Are Snakes Necessary?

Brian de Palma und Susann Lehman

Nach einem Roman aus der Feder Samuel Fullers präsentiert Hard Cas Crime die Kooperation zwischen der früheren New York Times Mitarbeiterin Susan Lehman und dem Regisseur Brian de Palma. Der Roman erschien ursprünglich im Jahre 2018 zuerst in Frankreich, was nicht nur den besonderen Bewunderung der Franzosen gegenüber dem selbst ernannten Hitchock Epigonen entspricht, sondern dem einen von zwei Höhepunkten des Buches Respekt zollt.

Martin Scorsese hat sich zu einem besonderen Lob hinreißen lassen. Das Buch ist, als wenn man einen neuen Brian de Palma Film dieses Mal in den Händen hält. Angesichts der exzentrischen Qualität des Werkes eine zweifelhafte, aber keine unrichtige Aussage. Zum Einen findet man nicht einen, sondern zwei versteckte Hinweise einmal auf Vertigo, das die Franzosen dieses Mal im eigenen Land richtig verfilmen wollen, und dann im Grunde auf „Fremde im Zug“, in dem jemand den Mord am Partner eines anderen Menschen minutiös plant und im Augenblick des richtigen Alibis auch ausführt.

Grundsätzlich sollte zuerst die Frage gestellt werden, ob der Name de Palma nur ein Verkaufsargument ist oder ob es sich um ein Werk aus seiner Feder handelt. Die Frage lässt sich leicht beantworten. Es ist ein über weite Strecken klassischer de Palma, der aber in dieser vorliegenden Struktur nicht verfilmt werden kann. Nicht, weil der Plot schlecht ist oder sich de Palmas handlungstechnische Splittscreentechnik nicht in Schriftform umsetzen lässt, sondern weil der Plot lange Zeit mit einem gemächlichen Tempo dahin gleitet, um dann buchstäblich auf den letzten dreißig Seiten nicht nur an Fahrt zu gewinnen, sondern zwei bislang nur durch den Fotographen Nick verbundene Spannungsbögen direkt auf den Anfang der Geschichte zurückführt und auf eine typisch zynische de Palma Art abschließt.

Im Roman finden sich unheimlich viele Anspielungen auf de Palmas Werk, die allerdings wiederum auf bekannteren Werke basieren und vom Regisseur und Drehbuchautor entsprechend verändert worden sind. Für den Plot hat er sie ein weiteres Mal auf den Kopf gestellt.  Ein wichtiger Aspekt ist eine Schlüsselszene aus „Blow Out“ bzw. dessen Inspiration „Blow Up“. Der Fotograf verfolgt aus seiner Kameraperspektive einen Mord. Er kennt das Opfer, aber für die Öffentlichkeit wird sich die Situation ganz anders darstellen.

Ein weiterer sich allerdings spät entwickelnder roter Faden ist die Idee der Femme Fatale – Elizabeth Diamond -, die sich aus einfachen Verhältnissen mittels ihrer Verschlagenheit, eine Anpassungsfähigkeit und schließlich auch Zähigkeit durch einen Zufall eine neue Existenz aufbaut, um schließlich am Ende ihre passive Rolle abzulegen und aktiv einer Frau zu helfen, ihren egoistischen Mann loszuwerden. Es erscheint aber fast unwahrscheinlich, dass Elizabeth ^lange Zeit gar nichts außer einigen vagen Angaben der betrogenen Ehefrau vom Opfer weiß, in der abschließenden Dankesmail dann aber plötzlich der Name offengelegt wird und sich für Elizabeth ein Kreis schließt. Aber diese inhaltlichen Konstruktionen zeichnen vor allem de Palma erotische Thriller aus. Sie sind notwendig, damit die Balance aus Hommage vor allem an Hitchcock und eigenständigen Ideen harmoniert.   

Lee Rogers möchte wieder Senator in Pennsylvania werden, ein Amt, das er seit vielen Jahren innehat. Er ist im Grunde ideal für das Amt. Verheiratet mit einer intelligenten, aber auch an Parkinson erkrankten Frau, gut vernetzt und attraktiv. Wenn da nicht die Frauen in seinem Leben wären. Der Beginn beginnt mit dem Versuch eines klassischen Fixers Barton Brock, den Frauenheld inflagranti zu erwischen. Dazu heuert er die Kellnerin Elizabeth Diamond an. Allerdings lässt sich diese doppelt bezahlen und landet im Gefängnis, während Barton Brock die Fronten wechselt und Lee Rogers neuer zweiter Mann wird. Elizabeth Diamond muss allerdings verschwinden. Es ist das letzte Mal, das Barton Brock ein Risiko eingeht.

Im Jahr 2016 trifft Lee Rogers am Flughafen auf eine ehemalige Geliebte, die ihn vor vielen Jahren verlassen und die Affäre beendet hat. Die Gründe erfährt der Leser erst später. Dabei ist ihre achtzehn Jahre alte Tochter, die unbedingt für Lee Rogers gegen den Willen ihrer Mutter arbeiten möchte. Natürlich macht sich Lee Rogers an die Tochter ran.

Nick trifft an Bord eines Flugzeuges auf dem Weg nach Los Angeles Elizabeth Diamond. Nick ist ein Träumer, der von einer Karriere als Fotograf und einem Bildband über die große Liebe träumt, der ihn reich und berühmt machen wird.  Allerdings ist Elizabeth mit einem zwielichtigen Casino Besitzer verheiratet. Als dieser von der Affäre erfährt, bleibt ihnen nur die Flucht, die sie allerdings unterschiedlich vollziehen.

Am Ende zieht es den einsamen Nick nach Paris. Auch Lee Rogers plant trotz aller Schatten über seine Karriere eine Reise in die Stadt der Liebe, eigentlich mit seiner neuen Geliebten, aber dann will seine Frau mit. Und Elizabeth Diamond hat sich in die Einsamkeit Maines zurückgezogen, plant allerdings auf eine besondere Art und Weise ein Comeback.

Lee Rogers ist der die Handlung dominierende Charakter. Ein schleimiger, opportunistischer Politiker, der seine Frau genauso wie sein Umfeld belügt. In einer Wendung wird ihm durch seine Affären der Boden unter den Füßen weggezogen. Hier setzt eine der schwächen des Buches ein. Lee Rogers entkommt dank seines Fixers zu schnell. Auf der anderen Seite zeigen de Palma und Lehmann auch in der Tradition von Hitchcocks Psycho, aber auch seinem Film „Body Double“ das sympathische Protagonisten plötzlich sterben. Ohne zu viel vom Plot zu verraten sind die Auswirkungen für eine Familie dramatisch.

Elizabeth Diamond wird quasi von dem langen Schatten Lee Rogers geformt. Zu Beginn eine arme Kellnerin,  wächst sie schnell über sich hinaus und beginnt sich selbst nicht nur charakterlich zu entwickeln, sie wird zu einer im Grunde Psychopathin, die von der Schreibtischtäterin zur Rächerin verletzter, betrogener und hilfloser Frauen wird. Dass sie bei ihrer ersten Mission auf Gold trifft, ist wie angedeutet ein positiver wie konstruierter Nebeneffekt, aber auch gleichzeitig eine Entschuldigung. Der Leser weiß bei Nennung des Namens, welch ein Monster da bestraft wird.

Barton Brock ist ein Fixer. Aber kein intelligenter Mann, sondern ein im tiefsten Herzen Weichei und gleichzeitig gegenüber seiner Frau ein Macho. Er kann sich nur gegen Schwächere durchsetzen, nach oben buckelt er. Auch wenn er Lee Rogers Speichellecker ist, wird er niemals echte Macht begreifen.

Nick Sculley ist der naive Träumer, der John Travolta Charakter aus „Blow up“, dem während der Rassenunruhen das perfekte Pressefoto gelungen ist. ER lebt in seiner naiven verklärten romantischen Welt. Sowohl die Affäre mit Elizabeth, als auch später die Begegnung mit der Praktikantin des Senators prägen ihn. Er betrachtet die Welt vor allem durch seine Kamera. Am Ende ist er aber auch das schlechte Gewissen und verzichtet zu Gunsten allerdings der Falschen auf eine zweite Chance.

Diese bittere Erkenntnis durchzieht den Roman. Nicht an vorderster Front, aber erkennbar. Die Großen lässt man laufen, die Kleinen werden gehängt oder scheitern in ihrer verzweifelten Anonymität. Zwar können sich die beiden Autoren zu einem pragmatischen, einen Teil der Handlung abschließenden Ende entschließen und verzichten nicht gänzlich auf eine fatalistische Verbeugung vor der korrupten Politik, aber Lee Rogers bleibt zumindest aus seiner Sicht unbefleckt und weiterhin eine Art Pyrrhussieger. Dazu wird der Charakter seiner Frau zu schwach ausgebildet.

„Are Snakes necessary?“ – auch der Titel ist ein Zitat aus einem alten James Stewart Film, allerdings einer Komödie – ist wie ein Brian de Palma Film angelegt. Im Gegensatz zu einem Drehbuch versuchen de Palma und Lehmann die Charaktere dreidimensionaler und zu Lasten einer dynamischen Handlung herauszuarbeiten. Das gelingt nur bedingt. Tempo gewinnt die Geschichte auf den letzten fünfzig Seiten, auf den letzten Fünfzehn gelingt es ihnen, zumindest teilweise zwei parallele Handlungsbögen intensiv miteinander zu verknüpfen. Dem Buch fehlt logischerweise die technische Verspieltheit eines de Palma Films. Wer den heute manchmal zu Unrecht, aber auch bei einigen Arbeiten zurecht umstrittenen Regisseur kennenlernen möchte, ist mit seinen Filmen besser bedient. Wer gerne noch mehr vom amerikanischen Hitchcock des Grindhouse Kinos goutieren will, kommt an diesem Buch trotz der angesprochenen Schwächen nicht vorbei.        

Are Snakes Necessary? (Hard Case Crime, Band 144)

  • Herausgeber ‏ : ‎ Titan Publ. Group Ltd. (6. Juli 2020)
  • Sprache ‏ : ‎ Englisch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 240 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 1789091209
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-1789091205
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