Jenseits der Universen

Karl Ulrich Burgdorf

Mit „Jenseits der Universen“ veröffentlicht der Apex Verlag Karl Ulrich Burgdorf ersten „neuen“ Roman seit mehr als zwanzig Jahren. Die bisherigen Nachdrucke hat der Autor sorgfältig überarbeitet, teilweise erweitert und dann publiziert. Im Grunde ist das Gleiche bei „Jenseits der Universen“, dem Prequel zum schon erschienenen DELTA OMICRON, passiert.

Wie der Autor in seinem Vorwort zusammenfasst, stammt „Jenseits der Universen“ schon aus dem Jahr 1977, ist aber damals nicht publiziert worden.  DELTA IMICRON als vierte Teil der Serie um die Experimentalstation TEST ist als einziger Abschnitt in den frühen achtziger Jahren erschienen.  Bei der Durchsicht seiner Akten angesichts der Neuauflage stellte Karl Ulrich Burgdorf fest, dass zwei Texte gar nicht mehr funktionieren, aber die Ecken und Kanten bei „Jenseits der Universen“ von einem erfahrenen Alter Ego des damals vierundzwanzig Jahre alten Schriftstellers relativ gut beseitigt und das Manuskript veröffentlichungsreif gemacht werden kann.

Den entwickelten Hintergrund der ersten beiden Bücher konnte Karl Ulrich Burgdorf nicht nur in DELTA OMICRON einbauen, sondern schon für „Jenseits der Universen“ entwickeln. Auch die Hauptfigur ist in beiden Büchern gleich: Michael Manninghouse.

Es ist nicht notwendig,  DELTA OMICRON zuerst zu lesen. In beiden Büchern erläutert der Autor ausführlich, in „Jenseits der Universen“ sogar zweimal in Form eines Geheimdienstberichts gleich zu Beginn, später in der laufenden Handlung den Hintergrund seines Romans in Form der gigantischen Experimentalstation TEST.  Das wirkt in der Fortsetzung ein wenig bemüht und hemmt auch den Einstieg in die laufende Handlung.

Die dem Leser abverlangte Geduld wird aber anschließend in einem sich intellektuell stimulierenden First Contact Plot zurückgezahlt.  Der Beginn wirkt ein wenig klischeehaft. In einem neu entdeckten Sonnensystem wird ein offensichtlich künstliches, im All treibendes Objekt entdeckt. Die ersten Untersuchungen zeigen, dass es kein Leben aufweist und anscheinend verlassen worden ist. Man entschließt sich, das Raumschiff nicht nur zu  retten, weil es auf seiner Bann existentiell gefährdet worden wäre, sondern zurück zur Experimentalstation TEST zu bringen, um weitere Untersuchungen anzustellen.

Den Leser informiert Karl Ulrich Burgdorf in einem fast nachgeschobenen Kapitalabschnitt nicht nur über die Erbauer, sondern auch die Funktion der Plattform. Mit diesem simplen Trick erhöht der Autor die Spannungskurve, ohne in diesem Punkt typische Klischees der bösartigen außerirdischen Aliens zu erfüllen.

Bis in die Mitte des Buches konzentriert sich Karl Ulrich Burgdorf anschließend und fast ausschließlich aus menschlicher Perspektive auf die Untersuchung des Objektes und bietet eine interessante Lösung auf einem Fantasy Klassiker des Genres an. Wer diese im 25. Jahrhundert im Grunde obskure Inspiration gelesen und mathematisch verstanden hat, wird mit der weiteren gedanklichen Extrapolation seine wahre Freude haben. Für alle anderen fügt Karl Ulrich Burgdorf noch zwei aussagekräftige Zeichnungen dem Text bei. 

Karl Ulrich Burgdorf hat den Plot für die Erst bzw. Neuveröffentlichung gründlich überarbeitet, einige strukturelle Schwächen eines klassischen Prequels konnte er nicht beseitigen. So steht im Mittelpunkt des zweiten Handlungsteil die Konfrontation zwischen seinem Protagonisten Manninghouse und der mittel-, aber nicht unmittelbaren militärischen Leitung. Da er eigenständig einem Verdacht nachgegangen und dadurch die Sicherheit der Station gefährdet haben soll, gibt es nur zwei Möglichkeiten für ihn. Im Grunde eine drakonische wie archaische Bestrafung oder er stellt sich als menschliches Versuchskaninchen zur Verfügung, was die Wissenschaftler seines Teams nicht zulassen wollen. Karl Ulrich Burgdorf baut eine typische Spannungskurve auf, die in einem Prequel in dieser Form nicht mehr funktionieren kann, weil der Protagonist ja in den folgenden Abenteuern noch auftritt. In fortlaufenden Serien wie Perry Rhodan sind diese Handlungsmuster schwer zu umschiffen, in diesem Buch nimmt diese in der Theorie vorhandene Gefahr aber angesichts des Gesamtumfangs fast einen zu breiten Raum ein und wirkt vor allem aus heutiger Sicht mit dem stupiden Scheuklappendenken und den militärisch kurzsichtigen Entscheidungen aus der Zeit gefallen.

Aber der statische lange Aufbau gipfelt in einer zufriedenstellenden Auflösung, die konsequent den Forschergeist betont und eine friedliche Kontaktaufnahme in den Mittelpunkt stellt. Vielleicht geht am Ende alles ein wenig zu schnell und angesichts des Titels „Jenseits der Universen“ und in Hinblick auf den Ursprung der Fremden wirkt die Kommunikation plötzlich zu glatt, zu simpel konstruiert. Zu viele Fragen bleiben offen. Auf der anderen Seite überarbeitet der Autor die erste Idee Manninghouse noch einmal konsequent und präsentiert mit der Doppelung statt klassischen Spiegelung einen auch heute noch innovativen und lesenswerten Ansatz.

Klaus Ulrich Burgdorf sucht auch die bedingte Kooperation statt der Konfrontation und teilweise Paranoia, welche die Militärs in seiner gigantischen Anlage ausstrahlen. Die Strukturen sind streng hierarchisch und selbst als Teams hat der Leser den Eindruck, als wenn er Druck als der Wille, als Gemeinschaft Ziele zu erreichen, im Vordergrund steht. Das hat ohne Frage auch mit der Allgegenwart des Militärs zu tun, wobei sich dem Leser die Frage stellt, wie man auf der einen Seite eine derartig gigantische, weit verzweigte Anlage entwickeln/ bauen kann, die auf der anderen Seite nur bedingt nach „außen“ geschützt wird.  Da wird ein fremdes Fundstück quasi zur Untersuchung ins Herz des Systems geschleppt, ohne dass man sich wegen eventueller Verfolger viele Gedanken macht. Auch der Übergang der Fremden mittels dieser Plattform auf der einen Seite, dann wieder quasi per Raumschiff auf der anderen Seite wirkt ambivalent entwickelt und nicht immer abschließend schlüssig entwickelt. So faszinierend die „Scheibe“ im All auch sein mag, wirkt sie teilweise wie eine Art MacGuffin.

Die Zeichnung der Charaktere wirkt ein wenig sperrig. Interessant ist, dass Karl Ulrich Burgdorf in seinem offiziellen Debüt „Nijha, der Attentäer“ sowohl die Dialoge wie auch die Zeichnung der Protagonisten sehr viel geschmeidiger, natürlicher und vor allem auch dreidimensionaler hinbekommen hat als in den beiden Romanen um die Experimentalstation TEST auch nach der Bearbeitung. Manchmal erscheinen die Dialoge zu gestelzt, zu umständlich. Interessant ist, dass es an Bord des Forschungsraumschiff sehr viele Frauen in verantwortungsvollen Positionen auch mit menschlichen Interessen gibt, während der Umgang zwischen Männer und Frauen an Bord seiner TEST eher distanziert und gekünstelt wirkt.

Die Experimentalstation mit den verschiedenen ausgehöhlten Asteroiden, dem weitreichenden Transmitternetz und den von Karl Ulrich Burgdorf mehrfach beschriebenen Forschungsaufgaben ist aber das überzeugende verbindende Element der beiden im Apex Verlag neu veröffentlichten Bücher. Der Leser kann nachvollziehen, dass Karl Ulrich Burgdorf mehr als die beiden plottechnisch noch funktionierenden Bücher geschrieben hat.

Zusammenfassend liest sich der Roman trotz seines grundsätzlichen Alters nach einem allerdings sperrigen Beginn flüssig und intellektuell stimulierend. Vor allem Manninghouse ist im Gegensatz zur mittleren, aber nicht höchsten Militärebene ein ausgleichendes Element, das vorsichtig wie neugierig ist und nicht in jedem Fremden gleich den Feind sieht. Nicht nur der Leser wird durch eine Reihe von interessanten Erkenntnissen belohnt, Karl Ulrich Burgdorf setzt sich mit einer Reihe von Parallelwelttheorien auseinander und fügt eine weitere, lesenswerte und wirklich originelle Idee hinzu. Sie bildet auch das am meisten empfehlenswerte Herzstück dieses Romans.

An einigen Stellen muss Karl Ulrich Burgdorf der originären Länge des Heftromans geschuldet handlungstechnische Kompromisse eingehen und relevante Szenen ein wenig zu beschleunigt darstellen. Das fällt vor allem in der zweiten Hälfte auf, während er im ersten Drittel des Romans ein teilweise fast zu gemächliches, vor allem die Atmosphäre und den Hintergrund entwickelndes Tempo an den literarischen Tag legt. 

JENSEITS DER UNIVERSEN

  • Herausgeber : Apex Verlag (29. November 2020)
  • Sprache: : Deutsch
  • Taschenbuch : 216 Seiten
  • ISBN-10 : 3753125571
  • ISBN-13 : 978-3753125572