodan Serie kennt.  Interessant ist, das Walter Ernsting in der ersten Hälfte seines kurzweilig zu lesenden Romans von der Mitarbeit an einer Science Fiction Serie spricht, erst kurz vor seiner zweiten Reise nach Norwegen wird der Name Perry Rhodan erwähnt.

Wer sich intensiver mit Walter Ernstings Werk auskennt, wird feststellen, dass weder das grundlegende wechselseitig durch die Gespräche mit Erich von Däniken oder / und Peter Krassa beeinflusste Grundthema einer Landung von Außerirdischen auf der Erde neu ist noch die Idee, Bücher abseits des Pabel/ Moewig Verlages unter dem eigenen Namen zu  veröffentlichen. Dabei laviert sich Walter Ernsting sehr geschickt wie ein routinierter Slalomrennskifahrer durch die Klippen der eigenen Geschichte und des fiktiven, spekulativen und natürlich nicht beweisbaren Hintergrundes der Götter, die möglicherweise mal Astronauten gewesen sind.

Walter Ernsting hat einige der hier angesprochenen Themen weniger Jahre vorher in der „Rätsel“ Trilogie des Heyne Verlages angerissen. Sie stellen also keine neuen Ideen da. Auch in der Perry Rhodan Serie ist die Idee des fast unfreiwilligen Wächters genauso abgehandelt worden wie die Existenz einer früheren Hochzivilisation auf der Erde, die Lemurer. Das Thema lässt die Redaktion in Rastatt über Jahrzehnte nicht los. Die Vernichtung dieser ersten Menschen im Rahmen eines Kriegs, in Walter Ernstings Buch als Bestrafung für ihre Flucht ist mehrfach angesprochen worden. Der erfahrene Perry Rhodan Autor baut sie nur teilweise augenzwinkernd in eine autobiographische Handlung ein und greift auf „reale“ Berichte unter anderem seines Freundes Erich von Däniken zurück.

Wie wahrheitsgetreu diese Berichte sind, muss jeder selbst beurteilen. In einem Interview aus dem Jahre 2011 mit Dan Davis stellt Erich von Däniken sich selbst aber ein derartig schlechtes Zeugnis aus, dass auch die im Buch abgedruckten angeblich von ihm als Erich von X- geschriebenen Berichte als fiktive Spekulation angesehen werden muss. Walter Ernsting verfasste seinen Roman 1976, im Nachwort der Erstausgabe ist dieses Jahr angegeben. Das Buch erschien 1979. Erich von Däniken spricht davon, dass der Titel „Der Tag, an dem die Götter starben“ eine Anspielung auf sein Werk „Der Tag, an dem die Götter kamen“ ist. Dabei ist seine Arbeit erst fünf Jahre später veröffentlicht worden.  Anders herum wird wahrscheinlich eher ein Schuh draus. Erich von Däniken begleiteten Zeit seiner kommerziell sehr ausgenutzten Karriere Plagiatsvorwürfe und hier stellt sich die Frage, ob Erick von Däniken nicht den Titel verfremdet und den roten Faden übernommen hat.

Im gleichen Interview spricht Erich von Däniken davon, dass er im Grunde das Buch gemeinsam mit Walter Ernsting geschrieben hat.  Angeblich jeweils ein Kapitel. So soll die Geschichte mit der Zeitreise von Walter Ernsting stammen, die Geschichte mit dem lokalen Orten alle von Erich von Däniken.

Auch hier widerspricht Walter Ernstings realer Text Erich von Dänikens Behauptungen. In den sechziger Jahren veröffentlichte der Schweizer wie besprochen erste Texte und schließlich auch sein Buch „Erinnerungen an die Zukunft“, obwohl er nicht das Geld hatte, nach Lateinamerika zu reisen. Aber ab Ende 1968 saß Erich von Däniken bis 1973 wegen Betrug und Urkundenfälschung im Gefängnis. Erich von Däniken müsste dann in den folgenden Jahren die Hintergründe zu dem Roman geliefert haben, obwohl laut diesem Buch Ernsting die Reise unternommen hat. Letzteres erscheint auch glaubwürdiger, weil Walter Ernsting seine Reise in die Südsee auch in dem Perry Rhodan Planetenroman „Die andere Welt“ verarbeitet hat.    

Hinzu kommt, dass er nicht gleich einen durchschlagenden Erfolg als Selfmade Schriftsteller gehabt hat. Zwanzig Verlage haben Erich von Dänikens Buch abgelehnt, bevor es nach der Überarbeitung von Wilhelm Roggersdorf schließlich im Econ Verlag aufgelegt worden und sich zu einem Bestseller entwickelt hat. Walter Ernsting beschönigt die Anfänge von Erich von Dänikens Buchkarriere.

Zu Walter Ernstings Lebzeiten hat sich Erich von Däniken nicht in dieser Richtung geäußert. Auf der anderen Seite hat Walter Ernsting sich mit seinem Buch auf eine eher literarische Art und Weise nicht nur an Erich von Dänikens kommerziellen Erfolgen seiner fiktiven Tatsachenberichte angelehnt, mit  dem zur Ullstein Gruppe gehörenden Marion von Schröder Verlag publizierte der Perry Rhodan Autoren im Schwesterverlag zum Däniken Haus Econ.

Das Buch zerfällt im einzelne Teile. Betrachtet der Leser die phantastische Handlung zuerst, gibt es die Zeitreise – sowohl Walter Ernsting als auch Erich von Däniken reisen in die Vergangenheit – und die doppelte Begegnung mit einem Stützpunkt der Fremden. Sowohl im Zweiten Weltkrieg im Norden stationiert wie auch fast dreißig Jahre später bei einer zweiten Reise zu dem golden schimmernden Berg trifft der Erzähler auf die Fremden. Beim zweiten Mal zeigen sie ihm den Weg der Menschheit zu den Sternen auf, wobei sie die Gefahr eines zukünftigen Atomkrieges mehrfach betonen. Die Menschheit muss ihre Schwächen wie Rassendiskriminierung und Gewaltbereitschaft überwinden, um den Weg zu den Sternen zu finden. Perry Rhodan hat es mit Hilfe der Arkoniden in der Heftromanserie geschafft.

Die totale Überwachung der Welt wird effektiv wie beeindruckend beschrieben. Inzwischen sind es zwanzigtausend Bildschirme, welche alle Teile des Planeten bis in die Gefängniszelle Erich von Dänikens überwachen können. Andere Außerirdische löschen das Gedächtnis der Menschen, die auf sie aufmerksam geworden sind. Auch in Rainer Erlers „Die Delegation“ ist das auch durch das Verschwinden des Journalisten der Fall gewesen. Bei „Der Tag, an dem die Götter starben“ werden die Besucher animiert, ihre Berichte aufzuschreiben. Niemand wird ihnen Glauben schenken. Ein Argument, das Erich von Däniken antreibt, eine besondere Form der hinterfragenden Literatur zu wählen und Walter Ernsting als motiviert, einen semirealistischen oder semiphantastischen Roman zu verfassen.

Die Zeitreise wird dabei ambivalenter behandelt. Natürlich verschwindet die Zeitmaschine zwischen den Reisen und der Veröffentlichung von Walter Ernstings Buch. Reisen über das Jahr 1972 hinaus sind nicht möglich. Die Zeitmaschine hat auch nichts mit den Außerirdischen zu tun,  sie soll ein Geschenk aus der Zukunft sein. Das sie aber ausgerechnet nur in die Zeit der ersten Kolonisierung durch die Gestrandeten führt, erklärt Walter Ernsting nicht weiter. Sie kann auch nur wie eine Art Schienenexpress benutzt werden. Aus der Gegenwart gute dreiundzwanzigtausend Jahre in die Vergangenheit und zurück. Der Schlüssel ist eine Sphinxfigur, die Erich von Däniken von einem französischen Professor in den fünfziger Jahren in Kairo erhalten hat.

Die Zeitmaschine ist in einem Höhlenlabyrinth versteckt worden, dessen Wände die Bearbeitung von einem Laser implizieren.  In der Vergangenheit trifft Walter Ernsting auf einen Professor, von dem Erich von Däniken die Sphinx in Kairo erhalten hat. Interessant ist, dass die Fremden von Altair Flüchtlinge vor einer ambivalent beschriebenen intergalaktischen Union sind und das ihnen für ihre Flucht eine drakonische Strafe droht. Deswegen ist es für diese potentiellen Vorfahren der Inkas wichtig, ihre Anlagen in der Vergangenheit zu tarnen und sich auch nach Jahrtausenden unter den Menschen zu verstecken. Walter Ernsting liefert damit bewusst einen anderen Ansatz als Erich von Däniken, dessen angeblich gigantische Landebahnen im lateinamerikanischen Hochland ja auf die Flüchtlinge aufmerksam machen würden. So gut sind sie aus dem All zu sehen. 

Aber Walter Ernsting wäre nicht ein so unterhaltsamer Autor, wenn er genauso wie beim  Tunguska Ereignis nicht eine phantastische Interpretation in den letzten Kapiteln hinzufügen könnte.  Sie werden in erster Linie Leser begeistern, die nicht so Science Fiction affin sind. Für den Rest des Publikums handelt es sich eher um eine Aneinanderreihung von bekannten Ideen und Ansätzen.

Auf der persönlichen Ebene reagiert Walter Ernstings Alter Ego zwar mit Erstaunen sowohl auf die Zeitmaschine, mit welcher er ja als zweiter Mensch ins Unbekannte reist, wie auch die abschließende Begegnung mit den Fremden. Zu der Zeitmaschine verweist der Autor zwar auf seine zahlreichen utopischen Romane zu diesem Thema, er begnügt sich aber mit sehr simplen Erklärungen.  Im Gegensatz zu vielen exotischen Rassen und fremden Kulturen bleiben die Informationen in diesem Buch erstaunlich, absichtlich vage. Damit will Walter Ernsting die Ernsthaftigkeit des Textes unterstreichen, rückt aber auch in der Nähe der Prä- Astronautik, die in den Vertretern Krassas und von Däniken die Öffentlichkeit ja warnen, vorbereiten oder nach dem Tenor der allgemeinen Presse auch nur manipulieren wollen.

Das Buch hat aber auch eine deutlich stärkere persönliche Ebene.  So hat Walter Ernstings an Erich von Dänikens Geburtstag ein besonderes Gefühl. Der 14. April wird noch zweimal im Text erwähnt als besonderen Meilenstein im Leben der späteren Freunde und Glaubensbrüder. Diese potentielle Verbindung hat ihn auch beim Schreiben seines Erstlings beeinflusst, wobei Walter Ernsting nicht auf die Legende eingeht, als erster deutscher Autor im Rahmen der „Utopia Großbände“ publiziert worden zu sein.  C.V. Rock alias Henry Walter gehört die Ehre. Auch von der getarnten Übersetzung findet sich kein Wort.

 Auf die Kriegszeit mit der langen Gefangenschaft geht Walter Ernsting auch zweimal ein. Im gerafften Rückblick zu Beginn tituliert er die Zeit unter den Nazis und in der Gefangenschaft als verlorene Jahre, im zweiten Teil des Buches beschreibt er zumindest einen kleinen Teil seiner Dienstzeit als Chauffeur im hohen Norden als erträglich, sogar im Gegensatz zu den kämpfenden Truppen akzeptabel.

Die Begegnung mit Erich von Däniken durch einen Zufall auf einer Reise durch die Schweiz ist theoretisch der Wendepunkt seines Daseins als reiner phantastischer Schriftsteller zu einem Wissenden. Walter Ernsting geht immer wieder anscheinend ein wenig verklärend auf von Dänikens Schulden in Bezug auf das Pachten eines Hotels in den Schweizer Bergen ein. Auch später auf die Verhaftung – anscheinend von den Außerirdischen initiiert, um ihre Geheimnisse zu wahren – und Verurteilung. Aus heutiger Sicht ist es schwierig, sich ein abschließendes Bild auch über die Neutralität des Gerichts zu machen, aber teilweise erscheint freundschaftlich verklärend.

Erich von Däniken behauptet ja, den Roman gemeinsam mit Walter Ernsting geschrieben zu haben. Walter Ernsting stellt die These auf, nach Lateinamerika und schließlich auch in die Vergangenheit gereist zu sein, weil Erich von Däniken nicht das entsprechende Geld hatte und er quasi den Botendienst übernommen und dem Schweizer Fakten für seine sekundärliterarische Arbeit geliefert zu haben. Beide Autoren ignorieren aber auf eine interessante Art und Weise, dass Erich von Däniken in seinen 1968 und 1969 veröffentlichten Büchern „Erinnerungen an die Zukunft“ und „Zurück zu den Sternen“ einige Thesen wie riesengroße Humanoiden, nachgewiesen durch Fossilienfunde in Lateinamerika und Legenden entworfen hat, die Walter Ernsting während seiner Grundlagenreise an keiner Stelle entdecken konnte.    

Walter Ernsting wechselt absichtlich die Perspektiven. So finden sich ein langer Bericht des französischen Professors Holmes, dessen Charakter anscheinend an Robert Charroux angelehnt worden ist, und schließlich auch Erich von Dänikens – von den Fremden direkt aus dessen Zelle telekopiert ! – im Buch wieder. Sie geben kompakt wichtige wie phantastische Elemente wieder, von denen sich Walter Ernsting auf eine interessante Art und Weise literarisch distanzieren, sie aber trotzdem nutzen konnte.

Die Mischung aus authentischen autobiographischen Szenen und den Berichten aus der zukünftigen Vergangenheit, Walter Ernstings erzähltechnischen Tempo und seiner entwaffenden seiner Persönlichkeit entsprechenden Offenheit machen den Roman zu einer verführerischen Lektüre, die Ideen aus den Jugendbüchern einem erwachsenen Publikum in wohldosierten Dosen 

  • Taschenbuch: 190 Seiten
  • Verlag: Pabel-Moewig (Oktober 1989)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3811823159
  • ISBN-13: 978-3811823150