Ein Controller weniger

Katja Kleiber

Mit Katja Kleibers „Ein Controller weniger“ legt Michael Haitels p. machinery in „Zwischen den Stühlen“ einen laut Klappentext satirischen Bürokrimi“ vor.  Die in Frankfurt lebende Autorin hat bislang eine ganze Reihe von Krimis teilweise mit Attributen wie dem Hut oder aus ganzem Herzen geschrieben verfasst.

 Damit die Satire auch funktionieren kann, braucht es das Element der Übertreibung. Mit einem breiten Pinsel zeichnet Katja Kleiber nicht unbedingt den Alltag, sondern angesichts der bevorstehenden Fusion oder besser Übernahme ein Portrait einer Büroetage am Rande des Wahnsinns. Erst geistert das Gerücht durch die Flure, das die namenlose Supercompany von den Japanern übernommen werden soll.

 Im Mittelpunkt der Geschichte stehen eine Handvoll von exzentrischen Charakteren. Das Opfer ist der Controller, eine Position, die nur wenige Menschen übernehmen können. Denn Kontrolle ist Macht und je weiter die Pfennigfuchser von den realen Abläufen in einem Unternehmen entfernt ist, um so schwieriger wird die alltägliche Arbeit. Sonst das in diesem Fall berechtigte Kontrollieren der einzelnen Telefonkosten der Mitarbeiter kann die Emotionen hoch kochen lassen. Von den schwarzen Kassen für die außertariflichen Bezahlungen, in diesem Fall durch den allgegenwärtigen und doch früh verblichenen Controller initiiert mal ganz abgesehen. 

 Kaum dringt die Kunde von der Fusion durch die bis auf die Handvoll von Protagonisten erstaunlich menschenleeren Flure eines größeren Konzerns, findet sich der Controller erstochen auf dem Schreibtisch im Büro von Knoll und Ebert wieder. Knoll und Ebert sind keine echten Kollegen, sondern Konkurrenten. Im Laufe des kurzweilig zu lesenden, aber auch teilweise ein wenig zu oberflächlich entwickelten Plots gerät der eigentliche Mord in den Hintergrund, sondern der dem Unternehmen schadende Konkurrenzkampf gewinnt die Oberhand.

 Ebert ist verheiratet, hat einen kleinen Sohn und ist ein scheuer Weiberheld. In seinem Schreibtisch findet sich eine besondere Sammlung; große Dekolletes regen seine passive Phantasie an und der Playboy steckt bei manchem Vortrag schon in der Firmenbroschüre.

 Knoll ist eitel, ehrgeizig und drogenabhängig. Ohne Koks geht nichts mehr. Außerdem ist er ein fauler Sack, denn Präsentationen lässt er sich gerne von der allgegenwärtigen, attraktiven Sekretärin/ Faktotum Jessica anfertigen. Nur hat Ebert was dagegen.

 Katja Kleiber setzt hier einen frühen Höhepunkt, in dem die Bloßstellung von Knoll dank drei Linien des weißen Pulvers sich gänzlich anders darstellt als von Ebert geplant. Aber diese Sequenz wirkt vor allem in der ersten Hälfte des Buches auch ein wenig isoliert, das die Autorin ja dem Element der Übertreibung folgen und Knoll wieder zu dem klassischen Idioten degradieren muss, der erkennen wird, das die Hierarchie nach oben hin immer unangenehmer wird und Abteilungsleiter mehr als die Funktion haben, die ihnen eher anvertrauten, als angestellten subversiv und egoistisch agierenden Angestellten „anzuleiten“  

 Jessica ist die Frau, die alles kann und opportunistisch, aber intelligent ihre Karten spielt. Sie ist mehr als die attraktive, nur scheinbar naive Sekretärin. Aber rückblickend mit ihrer pragmatischen Art ist sie vielleicht der am meisten sympathische Charakter in diesem ganzen Firmenhaufen von Exzentrikern.

 Happ-Huber als Mannsweib ist die Gleichstellungsbeauftragte der Firma. Nur auf den ersten Blick dominierend versucht sie zwar überall für ihre Abteilung und ihre ein wenig ambivalente Mission Vorteile herauszuschlagen, am Ende zeigt sich, das alles nur Makulatur ist. Auch in der Happ- Huber steckt eine echte Frau, die ihr normales bürgerliches Doppelleben hinter Besuchen im Lesbentheater zu verstecken scheint.

 Der Kommissar ist der klischeehafte Klassiker, der zwar unangenehme Fragen stellt, aber schließlich dank einer Hose quasi an ein, aber nicht das Ziel geleitet wird. Je weiter Katja Kleiber in die Wirren der bevorstehenden Fusion und dem entsprechenden Stühlerücken mit Pyrrhussiegen vordringt, um so unwichtiger wird der eigentliche Mordfall. Darunter leidet auch die Spannung dieser Bürosatire.

 Am Ende wird nicht unbedingt der klassisch Böse bestraft. Das Gute triumphiert nicht. Wie in der normalen High Class Business Welt siegt am Ende derjenige, welcher im Grunde mit einem niedrigen Blatt im richtigen Moment am richtigen Ort die wichtigen Informationen erhält oder zusammensetzt.

 Trotzdem braucht ein Leser kein Mitleid mit den Figuren haben. Die Satire mit dem Element der klassischen Übertreibung allerdings bis an oder teilweise sogar über den Rand der Karikatur verhindert eine abschließende Identifikation mit den Protagonisten. Da wirkt selbst die türkische Putzfrau – allgegenwärtig und doch unsichtbar – mit ihren typisch kapitalistischen Plänen, aber dem die Klischees verstärkenden „Akzent“ eher wie ein störendes Füllmaterial, auch wenn ihr Erpresserversuch am Rande die finalen Ereignisse ins hektische Rollen bringt.

 Running Gags wie der kaputte Kaffeeautomat; die zum Kopieren und für Botengänge missbrauchte Praktikantin mit Zahnspange oder die erotischen Dialoge über den durchschnittlichen Essen der Kantine runden diesen Eindruck ab.

 „Ein Controller weniger“ liest sich kurzweilig und unterhält auf einem zufrieden stellenden Niveau für die Dauer der Lektüre. Es ist ein klassisches Buch für die Mittagspause in Großkonzernen, in denen die Leser die manchmal alltäglichen Absurditäten zwischen den Umstrukturierungen, Fusionen und anstehenden Projekten geerdet haben möchten. Die Zeichnung der Charaktere ist eher pragmatisch, die Anzahl unsympathischer und teilweise sehr eindimensional überzogen beschriebener Pro- bzw. Antagonisten lässt sich leicht voneinander trennen, auch wenn keine der Figuren dem Leser lange im Gedächtnis bleiben.

 Was dem Roman fehlt, ist vielleicht ein erdendes Element, das eine gute Satire so hintergründig und Ziel gerichtet zu gleich erscheinen lässt. Weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen. Oder Katja Kleiber hätte den Umfang ihres Buches erweitert und sich zwischen den einzelnen „Höhepunkten“ und Missverständnissen literarisch mehr Zeit gelassen, um die angestrebten kleinen Paukenschläge besser platzieren zu können. Kishon war in dieser Hinsicht in Bezug auf die Kürze, aber auch die Würze ein heute noch unerreichtes Vorbild.

 

Mit knapp einhundertzwanzig Seiten Umfang und über fünfzig kleinen Kapiteln ist „Ein Controller weniger“ eher eine ausgefeilte Novelle als ein Roman. Daher lassen sich einzelne Sprünge, hektische Übergänge und die fehlende Tiefe eines klassischen Romans eher verzeihen. Am Ende zeigt Katja Kleinert in ihrer Satire auf, das Großunternehmen eben anders ticken und der Leser ist erstaunt, das in der Supercompany mit ihrem omnipräsenten, aber niemals wegen der Allgemeingültigkeit extrapolierten Konzept überhaupt irgendwie etwas Produktives und vor allem Übernehmenswertes herauskommt. Das ist vielleicht die eigentliche Satire dieser wie erwähnt kurzweilig zu lesenden, aber auch zu wenig kantigen Bürosatire.   

EIN CONTROLLER WENIGER: Ein satirischer Bürokrimi Kindle Edition

  • Publisher ‏ : ‎ p.machinery; 1st edition (8 Sept. 2022)
  • Language ‏ : ‎ German
  • Paperback ‏ : ‎ 116 pages
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3957653010
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3957653017
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