Jules Vernes Kapitän Nemo Neue Abenteuer 9: Landgang

Thomas Tippner

„Landgang“ setzt unmittelbar an „Tödliches Hongkong“ an und endet sehr offen mit einem Cliffhanger, der bis an den Rand des Klischees ausgereizt worden ist. Thomas Tippner hat wie „Tödliches Hongkong“ auch „Landgang“ geschrieben.

Gleich zu Beginn des Plots kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Kapitän Nemo und seinem Schiffsarzt Vandersteen. Vandersteen möchte, das sich die durch die Kämpfe in Hongkong reduziert Mannschaft erholt, während Nemo wie besessen nach Australien eilen will, um einem Phantom nachzujagen. Diese Diskussion endet mit einer Niederlage Vandersteens, denn die ihm treu ergebenen Männer versuchen möglichst effektiv Nemos Wünsche zu erfüllen. Diese Diskussion ist befremdlich. Thomas Tippner beginnt Nemo als getriebenen Menschen zu zeichnen, der sich weit von dem Unterwasserrächer mit einer dogmatisch zynischen Einstellung entfernt hat. Seine Besatzung ist ihm sklavisch treu ergeben, auf der anderen Seite hat er die Männer auch fair behandelt. Der ganze Konflikt könnte einfach gelöst werden. Wenn Nemo seinen ihm blind vertrauenden Männern das Ziel und die Absicht der Reise mitteilt, werden sich diese zerreißen.

An Bord der NAUTILUS kommt es zu Sabotageakten, welche die Betriebsfähigkeit des Schiffes minimieren. Später gibt es sogar einen Anschlag auf die in Rettungsbooten befindlichen Männer.  In Frage kommt nur der Kapitän Simons, den Nemo aus der Hand des Tigers von Batavia befreit hat. In der Gefangenschaft wurde er gefoltert. Die finale Erklärung wirkt ein wenig an den Haaren herbeigezogen und die Besatzung um Kapitän Nemo reagiert in einem  U- Boot mit überschaubarer Größe relativ langsam,  aber Thomas Tippner inhaltlich auf einem sehr kleinen Raum eine beklemmende Atmosphäre. Hinzu kommt, dass wichtige etablierte Charaktere wie O´Leary noch schwer verletzt sind und bei dem Iren Fall im Koma liegt. Zu den schönsten Szenen gehört das Vorlesen aus „Die Schatzinsel“,  wobei das Buch auch erst in dem Jahr der Handlung dieses Romans erschienen ist. In den Jahren 1881 bis 1882 ist die Geschichte als Mehrteiler in „Young Folks“ abgedruckt worden.  An einer anderen Stelle dampft die NAUTILUS durch den atlantischen Ozean, was bei einer Fahrt von Hongkong nach Australien keinen wirklichen Sinn macht. Kapitän Nemo hat mehrmals betont, einen direkten Weg nehmen zu wollen.

Die Handlung um den Saboteur beeinflusst auch die sich daraus entwickelnden weiteren Spannungsbögen. Ein Teil der Besatzung kommt bei der Abschleppaktion ums Leben, ein anderer Teil wird auf eine Insel in der Nähe verschlagen, wo die Menschen mit einem seltsamen Abkommen leben. Hinzu kommt, das ein berüchtigter Pirat in der Nähe sein Unwesen treibt, ein Besatzungsmitglied der NAUTILUS gefangen nimmt und reiche Beute wittert.

Im Laufe des Buches macht Thomas Tippner aus dem anfänglich herrisch besessenen Kapitän Nemo einen mehr ambivalenten Charakter. So geht es milde mit dem Mann um, der mehr als ein halbes Dutzend seiner Männer auf dem Gewissen hat. Nemo gibt sich die Schuld, wobei Simons aufgesetzt wirkende beeinflusste Motivation ein wenig an den Haaren herbeigezogen ist. Allenfalls kann Nemo die Schuld auf sich laden, den Rammsporn nicht bewacht zu haben. Aber diese Naivität muss man objektiv auch dem Arzt Vandersteen ankreiden, der naiv Simons nicht unter Kontrolle gehalten hat, obwohl sein Verhalten immer seltsamer geworden ist.  An den späteren Folgen der Katastrophe trifft Nemo keine Schuld und dass er in einer – bislang für den Leser erkennbar – aussichtslosen Situation das Ruder bis zum Schluss in Händen halten will, ist wieder der altbekannte Nemo aus den Jules Verne Geschichten. Es gibt auch einen Querverweis auf „Die geheimnisvolle Insel.

Auf der Insel bietet sich mit dem seltsamen Riesen und der Frau,  die eine Art brüchigen Frieden als wichtiger als Gastfreundschaft ansieht, sehr viel  Potential. Das Piratenschiff mit den ein wenig eindimensional gezeichneten Antagonisten wirkt dagegen wieder wie ein Klischee aus einem anderen Jahrhundert. Es bleibt angesichts der zahlreichen offenen Strenge abzuwarten, in welche Richtung sich die Geschichte wendet.

Im Vergleich zum durchgehend hektisch entwickelten Vorgängerroman konzentriert sich Thomas Tippner in „Landgang“ – der Landgang ist nicht unbedingt freiwillig – auf die Stärken der Originalromane und versucht neben den Konflikten außerhalb der NAUTILUS auch die inneren Spannungen besser einzufangen.  Die Struktur und die Dialoge überzeugen deutlich mehr, auch wenn der Hinweis angebracht werden muss, dass es wenig Sinn macht, diese Serie mit dem vorliegenden Buch zu beginnen. Empfehlenswert wäre ein erster  Einstieg nach „Ned Land“ alias Thomas Ostwalds erster Trilogie, wobei rückblickend diese drei Romane noch zu den besten Arbeiten dieser Blitz Serie gehören.  

Band 09, Abenteuer-Roman

Blitz- Verlag
Exklusive Sammler-Ausgabe

www.blitz-verlag.de

Seiten: 166 Taschenbuch

Künstler: MtP-Art (Mario Heyer)
Künstler (Innenteil): MtP-Art (Mario Heyer)