Die Winde der Zarr

Richard L. Tierney

Mit „Die Winde der Zarr“ erscheint im Apex Verlag als durchgesehene Neuausgabe ein wirklich seltener und seltsamer Roman. Ob er in die Reihe der Fantasy- Klassiker passt, muss sich der Leser selbst beantworten.

Der Roman erschien in Deutschland zum ersten und einzigen mal im ebenfalls einzigen „Comet“ Sonderband unter dem Titel „Die Winde von Zarr“. Der neue Titel ist deutlich passender. In diesem Sonderband sollten in der Theorie zwei Science Fiction Spitzenromane und eine Kurzgeschichte erscheinen. In Wirklichkeit veröffentlichten die Herausgeber nur einen Roman, eine interessante Novelle und schließlich eine Kurzgeschichte, die Ronald M. Hahn und Hans Joachim Alpers unter ihrem Pseudonym Mischa Morrison schrieben.

Der 1936 geborene Richard l. Tierney ist ein Verehrer H.P. Lovecrafts. Seine Cthulhu Homage „Im Haus der Kröte“ ist vor einigen Jahren im Festa Verlag erschienen. Zusammen mit David C. Smith verfasste er eine Serie von „Red Sonja“ Büchern und setzt andere Arbeiten Robert E. Howards fort.

„Die Winde der Zarr“ stellte Tierneys erste längere Romanarbeit da. Der Stoff entstand schon 1959 im Alter von 23 Jahren. Veröffentlicht ist die Geschichte erst 1975 worden. Für sein literarisches Debüt mischt der Autor neben der Idee der „Götter aus dem Weltall“ Aspekte von Robert E. Howard, mit den Anspielungen auf die Großen Alte H.P. Lovecraft, interpretierte biblische Themen neu und platzierte die Handlung in die Epoche des neuen Königreiches im alten Ägypten.

Ambitioniert, vielleicht sogar ein wenig überambitioniert versucht der Amerikaner viele Ideen in seine kompakte Geschichte zu integrieren. Grundlegend handelt es sich um eine Episode aus dem Alten Testament, der Auszug der Juden aus Ägypten ins Heilige Land. Der Leser findet einige der Plagen; dazu Feuer vom Himmel und schließlich auch der Trip durch das rote Meer, das sich vor den Flüchtigen öffnet.

Die Namen der biblischen Protagonisten sind auch in der guten deutschen Übersetzung durch Uwe Anton ein wenig verfremdet, aber klar zu erkennen. Vielleicht wollte Richard L. Tierney implizieren, dass die Geschichte in einem Paralleluniversum spielt.

Der Autor beschreibt die historischen Grausamkeiten der Ägypter gegenüber den unterdrückten Völkern detailliert, ohne expliziert zu werden. Die Peitsche wird oft gegen Frauen und Männer geschwungen. Hübsche Frauen werden aussortiert und direkt oder mittels Drogen zum Sex gezwungen.

Einige Szenen erinnern aber in ihrer „übernatürlichen“ Anlage auch eher an Cecil B DeMille`s Version der zehn Gebote als die tatsächlichen Beschreibungen der Bibel. Die Dialoge wirken auch in der deutschen Übersetzung teilweise theatralisch überspitzt und einige der Beschreibungen vor allem hinsichtlich des Auftretens der einzelnen Protagonisten in unterschiedlichen Szenen dieses Dramas balancieren auf dem schmalen Grat zwischen Kitsch und Pathetik hin und her.

In die bekannte Geschichte hat Richard L. Tierney aber verschiedene Elemente aus anderen in diesem Fall fiktiven Werken eingebaut. Die Bezüge zu Robert E. Howard besteht aus einer schönen Sklavin und ehemaligen Priesterin, die anscheinend mit ihrem Stamm seit den Tagen von Atlantis überlebt hat und von den Ägyptern geraubt worden ist. Am Ende des Buches schlägt Tierney noch einen direkten Bogen zu Robert E. Howards Universum, ohne allerdings Conan expliziert zu nennen.

In Bezug auf H.P. Lovecraft spricht der Autor immer wieder von den Großen Alten, wobei er nicht nur eine weitere Gottheit dem Cthulhu Mythos hinzufügt, sondern die Idee weiterspinnt, dass diese Götter aus dem All stammen und nicht auf der Erde entstanden sind. Andreas Suchanek hat in seinen „Heliosphere 2265“ Romanen ebenfalls auf namenlose Götter von jenseits einer Barriere zurückgegriffen, die ein wenig, aber nicht viel an H.P. Lovecrafts Mythos erinnern.

Science Fiction Elemente sammeln sich um den Protagonisten Taggart. Der Leser lernt ihn zum ersten Mal kennen, als ein ägyptischer Priester ihm seine Zauberwerkzeuge abnimmt und in die Steinbrüche zu den anderen Sklaven schickt, die dem Pharao eine neue riesige Stadt erbauen sollen. Die Beschreibungen der Werk wie eine Sofortbildkamera lassen erahnen, dass Taggart nicht aus dieser Epoche stammt. Er ist bei einer Expedition in einem Tempel gefangen genommen worden. Er hatte seine Waffen nicht dabei. Taggart könnte auf der einen Seite ein Zeitreisender sein, der aus einer dunklen Zukunft zurück geschickt worden ist. Richard L. Tierney bleibt aber derartig vage, dass auch ein Durchbruch aus einem Paralleluniversum möglich ist, in dem die Menschheit von der Zarr bis auf eine Handvoll Rekrutierter inklusiv Taggart vernichtet worden ist. Die Zarr stammen aus einem anderen Universum und kämpfen gegen eine weitere technisch wie anscheinend auch intellektuell ihnen überlegene Rasse.

Taggart leidet auf der einen Seite unter Schuldgefühlen, dass er die Vernichtung der Menschheit überlebt hat, auf der anderen Seite ist er aber auch ein opportunistischer Diener der Zarr, der ihre Technik abschließend zum absolut Guten einsetzt. Argumente, das das Gute nicht ohne einen Hauch Böses existieren kann, lässt Taggart nicht gelten. In dieser Hinsicht wirkt er ein wenig naiv und seine Monologe pathetisch. Auch die realistische Belehrung von Menschen an seiner Seite lässt er nicht gelten.

Dabei ist er entschlossen, den Hilflosen absolut zur Seite zu stehen und die Bösen rücksichtslos  zu töten, wenn  sie nicht auf ihn hören. Er ist von einem offensichtlich verrückten Propheten beeindruckt, der dem Pharao die Stirn bietet und ihn auffordert, sein Volk gehen zu lassen.

Eigentlich dürfte der ganze Roman nicht funktionieren. Viele Ideen werden opportunistisch miteinander verbunden, die eigentlich konträr gegenüber stehen. Mit einer absoluten Überzeugung werden Götter beschrieben, ohne ins Detail zu gehen. Der Leser muss diese absolutistische Meinung einfach akzeptieren.  Auf der anderen Seite schreibt Richard L. Tierney mit einer derartigen Entschlossenheit und inneren Überzeugung, dass man seinem von einem hohen, sich fast überschlagenen Tempo geprägten Garn einfach folgen muss.

Interessant ist, wie er die biblischen Szenen in die Handlung einbaut. Für diese Wunder gibt es technische Erklärungen, wobei der Autor geschickt vor allem auf die Perspektive der Einheimischen zurückgreift und Taggart nur bedingt Saschen erklären lässt. Mit dieser opportunistischen Vorgehensweise folgt der Autor der Tradition Lovecraft und spinnt trotzdem seine eigene Geschichte.

Die Protagonisten sind solide gezeichnet worden, wobei Taggart eine moralisierender Mann außerhalb nicht nur seiner Zeit, sondern im Grunde eines ganzen Universums ist. Mehr und mehr wird er zu einer Art fliegenden Holländer mit einer unmöglichen Mission. Das macht diesen charismatischen, aber auch schwer zugänglichen Mann dreidimensionaler und vor allem auch interessanter als er es eigentlich sein dürfte.

Neben der Verbindung verschiedener Themen lebt der kurzweilig zu lesende, an bizarren Ideen wirklich überquellende Roman von seinem Hang zu einer stilistischen Übertreibung. Es ist nachvollziehbar, dass niemand dieses Buch mehr als ein Dutzend Jahre lang veröffentlichen wollte. Und selbst dann erschien es nur in einem Kleinverlag mit einer begrenzten Auflage. Für die deutsche Erstveröffentlichung in einem für den Zeitschriftenmarkt gedachten Magazin kann man auch heute noch den Hut vor den Herausgebern ziehen. Die leichter zugängliche Neuauflage ist überfällig und ermöglicht es einer gänzlich neuen Lesergeneration, eine perfektionierte Mischung aus Science Fiction und dem Alten Testament zu lesen. Was kann man von einer herausfordernden Lektüre eigentlich mehr verlangen?

               

 

DIE WINDE DER ZARR

  • Format: Kindle Ausgabe
  • Dateigröße: 2486 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 367 Seiten
  • Verlag: Apex Verlag (11. Juni 2018)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B07CHC9P1K