Janus

Michael Siefener

„Janus“ ist der fünfte fantastische Roman Michael Siefeners, der in seiner zweiten Heimat - die Eifel - spielt. In einzelnen Punkten bzw. Charakteren hat der Autor die  Romane auch miteinander verbunden. So lässt er Lioba Heiligmann – die Antiquarin aus „Das Schattenbuch“ , dem vorletzten in der Eifel spielenden Roman aus seiner Feder – ordentlich leiden, bis sie dem immer verzweifelter werdenden Antiquitätenhändler Anton Wierich einen Hinweis gibt.

„Janus“ ist deutlich brutaler als einige andere Michael Siefener Romane. In vielen seiner Bücher baut der ehemalige Jurist und Übersetzer die bedrohliche Atmosphäre subtil auf, wie ein Spinnennetz breitet sich aus, bis die sympathischen Protagonisten nicht mehr entkommen können und wie die Motten zum Licht gezogen werden. „Janus“ wirkt eher wie eine klassische Horrorgeschichte, deren leider im Groben auch mechanischer Ablauf die Leser ein wenig  irritiert. Es finden sich vor allem während des langen Finales einige verstörende Szenen, in denen Michael Siefener H.P.  Lovecraft und seinem kosmischen Schrecken sehr nahe kommt, bis dahin ist es aber ein weiter, erstaunlich einfach gestalteter Weg, der nicht unspannend, aber deutlich weniger packend ist als die Jagd nach verlorenen literarischen Schätzen und die Schicksale von durch die zeit vergessener Autoren.

Anton  Wierich ein Trödler. Seine erste Frau ist vor einigen Jahren an Krebs gestorben.  Aus dieser Ehe hat er  einen pubertierenden Sohn Maximilian. Seine zweite Frau Karla hat einen kleinen Laden, mit dem sie zum Familienunterhalt beiträgt. Antons Sohn hat die zweite Frau niemals akzeptiert.  

Für einen Trödler ist Anton Wierich erstaunlich ehrlich. Bei einer Haushaltsauflösung durch zwei seltsame Brüder kommt er zu spät. Alleine alte Bettwäsche in einem durch Einschüsse zerstörten Schrank – der Vater der Brüder hat dort seine Frau erschossen – bleibt übrig. Zwischen den Bettlaken findet Anton Wierich die kleine Tonfigur des römischen  Gott Janus und ist sofort fasziniert. Normalerweise würde Anton Wierich die Besitzer auf die Figur hinweisen und sie ihnen abkaufen, aber er spürt den Drang, die Figur zwischen den geschenkten Bettlaken heraus zu schmuggeln, sie zu stehlen.

Spannungstechnisch fügt Michael Siefener dem Geschehen relativ schnell eine zweite Handlungsebene hinzu. Noch jemand ist von der Janus-Statue besessen und seit einer eher unbestimmten Zeit auf der Suche nach der Figur. Dabei geht er nicht zimperlich vor.

In der Familie Wierich häufen sich mit dem Einzug der Statue seltsame Vorkommnisse. Ohne in die Details zu gehen, verliert Karla ihren Dackel- er benimmt sich plötzlich wie besessen – und Anton seinen Sohn, nachdem sich dieser an einem der Mobber in der Schule gerächt hat.

Im Gegensatz zu den Lesern macht sich bei Anton und Karla niemand wirklich Gedanken, ob es mit dem Einfluss der Janus Figur zu tun haben könnte. Vielleicht ist der Einfluss der Janus-Statue auch so groß, dass sie den von Schuldgefühlen geplagten Anton unter Kontrolle hat. Karla wird parallel von einem sehr attraktiven Mann abgelenkt, der immer wieder im richtigen Moment am richtigen Ort erscheint und ein phantastischer Liebhaber ist.

„Janus“ macht nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch dem Buch als Titel alle Ehre. Der Roman zeigt sich mit zwei Gesichtern. Zu den größten Stärken Michael Siefeners gehört die Zeichnung von bodenständigen Menschen, denen – wie eingangs erwähnt – etwas Übernatürliches geschieht oder die bei ihren Suchen, basierend auf nachvollziehbaren Motiven, bestimmte Grenzen überschreiten. Bei „Janus“ stehen mehrere Obsession am Anfang der Geschichte. Anton will Janus behalten, sieht in dem Weiterverkauf der Figur eine Chance auf einen großen „Lottogewinn“, später braucht er weniger die Janus Statue als deren Inhalt, um die Schuld an Max reinzuwaschen und seinen Sohn wieder ins Leben zurückzubringen. Basierend auf den subtilen Einflüsterungen des Janus. Karla wird zwischen ihrem phantastischen Liebhaber und dem befriedigenden Sex und der Liebe zu Anton hin- und hergerissen. Den Verlust ihres Hundes hat sie noch nicht überwunden, in diese Wunde schlägt der Mann aus dem Nichts. Maximilian will sich an den Mitschülern rächen, die ihm das Leben zur Hölle machen. Aber Maximilian ist auch der Erste der Familie, der nicht nur reagiert, sondern mit der versuchten Ermordung eines wenig einfühlsamen Lehrers zu agieren beginnt. Es ist Antons Sohn, welcher diese unsichtbare Grenze überschreitet und durch das Scheitern seines zweiten Anschlags bestraft wird.

Hier zeigt sich eine Schwäche des Buches. Maximilians Tod wird schnell als Unfall abgetan, auch wenn die Etiketten der Flaschen ausgetauscht und mittels Kleber befestigt worden sind. Die Polizei hätte bei der Untersuchung des Vorgangs dieses nachträgliche Vertauschen der Beschriftungen merken müssen. Damit wird Maximilian als Opfer nicht unbedingt zum Täter, aber spannungstechnisch hätte eine umfangreichere Untersuchung dem Buch gut getan.

Diese Ausgangsbasis etabliert Michael Siefener auf den ersten einhundert Seiten. Das Tempo des Buches ist von Beginn an hoch. Vielleicht zu hoch, dann der Leser kann sich zu wenig mit den eher pragmatisch entwickelten Charakteren identifizieren. Alleine die Familie Wierich wirkt dreidimensional, aber teilweise auch entlang einer Kette von Klischees entwickelt. Alle anderen Nebenfiguren verschwinden im Tempo des Buches. Wer „Das Schattenbuch“ vorher gelesen hat, wird sich auch bei der Antiquarin Heiligmann wundern, dass sie wieder die distanzierte, sich zickig gebende Antiquarin ist, die vom Übernatürlichen außerhalb ihrer Bücher nichts wissen will. Dabei hat sie zusammen mit ihrem neuen Lebensgefährten – sein Gastauftritt ist eher ein namenloses Cameo – gelernt, wie brutal das Übernatürliche sein kann. Natürlich wirkt das Gespräch mit dem verwirrten Anton Wierich in der beschriebenen Form eher wie eine rote Warnfahne, nicht zu viel zu verraten, aber Michael Siefener überschreitet in dieser Szene auch Grenzen, die es dem Leser nicht mehr möglich machen, Anton Wierich alleine als Opfer des Janus anzuerkennen. Das spiegelt sich während des tragischen Finals wieder. Der Funke will nicht mehr überspringen. Natürlich hat Anton wie Maximilian unter dem Einfluss der Janus Statue und ihres Inhalts gehandelt, aber das wirkt zu simpel.

Mit den Einschüben des Suchenden – er geht nicht weniger brutal  als Anton vor – baut Michael Siefener weitere Spannung auf. Am Ende ist alles Bestandteil eines großen Plans, der allerdings unterwegs auch auf einigen Zufälligkeiten basiert. Ohne Not muss Michael Siefener hinsichtlich des Hauses im Vorort Londons auch noch ein wenig konstruieren, eine nicht komplett und ohne Not durchgeführte Führung hätte das Geschehen wahrscheinlich im Dunklen positiver enden lassen. So wendet sich die Handlung einen Dreh zu viel.

Michael Siefener ist normalerweise ein Freund des subtilen Horrors, der gerne die einzelnen Elemente ineinander fließen lässt. Wie schon angesprochen ist „Janus“ ein deutlich brutaleres Buch, das über einige unangenehme Splatterszenen verfügt. Dafür ist der atmosphärische Aufbau deutlich schwächer, auch der Hintergrund der Eifel mit seinen Besonderheiten kommt kaum zur Geltung. Zwar beschreibt Michael Siefener die einzelnen Fahrten der Protagonisten durch die einzelne Landschaft minutiös und sie lassen sich auch auf der Karte nachvollziehen, aber „Janus“ wirkt deutlich distanzierter, mechanischer und spannungstechnisch konstruierter als einige andere der im KBV Verlag publizierten Eifel Roman Siefener.

Damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, das „Janus“ ein grundsätzlich schlechtes Buch ist. Michael Siefener ist ein Autor, der gut Spannung trotz bekannter Versatzstücke aufbauen kann und der über ein gutes Gefühl für die richtige Balance aus Schockeffekten und Atmosphäre verfügt. Alle Elemente sind im vorliegenden Roman vorhanden und werden eher routiniert als inspiriert ausgespielt. Daher gehört „Janus“ zu den schwächeren Michael Siefener Geschichten, was im Umkehrschluss bedeutet, dass es sich immer noch um eine wirklich gute und kurzweilig zu lesende Horrorgeschichte handelt, deren Finale aber nicht wie beim verstörenden „Ballsaal auf der dunklen Seite des Mondes“ (Michael Siefener präsentiert seine Art von Happy End) oder „Die Stadt der unaussprechlichen Freuden“   im Leser länger nachhallt.     



Janus: Phantastischer Roman aus der Eifel (Schwarze Eifel)

  • ASIN ‏ : ‎ B07VX8VRDM
  • Herausgeber ‏ : ‎ Edition Eyfalia in der KBV Verlags- und Medien-GmbH (31. Juli 2019)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Dateigröße ‏ : ‎ 1806 KB
  • Text-to-Speech (Vorlesemodus) ‏ : ‎ Aktiviert
  • Screenreader ‏ : ‎ Unterstützt
  • Verbesserter Schriftsatz ‏ : ‎ Aktiviert
  • X-Ray ‏ : ‎ Nicht aktiviert
  • Word Wise ‏ : ‎ Nicht aktiviert
  • Haftnotizen ‏ : ‎ Auf Kindle Scribe
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 270 Seiten

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