Im Vorwort geht Neil Clarke nicht nur auf die Covid 19 Isolation ein, sondern auch auf die Sorgen eines Verlegers, wenn im Hause die Klimaanlage den Geist aufgibt und eine horrende Rechnung auf einen wartet.
Wieder präsentiert der Herausgeber zwei Kurzgeschichten und eine Novelle. Unglücklich ist es, dass eine der Kurzgeschichten und die Novelle aus der gleichen Ausgabe von „Isaac Asimov´s Science Fiction Magazine“ und das sogar noch aus dem Jahr 2017 stammen, der abschließende Nachdruck ist mit dem Jahr 2019 noch jüngeren Datums.
Aus „New Suns“ stammt „The Shadow We Cast Through Time“ von Indrapramit Das. Eine Sprungportal bricht zusammen und isoliert eine junge Kolonie menschlicher Siedler. Der dunkle Wald lockt die Menschen an und verändert sie. Der Autorin impliziert, dass sie zu Dämonen werden.
Dabei bleibt die Autorin ausgesprochen vage und viele der Vorgänge kommen dem Leser aus anderen, besser entwickelten und vor allem auch hintergrundtechnisch vielschichtigeren Geschichten bekannt vor. Vor allem bewegt sich Indrapramit Das immer wieder zwischen klassischer Science Fiction mit einigen existentiellen Anspielungen und Fantasy/ Horror hin und her. Grundsätzlich keine schlechte Ausrichtung, da sie nicht bei allen Aspekten ihrer Story auf eine vordergründige Erklärung angewiesen ist. Auf der anderen Seite zieht sich diese Unentschlossenheit bis zum eher soliden Ende wie ein brüchiger roter Faden durch den Text.
Positiv ist die Beschreibung des sozialen Gefüges der Kolonie. Um langfristig überleben zu können, muss die Bevölkerung vergrößert werden. Da immer wieder Menschen im Wald verschwinden ist der Druck vor allem auf die Frauen noch größer als erwartet. Der Wald stellt eine ambivalent beschriebene Versuchung dar, welche die Siedler von im Grunde klein auf wie magisch anzieht.
Die zweite Kurzgeschichte „An Evening with Severyn Grimes“ stammt aus der Feder Rich Larsons. Die Hackerin Girasol wird von Terroristen aus ihrem Gefängnis befreit. Sie will sich aus dem Cyberspace an einem Geschäftsmann rächen, der sie aus ihrer Sicht unberechtigt ins Gefängnis gebracht hat.
Das große Problem an dieser Art von Rachegeschichten ist, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt. Entweder wird eine Tat konsequent bis zum bitteren Ende für Jäger oder Gejagten durchgezogen oder die Geschichte wird unrealistisch. Für den ganzen Aufwand ist der abschließende Ertrag vernachlässigbar.
Interessant ist das Ort, an dem sich ihr Opfer Grimes versteckt. Auf der einen Seite versucht Rich Larson einen am Leben ermüdeten, aber nicht unbedingt lebensmüden Mann zu zeichnen, der kurze Zeit vorher das ultimative, perfekte wie auch perverse Versteck gefunden hat. Diese Position wird solide ausgebaut und unterstreicht Girasols Motivation, einen solchen Mann zu töten.
Am Ende soll eine Art Quid Pro Quo die Lösung darstellen. Dank der gut gezeichneten Protagonisten ist diese Situation überzeugend, allerdings wird auch der gute Wille der Leser arg strapaziert. Zusammengefasst ist die Kurzgeschichte im guten wie im bösen Sinne eine Art Achterbahnfahrt, an deren Ende mindestens solide, wenn auch teilweise unglaubwürdige Unterhaltung steht.
„How Sere Picked Up Her Laundy“ von Alexander Jablokov ist eine Novelle, die sich am klassischen Privatdetektivgarn orientiert, dann aber neben dem exotischen Hintergrund versucht, verschiedene andere Themen zu streifen.
Die Detektivin Sere lebt eher schlecht als recht in einer Stadt voller außerirdischer Flüchtlinge. Sie soll eine Verbindung zwischen dem angeblichen Selbstmord eines Exterminators und den Fremden herstellen.
Der Plot ist von der Grundlage her so vielschichtig und versucht auf so vielen verschiedenen Hochzeiten zu tanzen, dass eine Romanform angemessener gewesen wäre. Auch wenn einer der Protagonisten dankenswerterweise für die Leser die wichtigen Ereignisse auf halbem Weg noch einmal zusammenfasst, wirkt der Spannungsbogen extrem gedrängt. Natürlich kann das auch positiv interpretiert werden, da viele Romane oder Novellen nicht einmal eine grundlegende Idee zu Ende führen.
Die zweite grundlegende Schwäche ist die charakterliche Entwicklung der Figuren. Da Alexander Jablokov nur die rudimentären Hintergründe beschreibt, springt der Funke vor allem gegen Ende der Geschichte nicht über und zu viele Fragen bleiben offen. Damit wird ein erhebliches Potential verschenkt.
Dagegen steht wie angesprochen ein Handlungsfaden, der stringent und komplex zu gleich ist. Sere muss eruieren, was dem potentiellen Selbstmörder wirklich passiert ist und welche Gruppe die geheimnisvollen Tunnel unter und nahe der Siedlung der fremden Wesen nutzt. Keine unbedingt neue Idee, deren Wurzeln vor allem neben „AlienNation“ auch in einer britischen Miniserie zu finden ist, in welcher die Außerirdischen tatsächlich isoliert in ihren Vierteln leben mussten und Tunnel dazu dienten, das sie aus ihrer Umgebung auch mal ausbrechen durften.
Im gleichen Schritt wächst Seres Selbstbewusstsein und sie arbeitet sich über diesen Fall aus einer emotionalen Lebenskrise heraus. Sie gewinnt neue Bekannte, von Freunden kann noch nicht die Rede sein und kann abschließend den Fall überzeugend lösen. Dadurch öffnen sich für sie Türen zu neuen Klienten.
Interessant ist, dass im Verlaufe der Handlung einzelne Prämissen buchstäblich auf den Kopf gestellt werden. Die Frage nach den Menschen und den Außerirdischen wird plötzlich aus einer gänzlich anderen Perspektive beleuchtet. Die einzelnen „Fundstücke“ sind wichtig, aber weder Sere noch der das Geschehen ausschließlich auf Augenhöhe verfolgende Leser kann die Ereignisse lange Zeit bis zum wirklich befriedigenden Finale einschätzen.
Mit der richtigen Mischung aus Actionszenen und Hintergrundinformationen treibt der Autor sehr lange Zeit den Handlungsbogen voran, ohne wichtige Informationen oder Hinweise fallen zu lassen. Dadurch wirkt die Geschichte extrem komplex. Wie angedeutet wäre wahrscheinlich eine Romanlänge für den Plot angemessener und gebe dem Autoren mehr Möglichkeiten, viele der Nebenfiguren besser zu charakterisieren.
So konzentriert sich das Geschehen auf Sere und schließlich auch auf Mirquel, die mit ihren eigenen Problemen kämpfen muss und dadurch ambivalent auf die Nachforschungen reagieren muss. Interessant ist, dass der Autor nicht vergisst, beide Schicksale abzuschließen.
Kurzweilig, aber auch intensiv herausfordernd geschrieben ist die Novelle einen frühen Nachdruck wert, auch wenn mehr Leser auf die Erstveröffentlichung in „Isaac Asimov´s Science Fiction Magazine“ als auf diesen Nachdruck reagierten.
„Forever“ Magazine 66 ist eine gute Ausgabe mit interessanten, im Auge von Covif 19 auch treffenden Themen wie Entfremdung oder die indirekte Suche nach der eigenen Identität.