Das Schicksal der Ringwelt

Larry Niven & edward M. Lerner

Larry Nivens und Edward M. Lerners Roman "Das Schicksal der Ringwelt" ist der Abschluss nicht nur der Romanserie um eine der berühmtesten und vielschichtigsten Schöpfungen der Science Fiction, sondern darüber hinaus auch der "Fleet of Worlds" Serie. Für beide Epen stellt der vorliegende Roman im Grunde den fünften Teil dar. Bei dieser ungewöhnlichen Konstellation heben sich die Stärken und Schwächen auf. Kommerziell werden in erster Linie die Leser der "Fleet of Worlds" Serie irritiert sein, denn der Bogenschlag greift auf den letzten "Die Kinder der Ringwelt" Band zurück. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Büchern geben sich die Autoren sehr wenig Mühe, wichtige Informationen nachzuholen.

Das Ende des letzten "Fleet of Worlds" Romans war ein Paukenschlag. Die drei Parteien waren bereit, Flotte im Kampf um die Rohstoffe der Ringwelt loszuschicken, als das künstliche Gebilde vor ihren "Augen" verschwindet. Anscheinend hat sich die gigantische Ringwelt mittels eines Lichtsprungs in Sicherheit gebracht, wobei ihr Auftauchen katastrophale Folgen für die dann umgebenden Planeten haben könnte.

Das Verschwinden hat für die einzelnen Interessengruppen sehr unterschiedliche Folgen.  Am Stärksten betroffen sind die Puppeteers. Ihre Welten sind überbevölkert und sie fliehen vor dem explodierenden Kern der Galaxis. Ihre Sorge ist, dass ihre Rückzugswelten in den Fokus der anderen Gruppen fallen könnten. Verstärkt wird diese Paranoia durch das Verhalten ihres charismatischen wie exzentrischen Ex- Anführers. In dieser Konstellation wirken die Außerirdischen, welche die Puppeteers kontrollieren,  als Opportunisten, die sich den eigenen Vorteil sichern wollen. Die von den Menschen - auf Terra Nova gerade sich vom Joch befreiend - und den Puppeteers abweichende Perspektive wirkt allerdings den Bogen der Glaubwürdigkeit überspannend. Die Komplexität eines Plots setzt sich aus einer Vielzahl von Fakten und Theorien zusammen. Lerner und Niven gehen den anderen Weg. Die Rettung der Menschen hat sich schon als Lüge entpuppt und Teil einer weiterreichenden Strategie entpuppt. Bei den Fremden machen es die Autoren den Lesern noch schwerer, weil diese ihre Identitäten verbergen oder wechseln, so dass eine Identifikation mit den Charakteren nicht nur unmöglich ist, sondern ihre Motive zusammen mit ihren Persönlichkeiten mehr und mehr verschwimmen. Dabei haben Niven und Lerner insbesondere die Puppeteers als echte "Fremde", als ein Volk angelegt, dessen Kultur auf der Jagd basiert und das deswegen so anders denkt. Sie arbeiten ebenfalls zufriedenstellen die unterschiedlichen Wahrnehmungskonstanzen in der menschlichen wie Puppeteer Kultur so gut heraus, dass der Leser sich auf die finale Auseinandersetzung um die Ringwelt nur freuen kann.

Nur greifen Niven und Lerner wie angesprochen nicht auf den vierten "Worlds of Fleet" Band zurück, sondern sehr viel weiter in Vergangenheit der Serie. Als sie die "Fleet of Worlds" Serie als Ableger konzipierten, ergänzten sie nicht nur ihr bestehendes Universum, sondern erschufen im Grunde eine neue Linie mit der Ringwelt als heiligen Gral. Detailliert haben sie in den vier Romanen die Hintergründe erläutert, während sie bei "Das Schicksal der Ringwelt" nicht nur die "Worlds of Fleet" sondern auch die "Ringwelt" Romane integrieren wollte. Und hier scheitert das Konzept. Eine ähnlich detaillierte Informationsflut hätte den ohnehin sehr kompakten und deswegen nicht einfach zu lesenden Roman endgültig zum Stillstand gebracht. Die Leser werden nicht einmal aufgefordert, die ersten vier "Ringwelt" Romane zu lesen. Es ist ein Absolutum, da ansonsten die ersten, gleich mehrere Handlungsebene entwickelnden Szenen unverständlich erscheinen. Selbst bei Anhängern der Serie wird ein wenig zu viel erwartet, dass sie sich nach mehrere Jahren noch an notwendige Details erinnern und die Querverbindungen zwischen den beiden bislang kaum miteinander verbundenen Serien ziehen. Dadurch wirkt der Plot anfänglich nicht nur spröde, sondern wenig zusammenhängend und vor allem trotz des Verschwindens der Ringwelt, den drei Konfliktparteien, dem Brandherd im Zentrum der Galaxis und dem natürlichen Vorwärtsdrängen des Puppeteers unspannend und antriebslos.

       

Auf der neuen Erde, die von den Puppeteers etabliert worden sind, machen sich die Menschen Gedanken über die Folgen der verschwundenen Ringwelt. In einer klischeehaften Nebenhandlung sucht der ehemalige Verteidigungsminister die neue Erde mit der alten Heimat der Menschen zu verbinden. Angesichts der zahllosen Ereignisse wirkt dieser Nebenarm eher spärlich entwickelt und wird vor allem im Rahmen des vorhandenen Plots zu wenig nachhaltig abgeschlossen. Im Gegensatz zum martialischen Treiben der "Fleet of Worlds" Abenteuer wirkt der Grundton gemäßigter und es ist keine Überraschung, dass ausgerechnet ein menschlicher Abenteurer und ein ausgestoßener Puppeteer dank ihrer jahrelangen Erfahrung auf der "Ringwelt" - einer der wenigen Kreise, der zufriedenstellend geschlossen wird -  die Schlüssel im Grunde für ein Überleben aller Rassen in Händen halten. Sie müssen sich ebenfalls eher ermüdend und wenig originell gegen zahlreiche oppositionelle Kräfte durchsetzen, die teilweise aus Eigeninteresse, aber vor allem um wichtige Teile der Geschichte verbergend ihnen Steine in den Weg legen.  Was an sich auf den ersten Blick spannend sein könnte, ist mehrfach angesprochen worden. Bedenkt der Leser zusätzlich, dass die Menschen auf der neuen Terra den Fremden gegenüber von Grund auf skeptisch gegenüber stehen und ihre Mauern intellektuell nur wenig gelockert haben, wäre die Wahrheit über die Ereignisse der Vergangenheit kein Schock und würde angesichts der Kräfteverhältnisse auch keine nachhaltigen Erschütterungen auslösen. Hier wird zu viel Wind um zu wenig intellektuellen Sprengstoff gemacht.

Moderner und damit den ersten "Ringwelt" Roman, der immerhin noch aus den siebziger Jahren stammt, in die Gegenwart holend soll der Focus auf die künstlichen Intelligenzen sein. Im Gegensatz allerdings zu den verschiedenen Fremden und ihren Ausstrahlungen gelingt es weder Lerner noch Niven, eine K.I. wirklich überzeugend als eigenständige fremde Persönlichkeit zu zeichnen. Wie einige andere Handlungsteile entwickeln sie sich im Verlaufe des vorliegenden Buches und werden nicht komplett fertig in die Handlung intrigiert. Das hat Vorteile, dass die Protagonisten mit den Lesern zusammen diesen ambivalenten "Persönlichkeiten" gegenüber stehen. Das bürgt auf der anderen Seite auch den Nachteil, dass eine weitere, unnötige Front geöffnet wird, die rückblickend unnötig erscheint.

Mit knapp fünfhundert Seiten wirkt der Kompromiss zwischen einer stringenten, überschaubaren Handlung und den verschiedenen Details unlösbar. Nicht selten erwarten Niven und Lerner, dass die Leser jedes Detail kennen. Das macht die Lektüre nicht nur schnell ermüdend, teilweise zu stark belehrend. Noch mehr als Larry Niven ist Edward M. Lerner, der neben zahlreichen Kurzgeschichten in erster Linie noch Technologiethriller verfasst hat, in diesem Universum aufgegangen. Bei der Jagd über die zahlreichen Standorte geht das Objekt der Begierde - die "Ringwelt" - verloren und wer eine weitere Stufe der Erkundung vor allem nach der verblüffenden Tatsache, dass sie sich doch bewegen kann, erwartet hat, wird am Ende des Romans bitterlich enttäuscht. Auch wird das "Schicksal der Ringwelt" nicht abgehandelt und das offene, ein wenig abrupte und nicht gänzlich zufriedenstellende Ende lässt die Hintertür für weitere Fortsetzungen offen.

Anhänger der Serien werden auch von diesem Teil trotz der teilweise zu distanzierten, zu wenig emotionalen und manchmal langatmigen Erzählstruktur begeistert sein. Neueinsteiger müssen ihren Lesestapel in doppelter Hinsicht auf "los" schieben und mit den ersten vier "Ringwelt" Bänden beginnen, dann am besten die "Fleet of Worlds" Serie unmittelbar in Angriff nehmen, bei der einige Schlüsselszenen aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden, bevor sich der Kreis in diesem zufriedenstellenden, aber nicht euphorischen vorläufig letzten Roman schließt. Im Gegensatz zu vielen offensichtlich ausschließlich kommerziell angelegten Serien geben sich die Autoren sehr viel Mühe, ihren Hintergrund nicht nur weiter zu entwickeln, sondern pointiert und kompakt neue Geschichten mit dreidimensionalen, zufriedenstellend fremdartigen Charakteren zu erzählen

Bastei Lübbe
Taschenbuch, 525 Seiten
Ersterscheinung: 16.05.2014
ISBN: 978-3-404-20762-6