Grabenwelt

Dirk van den Boom

Mit „Grabenwelt“ präsentiert Dirk von den Boom den möglicherweise ersten Band einer neuen Military SF Serie. Der Roman ist in sich abgeschlossen, auch wenn die überlebenden Protagonisten ihren Blick zu den Sternen richten. Daher böten sich Fortsetzungen an.

 Mit „Grabenwelt“ geht Dirk van den Boom aber auch einen mutigen Schritt, denn er muss ein Konzept weiterentwickeln, dass Autoren wie Fredric Brown in seiner Kurzgeschichte „Arena“, aber auch Robert E. Howard in seinem Roman „Almuric“ schon verwandt haben. Von zahlreichen Pulpautoren beginnend mit Edgar R. Burroughs ganz abgesehen.

 Der Protagonist wird aus dem Nichts auf einen fremden Planeten „entführt“ und in einen Krieg geworfen, den er gegen eine ihm unbekannte Macht führen muss. Andere Menschen finden sich in einem vergleichbaren Szenario wieder und hinter diesen den ganzen Planeten überziehenden Kriegsspielen steht eine bislang unbekannte Macht, die sich anscheinend an den perfiden Spielen erfreut. Aus diesem im Grunde mechanisch stereotypen Szenario einen interessanten und vor allem auch originellen Roman zu machen, ist keine leichte Aufgabe. Über weite Strecken gelingt es Dirk van den Boom, die Aufmerksamkeit der Leser zu fesseln, auch wenn er immer wieder in einzelne Flapsigkeiten zurückfällt und manches lieber einzelne Abschnitte seines Buches konstruiert, als sich natürlich wie überzeugend entwickeln zu lassen. Dadurch wirkt „Grabenwelt“ lange Zeit deutlich sperriger als es gegen Ende mit einigen Antworten auf zahlreiche, aber nicht alle Fragen notwendig ist. Hinzu kommt, dass Dirk van den Boom lange Zeit benötigt, um einzelne Charaktere wirklich dreidimensional über ihre pragmatischen Funktionen in diesem Kriegsspiel hinaus zu entwickeln.

 Harald Kramer ist Leutnant, 23 Jahre alt und auf einem Auslandseinsatz im ehemaligen Jugoslawien. Die Soldaten sollen den brüchigen Frieden aufrechterhalten. Zusammen mit seiner Einheit wird er auf einen angeblichen Fund von Munition und Waffen aufmerksam gemacht. Sie finden allerdings nur eine seltsame hölzerne Kiste. Von einem Augenblick zum Nächsten findet er sich auf einer fremden, von Gräben überzogenen Welt wieder.

 Dort leben viele andere Menschen. Sie stammen aus unterschiedlichen Zeiten, können sich aber mittels Technik gut miteinander verständigen. Es sind überwiegend Männer, aber auch einige Frauen wurden immer wieder nach der Begegnung mit einer oder der hölzernen Kiste auf den Planeten versetzt. Das Spektrum reicht von den Römern bis in die Gegenwart, die Harald Kramer vertritt.

 Nach einer kurzen Erholungszeit sollen die Neuankömmlinge an der Seite der Routiniers gegen die enigmatischen Spinnenwesen – Klappentext – kämpfen. Eine Verständigung ist von den Kriegsherren nicht gewünscht. Wer den strengen Regeln zwischen Kampf und kürzeren Erholungsphasen nicht folgt, wird drastisch bestraft.

 Wie es sich für solche Geschichte gehört, muss der bislang anscheinend ewige Kreislauf der Kämpfe durchbrochen werden, damit die Story sich dynamischer entwickeln kann. Die Spinnen tragen ihren neuen, für Kramer ersten Angriff weit in das Lager der Menschen und überrumpeln sie. Zwar gelingt es den Menschen, die Feinde zurückzudrängen und ihnen große Verluste zuzufügen, aber der aufmerksame Kramer ahnt, dass er sich nicht nur mit den Gesetzmäßigkeiten und den Marionettenspielern im Hintergrund vertraut machen muss, sondern das es an ihm und einer kleinen Truppe von Vertrauten liegt, den Kreislauf zu durchbrechen.

 Die Chance, den Planeten zu verlassen und in die eigenen Zeiten auf der Erde zurückzukehren, ist sehr gering. Aber Kramer will unbedingt die Chance verbessern, mehr als nur bis zum nächsten Kampf zu überleben.          

 Dirk van den Boom entwickelt die Grundlagen seines Ausgangsszenarios relativ zügig. Kaum in der neuen, unvertrauten Welt erwacht , wird er – die Leser auf Augenhöhe mitziehend – mit den „Fakten“ konfrontiert. Natürlich akzeptiert er diese nach anfänglichen Zögern nicht in Stein gemeißelt und versucht, aus dem mörderischen Szenario auszubrechen.

 Im direkten Vergleich zu den angesprochenen Geschichten wie Browns „Arena“ nutzt Dirk van den Boom einen ganzen Planeten und rückt die Story ein wenig mehr an den umstrittenen, vielleicht satirisch geplanten „Starship Troopers“ von Heinlein heran. Nur sind es bei Heinlein Soldaten und keine Zwangrekrutierten, die gegen tierähnliche Feinde kämpfen müssen. Nur ist vieles auf diesem Planeten in engen Grenzen geplant, auch wenn Aktion und Reaktion sich beginnend mit dem überraschenden Angriff auf das Lager verschieben.

 Gegen Ende der Geschichte erweitert Dirk van den Boom das Spektrum. Schon früh hat der Autor eine zweite Handlungsebene, die Perspektive der spinnenartigen Feinde, in die Handlung integriert und macht aus diesen leicht als gesichtslos und austauschbar zu kategorisierenden Feinden Wesen mit einer Zivilisation und familiären Strukturen, die interessanterweise über das hinaus reichen, was die Menschen sich in den Lagern aufgebaut haben. Bezeichnend ist, dass die Spinnen Nachwuchs zeugen. Wahrscheinlich ihrer Natur gegeben, während die Menschen über den oberflächlichen Austausch von Zärtlichkeiten auf der Grabenwelt nicht hinaus kommen.

 Mit dem Durchbrechen des Konflikts und der Fokussierung auf einen neuen, anderen Feind verschiebt der Autor nach und nach den Plot, bevor die verschiedenen Konflikte und ihrer den Grabenkriegen des Ersten Weltkriegs entlehnten, aber nur selten darüber hinaus extrapolierten Kämpfe den Leser zu sehr ermüden. Der mittlere Abschnitt des Buches wirkt in dieser Hinsicht ein wenig mechanisch.

 Gegen Ende mit den Geheimnissen der Grabenwelt nimmt die Handlung zwar wieder Tempo auf, der Leser hat aber das unbestimmte Gefühl, als wenn die verschiedenen miteinander verbundenen Ideen nicht gänzlich neu sind. Wie schreibt Dirk van den Boom so trefflich, mehrere Staffeln Star Trek können hilfreich sein. So fühlt sich der Leser auch teilweise, bevor der Autor auf den letzten Seiten den Plot noch einmal nicht grundsätzlich neu, aber anders ausrichtet und die schon angesprochene Basis für weitere Fortsetzungen jenseits der Grabenwelt etabliert.

 Military Science Fiction ist heute kein leichtes Genre. Viele Mechanismen sind etabliert und wirklich neue Plot zu entwickeln stellt höchste Ansprüche an die Autoren. Viele Schriftsteller folgen in Serienform den bekannten Szenarien und tauschen höchstens die Identitäten der Feinde aus. Oder sie verbinden Komponenten der Military Science Fiction mit der Space Romance, wie es momentan Petra E. Joerns in ihrer „Im Licht der Horen“ Pentalogie versucht. Dirk van den Booms „Grabenwelt“ fällt ein wenig zwischen die Stühle. Als Roman per se liest sich die Geschichte kurzweilig und Dirk van den Boom wirkt auch als Autor deutlich fokussierter als bei einigen anderen seiner Serien. In den Tentakel- Romanen versuchte er die Quadratur des Kreises, am Rande der Parodie dieses Subgenres und trotzdem ernsthaft eine immer grotesker, vielleicht auch logisch absurder werdende Handlung zu inszenieren, die ihre Originalität und vor allem auch ihr Tempo im Laufe der Fortsetzungen verloren hat. In „Die Kaiserkrieger“ kann sich Dirk van den Boom vor einem historischen Szenario deutlich freier bewegen und geschichtliche Ereignisse in seine Plots einbauen. Dadurch wirken diese Geschichten deutlich innovativer. „Grabenwelt“ muss sich als Serie wahrscheinlich noch freischwimmen. Als alleinstehender Roman anfänglich trotz zahlreicher Vertrautheiten in seiner Komplexität originell, im mittleren Abschnitt mit zu vielen Längen und einer fehlenden Weiterentwicklung der manchmal eher pragmatisch entwickelten Protagonisten, um zum Ende hin ein weitere, nicht gänzlich unvertraute Komponente einzuführen, die Raum für Fortsetzungen bietet, aber sich auch positiv von den stereotypen Mustern der Military Science Fiction positiver abhebt.   

 

Grabenwelt

  • Herausgeber ‏ : ‎ Atlantis Verlag Guido Latz (26. September 2024)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 336 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3864029546
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3864029547