„Dysis- Sonnenuntergang“ ist der insgesamt vierte und zusätzlich zweite Roman Petra E. Jörns Pentalogie um das Königskinder Liebespaar Chefingenieurin Deidre MacNiall und dem Piloten/ Multifunktionsmutanten McAllister.
Knapp die Hälfte des Buches nutzt die Autorin zur Vorbereitung der eigentlichen Mission. Diese nicht zufriedenstellende Ballance zwischen persönlichen Konflikten, Trennungen, emotionalen Versöhnungsszenen sowie der Integration des Liebhabers/ Verlobten/ Vaters der noch im Mutterleib befindlichen Kinder in den umfangreichen Bruderkreis.
Bis auf MacNialls Schwangerschaft hat Petra E. Jörns die ganzen Karten schon mehrmals im Verlaufe der jetzt vier Romane gespielt. Es zeigen sich deutliche Abnutzungserscheinungen. Hinsichtlich des Zielpublikums stellt sich zusätzlich die Frage, ob Frauen solche zwischen Himmel-hoch-jauchzend und Zu-Tode-Betrübt Charaktere wirklich auf längere Sicht ertragen können. Natürlich baut die Autorin zusätzlich extreme Herausforderungen in die laufende Handlung ein, welche die meisten Partnerschaften weniger schwer belasten, als im Grunde zerstören. Das Spektrum ist reichhaltig. McAllister ist ein Mutant mit besonderen Fähigkeiten. Er kann nicht nur Raumschiffe im Hyperraum bewegen und seine Ein bzw. Austritte sind so elegant, dass seine Lebensgefährtin sich nicht jedes mal übergeben muss. Alleine das ist schon ein Grund, den Mann zu lieben und an der Seite zu behalten. Er gilt als Verräter, weil er seine frühere Freundin als Gentleman gedeckt hat. Auf der letzten Mission zu den Außerirdischen wurde ihm mehr als die „DNA“ gestohlen, auch seine Manneskraft von einer seltsamen Frau namens Hagen. Weiterhin ist er impulsiv, ignoriert militärische Hierarchien und handelt auf eigene Faust. Das ihn nicht alle von Deidre MacNialls Brüdern mögen, steht auf einem gesonderten Blatt und setzt den Blondschopf weiter unter Druck.
So sehr sich Petra E.Jörns auch bemüht, neue Herausforderungen zu erfinden und die Beziehung zu belasten, so mehr fragt sich der Leser, warum die beiden Protagonisten nicht ein kleines bisschen lernen? Es benötigt nicht viel. Alleine ein einzelnes Gespräch von wenigen Minuten könnte eine Reihe vielleicht sogar eine Vielzahl von Missverständnissen gleich zu Beginn aus der Welt schaffen. Auf der anderen Seite würden dann Szenen wie schlagende Türen, weinende Männer, verzweifelte Frauen und schließlich den Kopf in den Schoß legen; das ich liebe Dich hauchen und das durch die blonden Haare mit der Hand fahren fehlen.
Gegen Ende verleiht die Autorin dieser Theatralik zumindest eine tragische Note. McAllister muss alleine eine schwere Entscheidung treffen, deren Auswirkungen zumindest der Epilog überdeckt. Hier macht es sich Petra E. Jörns vielleicht sogar ein wenig zu leicht. Natürlich ist es für einen Mann schwierig, in dieser Situation Entscheidungen zu treffen und die möglichen Konsequenzen abzuwägen. Genauso wenig kann ein Mann letztendlich feststellen, ob die Charakterisierung der Frau in dieser Extremsituation überzeugend ist oder nicht. Dazu fehlen Männern unabhängig von ihrer Emotionalität einfach die biologischen Voraussetzungen.
Aber viele Streitigkeiten wirken vor allem in der ersten Hälfte des Buches unabhängig von den noch anzusprechenden handlungstechnischen Herausforderungen wie eine Art Quadratur des Kreises. Petra E. Jörns scheint den Bogen ein wenig zu sehr zu überspannen. Es ist erstaunlich, dass insbesondere Nebenfiguren wie der gestresste Arzt und die teilweise genervten, dann wieder überraschend jovialen Brüder das alles mitmachen.
Hinsichtlich der einzelnen Handlungsbögen beendet die Autorin einen Problemkomplex - MacNialls Mann wird auch aufgrund der Aussage seiner Frau wegen Vergewaltigung verurteilt, aus der Armee ausgeschlossen und schließlich weggesperrt- während sie einen wichtigen roten Handlungsfaden fast bis in die Unglaubwürdigkeit ausbaut. McAllister war von Beginn des Plots an eine Art Primus-Inter-Pares Pilot, der aufgrund seiner mutierten Fähigkeiten Raumschiffe auf eine besondere Art durch die Weiten des Alls steuern konnte. Deswegen sollte er auch unbedingt an Bord der Nyx sein.
Mutanten kommen eher in den Kolonien denn auf der hierarchisch deutlich oligarchischer organisierten Erde vor. Der Friedensvertrag zwischen der Erde und den Kolonien beinhaltete sogar einen letztendlich gestrichenen Passus, dass alle Mutanten an die Erde ausgeliefert werden müssten. Dort sollten sie getötet werden. Inzwischen stellen Mutanten wie McAllister die erste Linie der Verteidigung gegen die bedrohlichen Aliens dar. Aber McAllisters Fähigkeiten entwickeln sich fast exponentiell. Sie scheinen keine Grenzen zu kennen. Natürlich ist seine Lebensgefährtin inzwischen auch zu einer latenten Mutantin geworden und ihre Kinder würden deren Fähigkeiten auf eine ungeahnte Art und Weise in sich tragen. Diese Entwicklung vom begnadeten und undisziplinierten Piloten McAllister zum Megamutanten und teilweise auch Retter der Menschheit wirkt überzogen. Mit dieser Evolution im Zeitraffer macht es sich Petra E. Jörns allerdings im zweiten Abschnitt des Buches relativ leicht, weil die Kavallerie McAllister notfalls Befehle der Vorgesetzten und mehrfacher Opferung des eigenen Lebens selbstständig Entscheidungen erzwingt.
Wie eingangs erwähnt, beginnt der zweite Handlungsabschnitt , der eigentliche Plot erstaunlich spät. Das bedingt, dass wichtige und deutlich interessantere Informationen gegen Ende des umfangreichen Buches relativ zügig und damit auch nicht in der Gänze zufriedenstellend abgehandelt werden. Beziehungsdramen vor in doppelter Hinsicht Weltenrettung.
MacNiall und McAllister erhalten vom Botschafter der Erdregierung – hier greift die Autorin auf einen charismatischen, aber auch lernfähigen Charakter aus dem ersten Buch zurück und vergisst ihn irgendwann im Laufe der Handlung – das Angebot, ihn zu den Aliens hinsichtlich ersten Gesprächen zu begleiten. Die Aliens bedrohen gleichermaßen die Erde wie die Kolonien, allerdings möchte die Erde eher mit den Fremden gegen die Kolonien zusammenarbeiten. Die politische Motivation ist nicht ganz klar, da er im ersten Buch die Aggression eher von der Erde gegen die Kolonien ausgegangen ist und sich die Waage langsam, aber sicher gegen die neu besiedelten Welten neigte. Ein Hintergedanke ist, dass der sich gerade von seinen schweren Verletzungen erholende McAllister aufgrund seiner Mutanten Fähigkeiten auch eine Lebensversicherung ist. Damit sollte eine Fluchtmöglichkeit genauso offen gehalten werden wie die Abschirmung vor Gedankenmanipulationen durch die Fremden.
Aus diesem Ausgangsszenario entwickelt die Autorin durchaus spannende Momente. Natürlich gibt es Probleme bei den Verhandlungen; natürlich spielt mindestens eine Seite falsch und natürlich wollen die Menschen mehr als Verhandlungen. Vor allem wollen die McAllisters Essenz wieder haben, denn sie fürchten berechtigt, dass die Außerirdischen aus dem genetischen Code die besonderen Mutantenfähigkeiten auslesen und für sich nutzen könnten.
Die Außerirdischen werden deutlich vielfältiger beschrieben. Petra E. Jörns liefert auch eine noch weitere historisch zu extrapolierende Erklärung mit, warum die Fremden nicht nur an McAllisters Essenz so interessiert sind, sondern in der Theorie mit ihr direkt etwas anzufangen wissen. Hier kommt es im abschließenden Roman hoffentlich zu deutlich mehr zufriedenstellenden Erklärungen, da die Charaktere und Leser mit sehr viel mehr nicht beantworteten Fragen als Antworten zurückgelassen wurden. Das bezieht sich nicht nur auf die Intention der Fremden – ein Klassiker, den die Menschen allerdings frühzeitiger hätten erkennen müssen -, sondern auf die eigentliche Herkunft. Der soziale Konflikt innerhalb der Fremden, der Drang nach Individualität statt Nummern hängt bzw. hängen noch in der Luft. Immer wieder verzichtet die Autorin zu Gunsten solide bis gut geschriebener Actionszenen und Verfolgungsjagden, überraschenden Angriffen und Frotenwechseln auf Hintergrundinformationen. Natürlich handelt es sich um eine Miniserie und bis zu einer gewissen Grenze ist diese Vorgehensweise opportun. Aber viele Autoren verpassen den finalen Wendepunkt und stehen schließlich mit einer langen Geschichte voller in der Luft hängender roter Fäden dar. Das wäre in doppelter Hinsicht schade, denn Petra E. Jörns kämpft ja inzwischen an zwei Fronten. Der weiterhin schwelende Konflikt Erde- Kolonien; die potentielle Allianz zwischen der Erde und den verschlagenen humanoiden Fremden, die aus dem metaphorischen Nichts gekommen sind.
In den ersten Romanen der Pentalogie untermauerte dieses gegeneinander abwägende Vorgehen den klassischen Spannungsaufbau. Im vorliegenden vierten Band wäre ein Perspektivwechsel entschlossener durchzuführen. Natürlich unterbricht die Autorin den möglichen Informationsfluss durch das gegenseitige Verraten auf beiden Seiten. Auch innerhalb der menschlichen Delegation gibt es Opportunisten und der Rückgriff auf einzelne extreme Nebenfiguren tut der Handlung gut. Nicht jede Aktion und/oder Reaktion kommt dadurch aus dem Nichts. Allerdings droht dem Leser auch ein Deja Vu, das für die Protagonisten abschließend überraschend kommt, als für die Leser. Figuren wie De Sutton sind neben ihrer Selbstverliebtheit und ihres Sendungsbewusstseins in einer Hinsicht konsequent. Sie agieren immer gleich…. Der Leser kann entscheiden ob dumm, naiv oder stupide geradlinig. Wie vieles in diesem Buch ist es eher eine Frage der Perspektive.
Das deutlich anziehende Tempo, die verschiedenen manchmal fast paranoid wirkenden Verschwörungen zu Gunsten eines eher ambivalenten und teilweise auch sehr schwammig formulierten Ziels und schließlich auch die martialischen Selbstopferungsmissionen eines McAllister zu Gunsten seiner Verlobten und nicht der Menschheit entschädigen teilweise für den wirklich zu ausführlichen, am Randes des nervigen Kitsches geschriebenen ersten Abschnitts der Geschichte.
Wie bei den vorangegangenen Büchern ist es notwendig, die Geschichte in der chronologischen Reihenfolge zu lesen. Auch wenn die Autorin die Leser immer wieder mit eher oberflächlichen Exkursen meistens in Dialogform oder inneren Monologen mitnimmt und auf den neuesten Stand hinsichtlich der Gesamthandlung bringt, lässt sich die zumindest rudimentäre emotionale Entwicklung der Protagonisten am Ehesten durch eine Lektüre aller Romane mit ein wenig Abstand zwischen den einzelnen Romanteilen nachvollziehen.
Wer auf rücksichtslose Space Romanze mit sich ständig gegenseitig quälenden Liebenden steht, wird an den Romanen ohne Frage seine helle Freude haben. Als eher auf klassischen Wurzeln basierende Space Opera präsentiert „Im Licht der Horen“ phasenweise solide bis gute Unterhaltung, unterbrochen durch handlungstechnische Stillstände und jeweils längere Anlaufphasen zu Beginn des zweiten bis vierten Teils, obwohl diese aufgrund des jeweiligen inhaltlichen Überhangs aus dem Vorgängerband nicht einmal notwendig gewesen wären. Vor allem ist aber eines beim Leser in Bezug auf die beiden Hauptfiguren gefragt: Geduld bis an die Grenze der Selbstaufgabe.

- Herausgeber : p.machinery (19. November 2024)
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 484 Seiten
- ISBN-10 : 3957654270
- ISBN-13 : 978-3957654274
- Lesealter : Ab 16 Jahren
