P. Machinery legt im Rahmen seiner Rainer Erler Werksedition eine der bekanntesten „Romanadaptionen“ zusammen mit dem nicht realisierten Drehbuch des von Rainer Erler geplanten Remakes „Spare Parts“ neu auf.
Hinsichtlich des jeweiligen Umfangs der beiden Teilabschnitte dieses Bandes lässt sich erkennen, dass Rainer Erler die Adaptionen seiner Drehbücher in Romanform immer als eigenständige Arbeiten angesehen hat. Der Roman „Fleisch“ ist doppelt so umfangreich wie das Drehbuch von „Spareparts“, das für einen ungefähr neunzig minütigen Film geschrieben worden ist. Die Dialog Anteile zwischen Roman und Drehbuch sind dabei nicht so unterschiedlich, aber im Gegensatz zu den knappen Regieanweisungen konzentriert sich Rainer Erler in der Romanfassung zu “Fleisch” auch auf den American Dream, beschreibt sehr viel detaillierter und konzentriert sich auch auf die Charaktere. Für das Verhältnis zwischen Drehbuch und Filmlänge gibt der Nachdruck des Drehbuches zu „Operation Ganymed“ in dem Rainer Erler Geburtstagsbuch im gleichen Verlag zusätzlich einen guten Anhaltspunkt.
Als Roman erscheint „Fleisch“ zum dritten Mal. 1979 die erste Ausgabe, im gleichen Jahr wie die Ausstrahlung des Films. Siebenundzwanzig Jahre später begann der Shayol Verlag mit der Veröffentlichung einer unvollendeten gebliebenen Werkausgabe, in welcher neben einigen Teilen aus der Reihe „Das Blaue Palais“ auch „Fleisch“ erschienen ist. Jetzt liegt die Geschichte zum dritten Mal gedruckt vor.
Als Film ist „Fleisch“ eine der erfolgreichsten Geschichten Rainer Erler. Mit der damals noch jungen Jutta Speidel in der Hauptrolle lief die Geschichte in 127 Ländern im Kino. In Deutschland strahlte ihn allerdings das produzierende ZDF am 21. Mai 1979 aus. Ab September 1979 lief der Film auch in den deutschen Kinos, für die damalige Zeit ein Novum. Erst im April 2023 kam der Film ungekürzt auf DVD heraus, meistens fehlten in den Fassungen unterschiedliche Sequenzen wie beim ZDF der Vorspann im Musikstudio oder in vielen Kinoversionen die langen Fahrten im LKWs Bill durch die USA mit Endziel New York. In der Buchadaption sind alle diese Szenen enthalten, es fehlt natürlich der visuelle Eindruck der unendlichen Weiten auf den amerikanischen Highways, die Rainer Erler durch seine Dreharbeiten vor Ort beginnend mit der Hochzeitszeremonie an der Universität Princetons und endend im Vergnügungspark auf Coney Island minutiös eingefangen hat. Oliver Schmitz verfilmte die Geschichte 2007 für Pro 7 noch einmal. Das Drehbuch stammte aber nicht von Rainer Erler, sondern Thomas Gaschler verlegte die Geschichte aus den USA nach Südafrika.
Ein Jahr zuvor setzte sich schon sehr erfolgreich der von Michael Crichton inszenierte „Coma“ an den Kinokassen durch. Der Thriller basiert auf dem Bestseller von Robin Cook aus dem Jahr 1977 und könnte Rainer Erler inspiriert haben. Bei Robin Cook kommt es zu mysteriösen Vorfällen in einem OP Raum eines großen Krankenhauses, das zu seltsamen Todesfällen führt und damit zu Organspenden. Rainer Erler hat die Idee mit dem Netzwerk von Sanitätern, die von bestimmten Hotels und Spelunken die unfreiwilligen Spender einsammeln, deutlich erweitert und präsentiert weniger medizinische Details als es Robin Cook in seinem Roman gemacht hat. Bei Rainer Erler folgen die Protagonisten auch dem Weg des Fleisches, während Robin Cook mit den Untersuchungen innerhalb des Krankenhauses und damit eines handlungstechnisch eingeschränkten Ortes sich an der Struktur des klassischen “Who Done it ?” konzentriert hat.
Auch wenn damals die Ärzteschaft gegen die Darstellung des Organhandels mit mafiösen Strukturen protestiert hat, hat die Zeit vor allem in den Entwicklungsländern inzwischen die dunkle prophetische Version Rainer Erlers, aber auch Robin Cooks eingeholt.
Das Originaldrehbuch zu „Fleisch“ liegt nicht vor, aber Rainer Erlers Remake Drehbruch „Spare Parts“ gibt einen guten Einblick in den Unterschied zwischen der Drehvorlage und dem deutlich umfangreicheren Roman.
Monica – im Film von Jutta Speidel gespielt – ist eine Deutsche, die in die USA zum Studieren ausgewandert ist. Auch wenn sie inzwischen in Princeton studiert, fühlt sie sich aufgrund ihres immer noch vorhandenen Akzents zu Beginn der Geschichte in den USA fremd. Sie lernt Mike kennen, einen attraktiven wie sportlichen Studenten, gespielt von Herbert Herrmann. Mike umgarnt sie und schließlich heiraten sie. Das Leitmotiv ist ein Countrysong, den seine Freunde für Mike und Monica geschrieben haben, in dem es um den Wert eines menschlichen Körpers geht. Die Freunde meinten es im übertragenen Sinne, aber „Fleisch“ wird mehr und mehr zu einer Ware, zu einem leblosen entmenschlichten Gegenstand für einige wenige Begüterte, auch wenn Rainer Erler diese Organhandelskette nur zu einem bedingten Ende durchspielt. Wie in einigen anderen seiner Filme wie „Plutonium“ oder „News- Bericht über eine Reise in eine strahlende Zukunft“ bleiben die Hintermänner im Dunkeln. Sie sind gut vernetzt und agieren global. Aber weitere Informationen gibt Rainer Erler nicht preis.
Auf ihrer Hochzeitsreise durch die USA – die gleiche Bildabfolge wird Rainer Erler in „Spare Parts“ aus einer gänzlich anderen Perspektive darstellen – landen sie schließlich in einem billigen Hotel mit einer Flatrate und Kaffee gratis. Beim Spaziergang durch die Wüste New Mexicos wird Mike von einem Rettungswagen mit Sanitätern entführt, während Monica leicht bekleidet in die Wüste flieht. Die Szene mit der verfolgten Monica bildet das Leitmotiv auf dem Filmplakat, das auch das Titelbild dieser Edition bildet. 1990 wird Larry Cohen mit „Ambulance“ einen weiteren Beitrag zum Medizinhorrorthriller drehen, der bezeichnenderweise in New York spielt. Der Endpunkt von „Fleisch“. Bei Larry Cohen werden Patienten und Patientinnen von einer allerdings antiquiert wirkenden Ambulanz auf den Straßen New Yorks eingesammelt und schließlich zu einem geheimen Ort transportiert, wo sie illegalen medizinischen Experimenten unterzogen werden sollen. Aber einige Szenen in dem Film „Fleisch“ und „Ambulance“ ähneln sich.
Aber Monica ist noch weit von New York entfernt und der einzige Ort, an den sie vorläufig zurückkehren kann, wäre das schäbige Hotel, in dem sie ein Zimmer gemietet haben. Dort sind ihre Sachen und der Wagen weg. Die Wirtin behauptet, sie nie gesehen zu haben. Monica versucht der Wirtin die Situation zu erläutern, sie steckt aber mit den Entführern unter einer Decke und gemeinsam versuchen sie, auch Monica gefangen zu setzen. Ihre zweite Flucht endet vor der gigantischen Kühlerhaube eines Trucks, gefahren von Bill, der aus Polen eingewandert ist und den amerikanischen Traum als Selbstständiger mit harten Zeitplänen und Stress lebt. In „Spare Parts“ wird Rainer Erler die potentiellen Zuschauer deutlich mehr manipulieren, denn Monica hat gleich zu Beginn des potentiellen Films Angst vor den Trucks und ihren Fahrern.
Im vorliegenden Roman entwickelt Rainer Erler den Hintergrund seiner Figuren deutlich besser. Nur Mike bleibt das Abziehbild des amerikanischen Studenten, der weniger an der UNI denn mit seinen sportlichen Leistungen im Universitäts- Football Team überzeugt. Monicas Lebenszeit wird kurz während der Kennenlernphase mit Mike skizziert und Bill erhält unmittelbar vor Beginn der Verfolgungsjagd einige Szenen, in denen Rainer Erler seinen Charakter entwirft.
Bill nimmt die halbnackte Monica in seinem Truck mit. Es dauert länger, bis er das Vertrauen der Frau gewinnt und an ihre unglaubliche, kaum zu beweisende Geschichte glaubt. Er beschließt aus einem Impuls heraus, ihr bei der Suche zu helfen und gemeinsam müssen sie den Weg gehen, den Mike wahrscheinlich genommen hat. Eine Idee, die George Sluizer in „The Vanishing“ zu einem deutlich bitteren Ende gebracht hat.
Sowohl der Film als auch der Roman sind stringent und spannend aufgebaut. Rainer Erler legt im Buch noch mehr Wert auf die Charakterisierung der handelnden Personen; die Interaktion und vor allem das teilweise auf Zufälligkeiten, dann wieder auf vielschichtigen Plänen aufgebautes Handeln der Protagonisten. Die größte Schwäche ist die finale Wendung, in welcher Bill, Monica und Mike schließlich unerwartete Hilfe bekommen. Rainer Erler hat zwar impliziert, dass es sich um keine Überraschung handelt und ein Kronzeuge schon vor Ort ausgesagt, sich dann in Richtung New York in Bewegung gesetzt und schließlich die drei gerettet hat, aber dieser Höhepunkt folgt einer konstruierten Last- Minute Rettungsaktion, an welche sich eine rasante Verfolgungsjagd mit tragischem Ausgang anschließt. Der tragische Ausgang ist nach der Wandlung eines Antagonisten inklusive des rührseligen Motivs in doppelter Hinsicht bemerkenswert. Wie in einigen anderen Fällen stehen die Ordnungshüter im übertragenen Sinne mit leeren Händen da.
Die New Yorker Szenen wirken alle deutlich chaotischer und improvisierter als die anfängliche Suche nach der Ambulanz und vor allem auch dem Anfang des roten Fadens, der hoffentlich zu Mike führt. Sie sind ohne Frage spannend und teilweise emotional überzeugend. Auch die Dramaturgie und die einzelnen Abläufe mit eher rudimentären Informationen für die Charaktere und damit auch die Zuschauer bzw. Leser sowie einige vor allem visuelle Überraschungen bzw. Paukenschläge - in Rainer Erlers Original übernimmt Charlotte Kerr eine wichtige Rolle - funktionieren, aber beginnend mit dem Betreten des ersten Krankenhauses in Roswell Krankenhauses verhalten sich die einzelnen Protagonisten derart auffällig, derart naiv mit ihrer Suche nach dem Abnehmer des “Fleischs”, dass einige international, straff organisierte und vor allem auch vielschichtig agierende Gruppe Bill und Monica als Eindringlinge, als Gefahr ansehen muss. Daher ist der eigentliche Flug nach New York auf der einen Seite konsequent, auf der anderen Seite muss Rainer Erler wieder die Fahrlässigkeit der Gegner missbrauchen, damit die Protagonisten eine bedingte Chance haben, an welche sich die schon angesprochene “Deus Ex Machina” Wendung anschließt. Im Film wirken die Szenen sehr wahrscheinlich anders als in diesem sehr minutiös konstruierten, bei den Beschreibungen auch ausführlichen Thrillerroman.
Das Gegenteil ist zu Beginn der Fall. Die Trucks, die amerikanischen Weiten und ein Hauch von Sam Peckinpahs “Convoy” bestimmen die Szenerie. Die Ähnlichkeit mit einer Szene aus dem Film ist frappierend. “Convoy” lief Mitte Juni 1978 in den deutschen Kinos, wahrscheinlich tüftelte Rainer Erler schon an seinem Drehbuch oder war am Drehen.
Die Idee von Bill - Monica läuft eher widerwillig mit - , dem Weg Mikes zu folgen, überrascht erst die Zuschauer. Sie ziehen wieder ins Hotel, trinken zwar keinen Kaffee mit Betäubungsmitteln, lassen sich aber von der Ambulanz abholen. Die Leser bzw. Zuschauer sehen, wie sie sich in Lebensgefahr bringen. Durch die Vertrautheit mit der Geschichte wirken diese Szenen vielleicht heute eher spannend als damals Furcht erregend, weil Rainer Erler die Idee der Ambulanz, der Sanitär und damit auch Ärzte pervertiert. Mit einer metaphorischen Kamerafahrt öffnet Rainer Erler anschließend das Szenario und zeigt auf, dass sich die Beiden zwar nicht in Gottes Schoß, aber unter kontinuierlicher Kontrolle befinden. Bis zum dramatischen Höhepunkt auf dem Highway (to Hell).
Auch als Roman überzeugt “Fleisch”. Vielleicht noch mehr als der markante Kinofilm. Rainer Erler kann seinen Figuren ein Leben abseits der innerhalb einer Woche spielenden Handlung geben. Mittels innere Monologe lernt der Leser Monica besser kennen, als es das hohe Tempo des Films ermöglicht. Die Freundschaft aus dem Nichts zwischen den beiden Europäern, den Außenseitern des American Dream auf ihrer platonischen und doch emotional nicht kitschigen Ebene entwickelt sich im Roman deutlich besser. Rainer Erler beschreibt die kleinen Gesten, aber auch die Überraschungen auf dem Weg. Bills Entschlossenheit, das eigene Leben für oder besser wegen einer Ungerechtigkeit möglicherweise zu opfern. Bill ist ein freier Trucker, aber kein Kamikaze-Pilot. Auch die Schurken sind meistens ambivalent gezeichnet. Die Strippenzieher bleiben gesichtslos im Hintergrund, aber die erste und zweite Hierarchie Ebene sind Täter und Opfer zu gleich, deren Organhandel nur in einem scheinbar perfekt strukturierten Gesundheitssystem funktioniert, das auf Kontrolle und Effizienz bei höchster Geschwindigkeit basiert. Wie in jedem System gibt es entsprechende Lücken, menschliche Fehler, was die Leute mit ihren aktiven Entführungen kerngesunder Menschen zwischen den ganzen Unfallopfern und “normalen” Organspendern ausnutzen. Rainer Erler zeigt nur einen kleinen Ausschnitt, konzentriert sich auf ein Motel und zwei Krankenhäusern, er deutet aber an, dass es eine ganze Kette, fast schon eine Krake ist, welche das Land durchzieht und nach Spendern suchen, die irgendwo und irgendwie schon ohne Vorkontrolle passen werden. Fleisch braucht nur transportiert, aber vorher nicht geprüft werden. Das ist die zynische Botschaft dieses Films, der vom ersten Augenblick mit dem Hochzeitslied beginnend deutlich macht, dass ein menschliches Leben für irgendeinen auf dieser Welt immer einen Wert hat: den Wert seines gesunden Körpers in unzureichend viel Geld aufgewogen. Das Leben ist in diesem Fall nichts wert.
Der Roman “Fleisch” entstand nach dem Drehbuch und wahrscheinlich auch im Anschluss an die Dreharbeiten. Das Drehbuch zu “Spare Parts” entstand 2001 und sollte das Remake sein. Der Verlag merkt eine wichtige Sache an. Im vorliegenden Drehbuch hieß die weibliche Hauptfigur Jessica, an einigen Stellen findet sich der ursprüngliche Name Monica. Das kann Fahrlässigkeit Rainer Erlers sein, aber auch mit den Ähnlichkeiten zwischen den beiden Drehbüchern, basierend auf einem Vergleich mit der Romanvorlage.
Technisch auffällig ist die Tatsache, dass sich in “Spare Parts” wie in der Romanvorlage einzelne Sequenzen finden, in denen kurz zum betäubten Mike und der Begegnung mit den Ärzten/ Sanitätern, umgeben von einer Vielzahl medizinischer Geräte über geblendet wird. In der ersten Fassung - basierend auf dem ungeschnittenen Film, veröffentlicht als DVD bei Filmjuwelen - erfährt der Zuschauer lange Zeit nichts von Mike Schicksal. Eine Idee, welche Sluizer in “The Vanishing” übernommen hat. Dadurch zeichnet “Fleisch” ein deutlich höheres Tempo, eine Fokussierung auf Monica als eine “Kraut”, eine Fremde in einem Land aus, das ihr weiterhin nur rudimentär bekannt ist und das seine grässliche Fratze erst zu zeigen beginnt. Das Thema Nationalität wird in “Spare Parts” eher begrenzt gestreift. Zwar erwähnt Bill das er polnische Wurzeln hat und Jessica auch gegenüber der Wirtin, dass sie eine Deutsche ist, damit diese sie wiedererkennt, aber vor allem im vorliegenden Roman Fleisch ist die Beziehung der Charaktere zu ihren jeweiligen Heimatländern deutlich stärker und Rainer Erler macht deutlich, dass Bill Monica vor allem hilft, weil sie wie er aus einem fremden Land in die USA eingereist ist. Die Sympathie ist stärker als zu einer Amerikanerin, auch wenn Bill diese Tatsache an keiner Stelle offen ausspricht.
Auch wenn Rainer Erler inhaltlich zumindest der Romanvorlage bei seiner Remake Idee folgt und mehr als zwanzig Jahre nach dem Original plötzlich ein wenig hinter der Zeit erscheint - weiterhin kein Internet, keine Handys und keine Tracker - , lässt die Veröffentlichung von Romanvorlage und Drehbuch auch einen Blick in seine Arbeitsweise zu. Das Buch ist deutlich ausführlicher, auch wenn sich alle Szenen des Buches im Film “Spare Parts” wiederfinden. Rainer Erler versucht mit schnellen Schnitten, wechselnden Perspektiven und vor allem einer visuell unterstrichenen Kommentierung des aus seiner Sicht inzwischen amerikanischen Alptraums Stimmung zu erzeugen, welche dem paranoid wirkenden Inhalt seines Thrillers entspricht. In “Fleisch” hat der Leser noch das unbestimmte Gefühl, als zeichne Rainer Erler bezüglich des Hintergrunds der Geschichte das Portrait des amerikanischen Traums, in dem ein Mann aus einfachen Verhältnissen wie Bill sich mit harter Arbeit etwas erschaffen kann. Dazu die unendlich wirkenden Weiten der Highways, die Country Musik, welche im Hintergrund die Geschichte durchzieht. In “Spare Parts” wirkt alles deutlich hektischer, konzentrierter und vor allem auch effektiver, wobei Rainer Erler die Zufälligkeiten seines ersten Drehbuchs nicht beseitigt und die Geschichte - wie angesprochen - deckungsgleich verläuft.
Überraschend ist, mit wie wenigen Dialogen Rainer Erler auskommen möchte. In seinem Geburtstagsbuch befindet sich das realisierte Drehbuch zu “Operation Ganymed”, in dem Rainer Erler sich vor allem auf Dialoge und nur wenige Schnitt bzw. Kameraanweisungen konzentriert hat. In dieser Hinsicht ist die Romanfassung neben den deutlich ausführlichen und dem Medium geschuldeten Hintergrund Beschreibungen dem Drehbuch überlegen. Einzelne Dialoge sind allerdings dem originalen “Fleisch” Drehbuch entnommen, wurden dann in die Romanfassung übertragen und finden sich in “Spare Parts” wieder.
Natürlich sollte man etwas Gutes nicht unbedingt kaputt machen, aber im direkten Vergleich zwischen den beiden hier vereinten, aber für unterschiedliche Medien ursprünglich geschriebenen Werken gibt es keinen Grund, den überzeugenden ersten Film auf diese Art neu zu verfilmen. Da ist das nicht von Rainer Erler zu verantwortende Remake mit der Verlagerung der Handlung nach Südafrika deutlich mutiger, aber als Gesamtwerk betrachtet auch deutlich schwächer, mechanischer und weniger wegweisend als es der erste Film gewesen ist.
“Fleisch” ist über vierzig Jahre nach der Entstehung des Drehbuchs/ Films und damit des Romans immer noch eine beeindruckende Geschichte. Der Film bildet den vorläufigen Höhepunkt seiner Science Fact Thriller Karriere. Die nächsten fünf Jahre bis “Das schöne Ende dieser Welt” sollte sich Rainer Erler vor allem auf Satire konzentrieren.
Auch wenn es Ähnlichkeiten zu “Coma” gibt, dominieren die grundlegenden Unterschiede. Vergleicht ein Leser die beiden Bücher und nicht die Filme, dann erweist sich Rainer Erler zusätzlich als der bessere Autor, der sich gut in seine Figuren einfühlen kann. Ein Manko, das einigen seiner Filme manchmal vorgeworfen wird. Der schmale Grat zwischen Gewinnoptimierung durch eine ungerechte Verteilung der seltenen Organe ist damals wie heute angesichts der leeren Kassen der Krankenhäuser und dem entsprechenden Krankenhaus Tourismus ein weiterhin sehr aktuelles Thema. Rainer Erler macht deutlich, dass Geld den Tod nicht abschließend besiegen, aber das Leben gegen bestimmte Arten von Krankheiten “absichern” kann. Zu Lasten anderer hilfloser Menschen.
Rainer Erler
FLEISCH
AndroSF 192
p.machinery, Winnert, April 2024, 416 Seiten, Paperback
ISBN 978 3 95765 392 5 – EUR 22,90 (DE)

