Raumakademie Paluran

Harrison Shepard

„Raumakademie Paluran“ ist der erste Roman Harrison Shepards alias Harald Schäfer, der 1952 geboren nach dem Fachabitur in einem großen deutschen Elektro- Unternehmen gearbeitet hat. In den achtziger Jahren betreute er jahrelang die Storysparte von „Fantasia“ des Ersten Deutschen Fantasy Clubs.

„Raumakademie Paluran“ ist mit einem Science Fiction Rollenspiel als Hintergrund konzipiert worden. Seit 2009 hat Harald Schäfer an dem Buch gearbeitet.

Mit dem vorliegenden Epos ist die Geschichte wahrscheinlich nicht abgeschlossen. Alleine in den einzelnen einleitenden Präambeln gibt der Autor so viele weitere Informationen über sein Universum preis, die er noch zu wenig effektiv einsetzt.

Die Zukunft entwickelt er mit einem archaischen Hintergrund, wie es nach ihm zum Beispiel die mit dem HUGO Award ausgezeichnete Arkady Martine mit „Im Herzen des Imperiums“ getan hat und vor ihm ohne auf eine unwirtliche Welt zurückzugreifen Frank Herbert versucht hat. Während in Herberts Serie das Spice vom Planeten Arakis die wertvollste Substanz des bekannten Universums ist,  impliziert der Autor mit einem zu mystischen Hintergrund, dass es eine wertvolle Substanz gibt, welche das Leben um ca dreißig Prozent verlängert. Die herrschende Adelsklasse angeführt von einem Imperator hat bislang immer auf die Substanz zurückgreifen können, wobei anscheinend kalter Entzug bei dreißig Prozent der Menschen wahnsinnig werden lässt. Aber die Tränen gehen zur Neige und der Imperator möchte sie nicht mehr so großzügig unter den Adligen verteilen.

Diese Thema greift der Autor im Grunde im Verlaufe des Buches viel zu spärlich auf. Daher wirkt es als Exposition ein wenig verwirrend.

Die zweite Idee ist, dass die seine kleinen Enklaven beherrschende Adel nicht mehr in der Lage ist, das Imperium generell als Führungsoffiziere der Raumflotte zu verteidigen und es notwendig ist, die Türen der Raumakademien dem gewöhnlichen Volk natürlich nach entsprechenden Prüfungen zu öffnen. Damit soll nicht nur frisches Blut mit Führungsqualitäten der Flotte zugeführt werden, sondern der ebenfalls nur impliziert angedeuteten Dekadenz im Reich entgegengetreten werden.

Grundsätzlich ist das keine neue Idee. Die Ausgangsbasis erinnert ein wenig an das Reich der Arkoniden ohne eine charismatischen progressiven Anführer wie Atlan. Aber auch hier bleibt der Autor erst mal man eher vagen Andeutungen.  Der literarische Blick konzentriert sich mit Einsetzen der Handlung und fokussiert sich relativ schnell im Grunde auf zwei miteinander verbundene Handlungsebenen an Bord der letzten und wie angedeutet offeneren Raumakademie sowie  einen weiteren  später einsetzenden Handlungsbogen um einen besonderen Attentäter.

Diese Vorgehensweise muss nicht unbedingt negativ sein. Es sind die fast typisch zu nennenden Anfängerfehler eines ambitionierten Autoren, der während der Entstehungsphase des umfangreichen Buches nicht wissen kann,  ob das Buch überhaupt veröffentlicht wird und ob es einen Markt für die Fortsetzungen geben kann. Da wird zu Lasten der Struktur zu viel auf trotz mehr als siebenhundert Seiten zu wenig Raum gepackt.

Es gibt aber in diesem Markt auch zu viele gegenteilige Beispiele, die zu wenig Substanz mit ausufernden Beschreibungen und nichts sagenden Dialogen zu füllen suchen. Diesen Fehler macht Harald Schäfer nicht, wobei einige seiner Fußnoten insbesondere zu Beginn des Buches effektiver im eigentlichen Text hätten erklärt werden können.

Hinsichtlich der adligen Strukturen und einzelnen Familien hat der Autor sowohl ein Glossar inklusiv eines Personenverzeichnisses an das Ende seines Buches gestellt wie auch in den angesprochenen Präambeln einige wichtige Hinweise dem Leser mit auf die Reise gegeben.

Interessant ist, das der Roman insbesondere zu Beginn sehr viel stringenter und handlungstechnischer sehr viel effektiver geplant und umgesetzt worden ist als im letzten Drittel. Das hat nichts mit fehlender Disziplin zu tun, sondern vielleicht der angedeuteten Angst, sich nicht weiter für den Leser in dem ohne Frage vielschichtigen und extrem detailliert entwickelten Universum bewegen zu können.

Ein guter Einstieg ist, die den Titel, aber nicht die ganze Handlung bestimmende „Raumakademie Paluran“ nicht nur durch einen neuen Kadetten vorstellen zu lassen, sondern einen Außenseiter. Alexandre Dumas hat das mit dem ersten Auftreten DÁrtagnans bei „Die drei Mustketiere“ ebenfalls getan. Da auch hier der neue Rekrut aus einer der nicht unumstrittenen Sternenhändlerfamilien gleich zu einem Duell aufgefordert wird, kaum dass er die Station betreten hat, scheint dieser Vergleich oder bessere diese Anspielung nicht weit hergeholt.        

   Tranthor ist einer dieser jungen Nichtadligen, die sich an der Raumakademie einschreiben. Sein Vater führt eine Gruppe von Sternenhändlerschiffen, die mit ihrem Äußeren auch ein wenig an eine Mischung aus Wikingern und den markanten Springern der Perry Rhodan Serie erinnern. Als Nichtadliger wird er eher abfällig betrachtet, eckt gleich an, gewinnt aber mit seiner resoluten Art und vor allem einer Entdeckung gleich am ersten Tag seiner Ankunft nicht nur die Aufmerksamkeit des Kommandanten der Station, sondern auch der jungen attraktiven Vynga, die eigentlich gar nichts von Nichtadligen wissen will. 

 Der Autor kehrt im Laufe des Plots immer wieder nicht nur zu dieser Liebesgeschichte zurück, sondern tranthors Ausbildung.   Das ist grundsätzlich kein neues Thema im Genre. Orson Scott Card mit seiner "ender" Serie oder die neuen "star Trek" Filme haben ihr expressive Pfosten eingeschlagen. Harald Schäfer versucht das alles ein wenig realistischer, aber hinsichtlich seiner intelligenten, bodenständigen, vielleicht ein wenig zu allgegenwärtigen Kanditaten auch zu fokussiert zu beschreiben. Zwar fehlen die wirklich verzweifelten Aufgaben, die den Offiziersanwärtern die Bedeutung von Verantwortung zeigen sollen, aber dieser Abschnitt ist solide geschrieben worden. 

 Antor ist der Leiter der Raumakademie. Er hat sich nach oben gearbeitet. Dabei ist seine Liebe zu Chyra auf der Strecke geblieben. Angeblich will sie nichts mehr von ihm wissen. Welch ein Zufall, dass ausgerechnet sie die Überprüfung der Akademie übernehmen soll. Während Tranthor vor allem gegen die Vorurteile seiner Herkunft kämpfen muss, nutzt Harald Schäfer diese zweite Liebesgeschichte in mehrfacher Hinsicht. Der Leser erfährt mehr über die adlige Kultur mit den Eheversprechen oder Eheverträgen, den Zweckgemeinschaften und schließlich dem unterschiedlichen Einfluss signifikanter Gruppen. Die Manipulation von Daten und Protokollen offenbart lange Zeit inklusiv eines unter einem Schutzschirm operierenden Attentäters eine deutlich größere Verschwörung, als es sie der Autor schließlich dem Plot auf diesem Spannungsbogen zutraut.

 Angesichts der Dynamik des Plots wirken die emotionalen Szenen ein wenig zu langwierig und zu aufgesetzt. Das Schmachten, das Aus-dem-Weg-gehen ermüdet schließlich ein bißchen. Weniger zu Gunsten einer umfangreicheren Charakterisierung wäre in diesem Fall mehr gewesen. 

 Nach einem diese beiden relevanten Spannungsbögen umfassenden Auftakt führt der Autor mit dem geheimnisvollen, eine Mutter und ihr Kind missbrauchenden Attentäter noch einen weiteren Spannungsbogen ein. Die Zusammenhänge lassen sich lange Zeit höchstens erahnen. war grenzt der Autor alle Handlungsebenen effektiv und gut voneinander ab, aber das Tempo wird im mittleren Abschnitt trotz oder vielleicht gerade wegen einer Reihe fast parallel laufender Actionszenen gedrosselt. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, den umfangreichen Roman in zwei getrennte Geschichten aufzuspalten und doch jeweils an den Handlungsorten zu orientieren.

 In Hinblick auf den in dieser Form präsentierten Plot beginnt Harald Schäfer relativ spät, aber nicht zu spät die einzelnen Ebenen meistens  allerdings nur indirekt miteinander zu verbinden. Unterstützt wird es durch die nicht ungeschickte Vorgehensweise Harald Schäfers,  bei Perspektivwechseln innerhalb eines Spannungsbogen gerne die berühmte „Minute“ fernsehtechnisch zurück zu pulen und das dem Leser inzwischen vertraute Szenario noch einmal aus dem anderen Blickwinkel zusammenzufassen. Damit wird der Leser positiv gesprochen angesichts des umfangreichen Plots und der zahlreichen, manchmal ein wenig abschließend fast gesichtslosen den Rahmen sprengenden Protagonisten wieder auf den neusten innerbetrieblichen Stand gebracht. Negativ gesprochen steigern diese Momentaufnahmen den Umfang des Buches nicht unbedingt notwendig um einen spürbaren Prozentanteil.

 Bei der eigentlichen Handlung mit ihrer Mischung aus Verschwörern, Attentätern, politischen Ränkespielen und einem lange Zeit nur bedingt nach dem Auftakt weiterentwickelten politischen Hintergrund  greift er allerdings auch zum Beispiel mit der Entführung natürlich einer wichtigen weiblichen Figur auf Klischees zurück.

 Eine Geschichte oder besser gesagt mindestens zwei Lebensabschnitte gehen zu Ende. Ein weiterer junger Mann steht davor, durchzustarten. Kritisch gesprochen schließt der Autor nur den ersten Teil einer deutlich umfangreicheren Story ab. Immer, wenn über den persönlichen Horizont während des Finales geschaut wird, bleibt das unbestimmte Gefühl, als wenn der Autor auch wieder abbremsen möchte. Was ist denn außerhalb der Isolation auf der Raumakademie im anscheinend zerfallenden Reich los? Welchen nachhaltigen Einfhaben die seltsamen Fremden, die aus dem Nichts heraus fünfzig heimlich gebaute  Raumschiffe bemannen können? Auf keine dieser Fragen geht der Autor ein und frustriert vor allem nach fast siebenhundert Seiten seine Leser.

Im Umkehrschluss schenkt er einem Menschen endlich Frieden, einem Mann seine lang vermisste Liebe und schließlich einem jungen Kadetten Respekt. Von einem offenen Ende kann also nicht gesprochen werden.

Nachteilig erscheint, dass Harald Schäfer an diese finalen Passagen viel zu überambitioniert herangeht und alles zu erschlagen sucht, aber nichts wirklich opfern möchte. Den Leser kurzzeitig auf eine falsche Fährte locken und mögliche Folgen egal in welche Richtung zu implizieren, ist einmal in Ordnung. Vielleicht noch ein zweites Mal, aber nicht wie hier ein halbes Dutzend mal. Warum nicht konsequent sein und eine Heldin oder einen Helden sei es nur als Randfigur sterben lassen? Warum ein mehrfaches Happy End? Warum eine falsch interpretierbare Anordnung hinterlassen,  deren Zweck ein neuer Start und nicht das Ende eines Traums ist? Alles für sich alleine könnte funktionieren, aber in dieser geballten Positionierung unterminiert der Autor das eigene Finale, nimmt einzelnen Sequenzen die Effektivität und zermürbt seine Leser förmlich. Viel weniger wäre hier viel mehr gewesen.

Dabei gehören die Szenen hinsichtlich ihrer Dramatik und vor allem auch ihrer Gestaltung zu den besten Abschnitten des Buches und zeigen auf, dass zumindest der Autor nicht müden ist, nicht unbedingt immer etwas Neues anzubieten, aber seinen Text furios zu beenden und damit auch seine Leser zufriedenzustellen. Aber dann kommt immer dieser berühmte Schlenker zu viel.

 Die Stärke des Buches liegt aber zusätzlich in dem nicht ausgeschöpften Potential, das sich auch in diesen Schlusskapiteln zeigt und mindestens einen ebenso starken Roman ohne Probleme füllen könnte. Nur sollte der Fokus in diesem Fall über die zwischenmenschliche Ebene hinaus breiter angelegt werden, damit man die Dimension seiner Schöpfung auch eher spüren kann.

 Stilistisch arbeitet sich Harald Schäfer in seinen Roman hinein. Anfänglich noch ein wenig sperrig mit dem nicht immer notwendigen Rückgriff auf Fußnoten wird er als Erzähler im Laufe der Handlung geschmeidiger und fühlt sich auch sicherer. Kein Auftakt einer neuen möglicherweise Serie ist leicht und geht fließend voran. Aber Harald Schäfer versucht auf den ersten Seiten wie viele Fantasyautoren fast zu viel und überfrachtet seine Leser mit im Detail faszinierenden Informationen, die der Autor selbst im Handlungsverlauf nur bedingt nutzt. Das erfordert Geduld, die aber mit fortschreitenden Plot vor allem im ersten Drittel und während des Finales mit einer Reihe überzeugender Sequenzen belohnt wird.

 Unabhängig von einzelnen, nicht selten der angesprochenen Überambition eines an Schriftstellerjahren jungen Autoren präsentiert sich der Roman ausgesprochen vielschichtig und hintergrundtechnisch vor allem zu Beginn auch exotisch. Es beginnt erst im Laufe des Plots ein wenig zu sehr emotional zu menscheln. Hier hätte Harald Schäfer auch andere Schwerpunkte setzen können. Aber der Versuch, nicht nur seinen eigenen Kosmos mit zahllosen Protagonisten  und vielen Konflikten zwischen den nach Macht strebenden  Parteien dreidimensional darzustellen, sowie zusätzlich über weite Strecken den Ausgangspunkt eines politischen Kammerspieles eher in der Tradition eines Poul Andersons oder wie erwähnt eines Frank „Der Wüstenplanet“ Herberts literarisch zu entwickeln, muss positiv betont werden. Harald Schäfer geht nicht den einfachen Weg, sondern versucht etwas Eigenständiges und im Rahmen der Military Science Fiction Regeln auch Originelles zu präsentieren. Damit hebt er sich von vielen Debütanten positiv wie angenehm beginnend mit den ersten Seiten ab.  

 

Redaktion/Herausgeber
Peter Emmerich
CoverIllustration: Allan J. Stark
Layout: Beate Rocholz
TextsatzJörg Schukys
VerlagEmmerich Books & Media

E-Book

9,95€ im Kindle-Shop, erschienen am 2. September 2019
ePub auf Anfrage
Printversion24,95€ bei Amazon, erschienen am 26. August 2019
ISBNISBN: 978-1688134805 (716 Seiten)
Imprint: Independently published (= Amazon-Ausgabe)
Verlagsausgabe: OHNE ISBN (714 Seiten)
Größe/Umfang20,3 x 12,7 x 4,5 cm / 716 Seiten