Neben „Die Expedition der Space Beagle“ ist „Der Krieg gegen die Rull“ Alfred Elton van Vogts populärster, aber deswegen nicht unbedingt bester Fixup- Roman. Das Buch erschien erstmals 1959 in den Staaten. Während viele seiner späteren aus Kurzgeschichten oder Novellen zusammengesetzten Bücher auf höchstens drei bis vier ursprünglich unabhängig publizierte Texte zurückgreifen, hat der Kanadier für dieses nicht umfangreiche Werk sechs Kurzgeschichten mit zwei Hintergrundbögen verbunden.
Alle Geschichten erschienen in den vierziger und frühen fünfziger Jahren im Magazin „Astounding“. Zwischen der ersten Kurzgeschichte „Co-Operate – or Else“ (April 1942) und dem zweiten Text „Repition“ (April 1940) fügt Alfred Elton van Vogt eine Brücke ein. Auch zwischen der vorletzten Geschichte „The Sound“ (Februar 1950) und „The Rull“ (Mai 1948) schrieb er eine Überleitung. Nur die beiden mittleren Geschichten „The Second Solution“ (Oktober 1942) und „The Green Forest“ (Juni 1949) sind tatsächlich so miteinander verbunden worden, obwohl zwischen ihren Erstveröffentlichungen immerhin mehr als sieben Jahre vergangen sind.
Der Titel ist dabei nicht unbedingt richtig gewählt. Zwar wird immer übe die Rull gesprochen, sie tauchen aber erst direkt in der Mitte des Buches auf. Hinzu kommt, dass die letzte Geschichte dieser Sammlung „The First Rull“ ist gleichzeitig van Vogts letzte originelle Arbeit an diesem Fugenroman. Anstatt den Konflikt mit den Rull zu beleuchten und vor allem den vorangegangenen Kurzgeschichten ein wenig mehr Fleisch zu geben, konzentriert sich van Vogt auf ein seltsam ambivalentes Ende. Der Konflikt läuft im wahrsten Sinne des Wortes nach Jahrhunderten aus. Erst wollen es die Menschen nicht glauben, dann akzeptieren sie diese Tatsache. Auf dieser Basis blickt der Erzähler abschließend optimistisch in die Zukunft. Nicht zuletzt dank seines neuen Sonderpostens.
Die Zusammenstellung der Geschichten in noch in einer anderen Hinsicht ungewöhnlich. Im ersten Text lernt der Leser mit Trevor Jamieson den Protagonisten kennen. Er ist Wissenschaftler, Bürokrat und schließlich auch intergalaktischer Forscher. Er stürzt mit seinem Raumschiff über einer Dschungelwelt ab. An Bord seines Raumschiffs befindet sich mit dem telepathisch begabten Ezwal ein Wesen, das wie die Ruul als Feind der Menschen gilt. Harry Harrison wird einzelne Aspekte dieser Kurzgeschichte später in seinen ersten „Deathworld“ Roman einfließen lassen.
Über der Dschungelwelt kreisen die Raumschiff der Ruul. Ein Mensch will ihnen nicht in die Hände fallen. Der Ezwal hat ein eher ambivalentes Verhältnis zu den Ruul. Im Grunde müssen sich Trevor Jamieson und das Ezwal zusammenraufen. Wie der zweite Abschnitt des Fugenromans geht es um das Überleben in einer unwirtlichen Umgebung. Van Vogt spult sein ganzes Pensum von einer lebensfeindlichen Umgebung, tödlichen Tieren und schließlich auch noch den Ruul ab. Interessant ist, das sich dabei das Ezwal menschlicher und zugänglicher erweist als der stoische Jamieson.
Im zweiten Teil besucht Trevor Jamieson eine menschliche Kolonie, die möglicherweise von den Ruul bedroht wird. Die Siedler sehen in seinem Besuch eine Art Bevormundung und wollen keine militärische Basis auf ihrer Welt zulassen. Stattdessen bieten sie ihm den Mond an. Über der Oberfläche des unwirtlichen Begleiters wird Jamieson ausgesetzt. Eine junge Mutter opfert sich in einer der unglaubwürdigen Wendungen quasi selbst und begleitet ihn. Gemeinsam müssen sie versuchen, wieder die Zivilisation zu erreichen. Auch diese Überlebensgeschichte in einer unwirtlichen Umgebung ist grundsätzlich spannend, aber die Ausgangsprämisse macht weniger Sinn als der erste Handlungsbogen.
Vor allem weil Jamieson natürlich die Frau retten muss und retten wird, die ihn in diese schwierige Lage gebracht hat. Anschließend erkennt sie nicht nur die natürliche Überlegenheit des Mannes per se, sondern der terranischen Technik an und sorgt sich sogar um ihn. Diese abschließende Wendung wirkt aufgesetzt.
In den Zwischenschüben etabliert van Vogt mit Dinnie einen Sohn Jamieson. Als dieser von den Ruul wohl eher zufällig entführt wird, schützt Jamieson durch sein Schweigen seine Frau und macht sich alleine auf den Weg, seinen Sohn aus den Fängen der Ruul zu befreien. Rückblickend sogar mit einem offiziellen Segen.
In diesem Punkt ragen vor allem die zwischenmenschlichen Kontakte und van Vogt doch sehr machoartiges Gehabe nicht aus der Masse der Golden Age Geschichten heraus.
Dabei bietet der Fugenroman eine Reihe von sehr modernen Ansätzen. So ist der Titel „Der Krieg gegen die Ruul“ im Grunde Vergangenheit. Die beiden Seiten belauern sich, es ist aber kein aktiver militärischer Konflikt mehr. Wie eingangs erwähnt tauchen die Ruul erst am Ende der Fuge auf. Bis auf sein Überheldenverhalten Frauen gegenüber konzentriert sich Jamieson – wie viele van Vogt Charaktere – auf Logik und Intuition bei der Lösung von Problemen. So ist er vom Äußeren zum Beispiel des Ezwall nicht angewidert, sondern erkennt auf seiner widerwilligen Odysseeüber den Planeten, dass die dreiäugigen, sechsbeinigen und mehrere tausend Pfund wiegenden Ezwall hochintelligent und telepathisch begabt sind. Allerdings gelingt ihm der Durchbruch in einer der Doppelungen: Wie Jamieson zweimal auf einem unwirtlichen Himmelskörper überleben muss, ist die Rettung eines Kindes – des eigenen und eines Ezwal- schließlich der Schlüssel zur Lösung der intergalaktischen Missverständnisse und Konflikte.
Die Ruul sind dagegen eine insektoide Rasse. Der Krieg ist Jahrtausende alt. Robert A. Heinlein und Orson Scott Card werden in ihrem Roman bzw. in ihrer Romanserie eine ähnliche Rasse „erschaffen“. Die Dinnie Geschichte verbindet van Vogt dann mit einem von der Ausgangsbasis interessantesten Abschnitt des ganzen Buches, der inhaltlich sich aber nicht wirklich einfügen lassen will. Jamieson lebt mit seiner Frau, seinem Sohn und einer Handvoll Menschen auf einem Planeten. Sie bauen ein Raumschiff, mit dem sie alle eher abreisen als fliehen können. Nachts hört man einen seltsamen Ton. Zu den Mutproben der Kinder gehört es, eine Nacht draußen zu verbringen und nach der immer noch unbekannten Quelle dieses Tons zu suchen.
Interessant ist, dass van Vogt in seinem Eingangskapitel die Ruul zu Erzfeinden macht, die kontinuierlich der Menschheit einen Planeten nach dem Anderen angenommen hat. Dieser martialische Unterton verschwindet spätestens mit dem Einsetzen der Handlung und wird auch nicht wieder aufgenommen. Die Probleme werden meistens intellektuell gelöst, wobei van Vogt seinen Helden dominieren, aber die Außerirdischen nicht erdrücken lässt. Jamieson ist vor allem ein Mensch, der aus seinen auch hier beschriebenen Fehlern oder vorschnellen Entschlüssen lernt. In dieser Hinsicht ist er nicht der einzige Charakter, der sich weiter entwickelt.
Auch wenn nicht alles homogen wirkt und die Übergänge vor allem zwischen den individuell starken Geschichten nicht immer die stilistische und vor allem auch inhaltliche Qualität der ursprünglichen Texte aufweisen, ist „Der Krieg gegen die Ruul“ wie auch „Die Expedition der Space Beagle“ ein idealer Einstieg in van Vogt bizarre Welt. Sowohl die „Slan“ als auch die „Isher“ Bände sind verschachtelter, komplex bis komplizierter und erfordern sehr viel mehr Mitdenken von den Lesern. Damit soll nicht gesagt werden, dass „Der Krieg gegen die Ruul“ zu einfach strukturiert ist. Im Kleinen fordert van Vogt seine Leser schon heraus, aber er agiert ausgesprochen fokussiert und hat eine klare, aber gegen Ende nicht mehr vollkommen überzeugende rote Linie, die er vor allem in den späteren Veröffentlichungen der sechziger und siebziger Jahre gänzlich ignoriert.