Auch wenn Klaus Brandts Titelbild es impliziert, „Der Lindwurmplanet“ ist eine klassische Science Fiction Robinsonade mit den sich abschließend selbst rettenden Gestrandeten und keine SF Parodie. Als Österreicher muss der 1960 geborene und in Graz lebende Gernot Schatzdorfer zumindest die Landesfarben in Form eines Astronauten, aber auch des entsprechenden Finals hochhalten. „Der Lindwurmplanet“ ist zwar der erste Roman des Gymnasiallehrers für Mathematik und Informatik, aber in den letzten Jahren hat Gernot Schatzdorfer schon eine Reihe von fantastischen Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien veröffentlicht.
Kritisch geschrieben, bedient der Autor in seinem Debüt eine Reihe von Klischees des Genres. Das erste Raumschiff – die „Albert Einstein“ – mit einem experimentellen Sprungantrieb erreicht einen erdähnlichen Planeten und will ihn erkunden.
Ein Shuttle wird ausgesandt, vier Besatzungsmitglieder betreten zum ersten Mal einen neuen Planeten, auf dem eine Rasse von an Lindwürmern erinnernde Rasse lebt. Die Zeit ist begrenzt, obwohl der Autor in diesem Punkt keine Angaben macht. Da das Raumschiff sich fast „zeitlos“ durch die Unendlichkeit des Alls bewegt, erscheint diese Hektik aufgesetzt und dient dazu, den Plot anzufeuern.
Das Shuttle will wieder abheben und zu der „Albert Einstein“ im Orbit fliegen, als anscheinend ein Fehler im Antrieb des Raumschiffes diese nicht nur aus dem Orbit, sondern in die Unendlichkeit katapultiert. Gernot Schatzdorfer wird im Laufe seines Buches deutlich machen, das die Unendlichkeit ein dehnbarer Begriff ist.
Die vier Besatzungsmitglieder – zwei Frauen, zwei Männer – sind plötzlich auf dem Planeten gestrandet. Niemand weiß, ob die „Albert Einstein“ zurückkehren wird oder nicht.
Um dieses Szenario zu entwickeln, braucht der Autor nur wenige Seiten. Erst im Laufe der ausgesprochen stringenten Handlung wird Gernot Schatzdorfer die Hintergründe seiner Figuren ein wenig mehr erhellen. Aber zu Beginn brauchen die Leser und die Protagonisten nicht mehr zu wissen. Ein Manko des Buches ist die Distanz zwischen den Figuren und dem Leser. Auch wenn Gernot Schatzdorfer im Laufe der Handlung die einzelnen Kombinationen genauso erläutert wie eine Abfolge klassischer Szenarien wie Nervenzusammenbrüche ; Eifersucht oder besser Neid ; das Hinterfragen von Entscheidungen und schließlich doch die Erkenntnisse, dass Ziele nur gemeinsam erreicht werden können, bleibt eine Art Mauer zwischen den Lesern und seinen Figuren. Angesichts der Katastrophe und der Tatsache, dass sie auf einer erdähnlichen Welt gestrandet sind, von der die Vier noch nicht wissen, ob sie sie ernähren wird, bleiben diese erstaunlich ruhig. Zu ruhig selbst für ausgebildete Astronauten und Expeditionsteilnehmer. Zu pragmatisch werden die einzelnen Aufgaben angegangen und nach für den menschlichen Körper verwertbaren Lebensmitteln gesucht.
Auch die einheimische Bevölkerung wird aus der Ferne beobachtet, bis es schließlich zum Erstkontakt mit den Lindwürmern kommt. Gernot Schatzdorfer umschifft die Schwierigkeiten dieses Szenarios, indem er erstens eine sehr sprachbegabte Frau im Team platziert und zweitens die Lindwürmer relativ schnell auf die Hilfe der vier Fremden angewiesen sind. Trotz ihrer schlechten Erfahrungen mit Außerirdischen, denn die Menschen sind natürlich nicht die ersten Besucher auf diesem Planeten gewesen.
Auch wenn die Lindwürmer in der Science Fiction ein Novum darstellen, nutzt Gernot Schatzdorfer diese „exzentrische“ Rasse zu wenig. Zu schnell fließen zu viele Dinge zusammen. Natürlich werden die Menschen mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert und die beiden Rassen müssen sich aufeinander einstellen. Hier präsentiert der Autor eine Reihe von interessanten und gut geschriebenen Szenen. Ein Blatt, absichtlich in ein heiliges Gewässer der Lindwürmer geworfen, könnte ein Todesurteil bedeuten. Ein exzentrischer Forscher der Lindwürmer hat sich in eine unwegsame Gegend zurückgezogen. Er kann aber die Hinterlassenschaften der von den Lindwürmern „Digger“ genannten ersten Fremden auf dieser Welt lesen. Erstaunlich ist, dass die Menschen sich lange nicht fragen, wie ein derartig irdischer Begriff zustande kommt und ob der Name nicht Programm ist. Diese Geheimnisse werden in der zweiten Hälfte des Buches gelöst, in welchem Gernot Schatzdorfer auch die Selbstrettung der Protagonisten vorbereitet. Diese erfolgt schließlich durch eine kleine Abfolge von konstruierten Zufälligkeiten, welche an die Pulp Science Fiction der dreißiger bis sechziger Jahre erinnern. Aber mit seiner direkten Art, auch Konstruktives stringent und überzeugend zu erzählen, überspielt Gernot Schatzdorfer durch das hohe Tempo der kompakten Geschichte und die Verdichtung einzelner Szenen auf gut geschriebene Dialoge und wenige Hintergrundinformationen, die Schwächen und Vertrautheiten dieser First Contact Geschichte. Notfalls agiert ein Lindwurm mit seiner Mischung aus Eleganz in der Luft, hoher Intelligenz und schließlich Agilität in engen Räumen nicht nur als Unterstützer und Helfer, sondern in einer anderen Szene als Psychologe für den unter Selbstzweifeln leidenden Kommandanten Urs.
Das reicht allerdings nicht, um einen Kurzroman zu füllen. Die vier Menschen könnten unterschiedlicher und gleichzeitiger auch ähnlicher sein. Zwei Männer, zwei Frauen. Jeweils eine Frau und ein Mann im gleichen Alter. Gestrandet auf einer Welt mit Lindwürmern und anderen Kreaturen. Da kommt neben Gefühlen auch Gegensätzliches zu Tage. Ein Mitglied des Teams war früher beim Militär, ist aber inzwischen seit mehr als zwanzig Jahren in der zivilen Raumfahrt tätig. Ein weibliches Mitglied verfügt nicht nur über die meiste Raumerfahrung, sondern war wahrscheinlich während des Studiums Pazifistin. Daher lehnt sie Waffen auch zur Selbstverteidigung ab. Nicht immer das beste Argument auf einer fremden Welt. Der Kommandant ist zwar ein Mann der Tat, aber auch kein klassischer Anführer mit Befehlston. Er verfügt als Leiter der Expedition über die meiste Erfahrung, unterliegt aber auch seinen emotionalen Schwankungen und stellt seine eigene Eignung in Frage. Die Diskussionen wirken anschließend wie die Quadratur des Kreises, denn augenscheinlich liebt Gernot Schatzdorfer den Ansatz, es muss sich alles ändern, damit es bleibt, wie es ist. Auch wenn die einzelnen Dialoge gut geschrieben worden sind, wirken einzelne Argumente eher wie Seitenschinder.
Die Außerirdischen sind basierend auf der irdischen Biologie gut beschrieben worden. Ihr Lebenszyklus ist überzeugend und die mittelbare Gefahr für ihre Brut, genau wie die Hilflosigkeit, an dieser Situation etwas zu ändern, erscheint überzeugend. Mit der Idee des Brutsees und dessen Bedrohung hat Gernot Schatzdorfer eine gute Überleitung von der ersten Begegnung zu einer echten Partnerschaft erschaffen, Auch wenn dank der sprachlichen Fähigkeiten eines weiteren Besatzungsmitglieds die Kommunikation bei zwei derartig unterschiedlichen Rassen abschließend relativ einfach ist.
„Der Lindwurmplanet“ ist ein solider, kurzweilig zu lesender Erstling mit einigen kleineren Schwächen – vor allem die finale Selbstrettung und die Begegnung mit der „Albert Einstein“ wirken sehr klischeehaft, aber pragmatisch -, aber auch gut geschriebenen Szenen sowie interessanten, wenn auch teilweise ein wenig steif/ distanziert entwickelten Protagonisten. Wie Dieter Bohns „Der Zefìhl, der vom Himmel fiel“ handelt es sich um Science Fiction aus einer - emotional gefühlt – anderen, vielleicht besseren Zeit, in welcher der Sense of Wonder und nicht Doctor Doom die Literatur beherrschten. Stilistisch ansprechend kurzweilig geschrieben mit einigen wenigen kleineren Überraschungen, aber ansonsten wohlig vertraut.
- Herausgeber : p.machinery; 1. Edition (29. Januar 2023)
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 148 Seiten
- ISBN-10 : 3957653150
- ISBN-13 : 978-3957653154
- Lesealter : Ab 14 Jahren