The Magazine of Fantasy & Science Fiction November/ December 2020

C.C. Finlay

Das Jahr 2020 beschließt “The Magazine of Fantasy and Science Fiction” mit einer überzeugenden Mischung aus vor allem auch emotionalen Geschichten mit den Schwerpunkten Fantasy und Horror.

Nadia Afifis „The Bahrain Underground Bazaar“ ragt aus der Masse durch ein allgegenwärtiges Thema heraus. Zahra ist eine alte Frau, die weiß, dass sie in den nächsten Monaten an Krebs sterben wird. Sie besucht den illegalen Basar, auf dem vor allem virtuelle Erinnerungen wie eine Droge verkauft werden. Sie probiert alle möglichen „Todesarten“ aus. Der Fall einer Frau fasziniert sie und sie beginnt, ihrer Spur zu folgen. Je mehr sie sich mit dem Tod beschäftigt, desto entspannter und vorbereiteter wird sie. Emotional ohne kitschig zu sein, setzt sich die Autorin mit der Angst vor dem Tod auseinander, welche die letzte Lebenszeit dominiert. Überzeugend gezeichnete Charaktere, ein schlichter Stil und vor allem ein nachdenklich stimmendes, aber nicht pathetisches Ende heben die Story aus der Masse positiv heraus.

In den Bereich der Science Fiction gehört aufgrund des Hintergrundes, aber nicht der Handlung auch Gregor Hartmanns „On Vapor, Which the Night Condenses“. Es ist die dritte Kriminalgeschichte um den auf einem Kolonialplaneten agierenden Privatdetektiv. Dieses Mal muss er einen Mord aufklären. Es gibt zwar ausreichend Verdächtige, aber die Art, auf welche die Tat ausgeführt worden ist, überzeugt am meisten. Sie ist originell und im Grunde fast perfekt. Es ist auch weniger klassische Ermittlungsarbeit, welche den Fall löst, sondern ein Zufall.

Das Thema Generationenraumschiff nimmt die Titelgeschichte auf. „Skipping Stones in the Dark“ von Amman Sabet beschreibt eine künstliche Intelligenz, welche wirklich alle Funktionen des Schiffes unter einer dominanten Kontrolle hat. Sie überwacht jederzeit und überall die Besatzung des Schiffes. Um das Wohl der Crew nicht zu gefährden, muss sie zu ungewöhnlichen Maßnahmen greifen. Der  Aufbau der Geschichte ist gut, die Grundidee aber ein wenig fragwürdig, denn die Ansätze der künstlichen Intelligenz gehen soweit, dass sie aus menschlicher Sicht den normalen Betrieb des Raumschiffes und damit die Mission gefährden. 

In den Bereich des Grusels passt Nick Dicharios „La Regina Ratto“. Ein Mann befreundet sich mit drei sprechenden Ratten und schließt einen Pakt. Gleichzeitig scheinen die Ratten aber auch menschliche Positionen in der Arbeitswelt und Gesellschaft zu übernehmen. Sie sind im Gegensatz zu seinen drei Hausbewohnern so groß wie Menschen. Seine Rattenchefin nimmt ihn als eine Art Sexsklaven und zeigt kontinuierlich mit ihm Kinder. Der einzige Ausweg wäre ihre Ermordung… natürlich mit Rattengift. Skurril, surrealistisch und trotzdem nicht abstoßend. Vor allem die ersten Dialoge heben den Text positiv hervor und führen den Leser ohne Ecken und Kanten in das seltsame, hintergrundtechnisch auch nicht weiter erklärte Szenario ein.  

Klassischer Horror ist „A Civilized and Orderly Zombie Apocalypse“ von Sarina Dorie. Die Route sind die Notfallpläne der amerikanischen Schulen für terroristische Anschläge oder Amokläufer. Der Zombiethematik kann die Autorin nicht viel hinzufügen, aber es liest sich kurzweilig, eine fiktive Katastrophe aus der Sicht des Lehrers – sowohl in Form der Protagonistin als auch der Autorin – zu lesen.

Auch „The Homestake Projekt“ von Cylin Busby setzt auf Bekanntes. Eine Forscherin wird über Nacht in einer Miene unter Tage vergessen. Dort wollte sie eine seltene Wurmart finden. Leider zeichnet sich die Pointe zu schnell ab.

„The Silent Partner“ von Theodore McCombs leidet unter einem nicht zu Ende entwickelten Plot. Mr. Roberts führt einen Antiquitätenshop. Eine Lady besucht den Laden und will unbedingt einen alten Tisch kaufen. Ab diesem Moment bleibt die Autorin vage und kann sich nicht entschließen, in welche Richtung sie den Plot entwickeln will. Vor allem weil, sie mit dem historischen Hintergrund ein interessantes Thema aufgreift.

Albert E. Cowdrey präsentiert mit „A Tale of Two Witches“ – eine Anspielung auf Charles Dickens- eine zweite Kriminalgeschichte.  Eine Frau mit eher ambivalent beschriebenen Talenten, die nicht gleich auf Hexerei deuten,  sucht ihren vor einiger Zeit verschwundenen Neffen. Er ist nicht das einzige Kind, das verschwunden ist. Anscheinend ist eine andere Hexe aktiv. Die Charaktere sind gut gezeichnet worden. Der Plot ist vielschichtig und die Pointe kraftvoll.  

Lyndsie Manusos „How to Burn Down the Hinterlands“  ist eine kraftvolle Geschichte. Eine Schmiedin hat ihren Mann im Krieg verloren. Später hat sie ein mächtiges, seelenbesetztes Schwert geschmiedet. Anschließend wurde sie hingerichtet. Der damalige Verantwortliche möchte von der Tochter der Schmiedin ein neues Schwert haben. Auch wenn die Geschichte sehr intensiv geschrieben worden ist, leidet der Text vor allem unter der Naivität der Herrschenden. Wer derartig mächtige Schwerter schmieden kann, wird kaum unter Kontrolle gehalten werden können. Hinzu kommt, dass die Auftraggeber gar nicht die Einschränkungen kontrollieren können. Das Motiv der Rache wird immer wieder angesprochen, aber nicht vollendet.  Trotzdem behält sie abschließend recht und erfüllt den Wunsch des Königs natürlich auf eine Art und Weise, welche dieser nicht voraussehen konnte. Während die Geschichte zwischendurch einige Längen aufweist, ist das Ende dagegen kraftvoll und nicht nur für die überlebende Protagonistin sehr befriedigend.

Matthews Hughes beendet mit der sechsten Geschichte um Baldemar „The Glooms“ diese Serie. Ein alter Baldemar wird von Oldo besucht. Anscheinend suchen ihn zwei Zauberer, die nicht so gut auf ihn zu sprechen sind, eine alte Rechnung begleichen wollen und ihn um einige von Thelerions Besitztümern erleichtern. Schutz findet Baldemar nur bei einem anderen Zauberer, aber der Weg dahin ist schon eine Herausforderung. 

Die Geschichten um Baldemar stellen eine solide Unterhaltung dar. Matthew Hughes baut ein eher klassisches Szenario auf. Nicht selten sind die exotischen wie gefahrvollen Reisen interessanter als die nicht immer konsequenten Pointen. Viele Abschnitte scheinen sich zu wiederholen und Baldemar bleibt ein ambivalenter Protagonist. So endet die Serie auch zufriedenstellend, aber der Funke will nicht wirklich überspringen.

Ergänzt werden die zehn Geschichten durch vier Gedichte. Auch sie bilden im Grunde alle Themen von reiner Science Fiction über Fantasy allerdings nicht ganz bis zum Horror, sondern eher der Mystik ab.

Die sekundärliterarischen Rubriken bestehen weiterhin aus Charles de Lints humorvollen Buchbetrachtungen in Kombination mit den Raritäten sowie als Gegenentwurf drei Science Fiction Romane. Neben dem sekundärwissenschaftlichen Exkurs geht David J. Skal auf die Fernsehserie „Shirley“ ein, basierend auf der berühmten Schriftstellerin und setzt sich sehr intensiv mit ihr auseinander.     

Zusammengefasst ist die letzte Ausgabe des Jahres 2020 trotz einigen inhaltlich, aber nicht stilistisch schwächeren Kurzgeschichten eine überzeugende, thematisch sehr breite Zusammenstellung unterschiedlicher Themen. Vor allem die längeren Geschichten ragen durch die Nutzung bekannter Versatzstücke auf eine originelle Art und Weise oder guten innovativen Plots positiv heraus.

Taschenbuch, 256 Seiten

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