Die Chronik des eisernen Druiden Band 2 "Verhext"

Kevin Hearne

Verhext" ist der zweite Roman in der Chronik um den eisernen Druiden und seinen sehr langlebigern Wolfshund in der Gegenwart einer modernen USA spielend. In seinem Nachwort spricht der Autor davon, dass er den Roman innerhalb von fünf Monaten geschrieben hat und positiv sieht man ihm das hohe Tempo auch an, während er negativ zu oft auf aus dem ersten Band bekannte Versatzstücke - verschiedene Gottheiten und Hexen brauchen den Druiden, der in erster Linie seine Ruhe haben möchte - zurückgreift und den ganzen Zyklus auch in Hinblick auf die mögliche Auseinandersetzung mit Thor nicht vorantreibt.

Noch stärker als im ersten Band muss die laufende Handlung in einem Kontrast zu den agierenden Personen gesehen werden. Atticus ist ohne Frage Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung. In seinem Schatten ist es sein Hund Oberon, der die meisten Sympathiepunkte einheimst. Seine Kommentare sind lustig und pointiert zu gleich. Dabei spielt es keine Rolle, ob er das Verhalten des Nachbarn - ein Schwachpunkt des Romans - kommentiert oder mit dem Anwalt/ Werwolf Leif diskutiert oder die Bedeutung des Leckerlis im Allgemeinen analysiert. So wünscht sich jeder Hundebesitzer seinen Freund fürs Leben und teilweise darf er sogar aktiv in das Geschehen eingreifen. Vielleicht überspannt Hearse den Bogen, wenn Oberon mit seinem Herrchen die Bedeutung von „Einer flog über das Kuckucksnest“  diskutieren möchte und damit den Rahmen eines latent langlebig gemachten vierpfötigen Freundes verlässt, aber Oberon ist die Figur, welche den Sprung vom ersten auf den zweiten Roman unbeschadet überstanden hat.     

Da wäre der Nachbar, der zu Beginn wie im ersten Roman durch die übernatürlichen Ereignisse geschockt wird. Neugierig fällt er in Ohnmacht, als in „Formicula“ Manier ein gigantisches Insekt durch die nicht zu engen Straßen der Vorstadt geistert. Gegen Ende des Romans stellt sich heraus, dass er in seiner Garage ein ganzes Waffenlager vorrätig hält, mit der er anscheinend Banden versorgt, die Menschen und Waren über die Grenze nach Mexiko schmuggeln. Mit dieser Vorgehensweise schlägt der Autor gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Atticus erhält unauffällig wichtige Waffen, um das Nest der Hexen zu stürmen und die Figur des neugierigen Nachbarn wird diskreditiert. Nur das es sich um keinen Scherz handelt, sondern der Nachbar Verbrechen begeht.

Seine Helferin Granuile – sie will er zu einer weiteren Druidin ausbilden – gewinnt ein wenig mehr an Profil. Natürlich ist sie in Atticus heimlich verliebt, aber zumindest ist sie als Persönlichkeit ausbalanciert genug, in einigen Szenen auch die Initiative zu ergreifen. Atticus und sie entwickeln eine Art Telefoncode, wobei die Verklausulierungen nicht immer gelungen sind und der Sinn in den Sternen steht. Die Polizei hört Atticus nicht ab und die übernatürlichen Gegner können auf andere Mittel zurückgreifen. Im Laden macht sie eine entschlossene Figur und teilweise darf sie zwar nicht in die Schlacht, aber zumindest in die leichten Geplänkel mitziehen.  Granuile ist aber auch die einzige Frauengestalt, die wirklich gelungen ist. Bei den verschiedenen übernatürlichen Interessengruppen verliert Hearne selbst den Überblick.

Die Göttin Morrigan mit ihrer Rabenerscheinung hat ihn im ersten Band beschützt. Dafür fordert sie quasi einen doppelten Lohn. Zum einen beutet sie ihn sexuell aus und „entmannt“ ihn fast. Zum anderen soll er wahrscheinlich im folgenden Band der Serie die goldenen Äpfel aus Asgaard stehlen. Wie einige andere Götter wirkt Morrigan eindimensionaler und klischeehafter als im ersten Roman. Die große Faszination nicht nur dieser Serie, sondern auch Gaimans „American Gods“ war die Tatsache, dass sich legendäre Wesen quasi unter den normalen Menschen bewegen, ihr Leben auf zwei Ebenen verbringen und es immer wieder Konflikte mit den Amerikanern gibt. Dabei stimmte die Mischung aus subversiven, nicht immer kritischen Humor und den Konflikten, die der Leser sonst nur in den Sphären der Comics und inzwischen Verfilmungen vor möglichst fiktiven Hintergründen kannte. Ohne Frage hat Hearne diese Distanz durchbrochen, er legt aber im vorliegenden Band zu wenig nach. Während Morrigan mit ihrer dominanten und arroganten Art noch erträglich ist, wird die gerade verwitwete und nicht weniger an seinem Körper oder Geist interessiert Brighid brüskiert. Irgendwo im Verlaufe der auf mehreren Ebenen deutlich stringenteren Handlung nähert sich Hearne zu sehr dem Niveau einer amerikanischen Soap Opera an und verliert die seit Jahrtausenden andauernde Macht dieser überirdischen Kreaturen aus den Augen. Zwar ist es interessant, dass seine Götter – insbesondere die Frauen – auch weiblich sind und ihren Stimmungen/ Emotionen unterliegen können, aber es wirkt zu erzwungen, zu wenig natürlich. Diese mächtige Brighid verhält sich auch angesichts der Tatsache, dass sie vordergründig Atticus zu ihrem Mann machen wollte – überzeugende Begründung Fehlanzeige – wie ein kleines Kind inklusiv Feuerstoß, als sie erfahren hat, dass Morrigan mit körperlichstem Einsatz schneller gewesen ist. Das wirkt auf der einen Seite oberflächlich belustigend, setzt sich aber auf der entscheidenden anderen Art und Weise nicht mit der Persönlichkeit der Göttin und Atticus Stellung auseinander. Je länger „Verhext“ geht, um so deutlich versucht der Autor herauszuarbeiten, dass der letzte Druide im Kampf Götter untereinander oder Hexen gegen alle, vom Werwolf gegen Thor ganz zu schweigen nicht nur das Züglein an der Waage ist, sondern unverzichtbar wird. Das erscheint übertrieben.

Ein roter Faden ist die Bedrohung durch „Hexen“. Zum einen soll er von einer Gruppe von Hexen zur Tötung einer besonders aggressiven Art von „Nazi“ Hexen – der Rückblick wirkt angesichts der leichten Kontexts des ganzen Buches auch störend – animiert werden, die sich in Amerika plötzlich breit machen. Der erste Anschlag endet in einem Massaker, bei dem mehr als zwanzig Unschuldige – es sind zwei Polizisten und ansonsten reiche somit von Geburt an auf einer anderen Ebene schuldige  Yuppies – ums Leben kommen. Für die finale Auseinandersetzung auf den letzten dreißig Seiten braucht Atticus auch die wenig übernatürlichen Waffen, um diese Problem endgültig zu beseitigen. Selbstironisch agieren die Hexen als übernatürliche „Berater“, die davon leben, das Geld Menschen ohne Gegenleistung aus der Tasche zu ziehen. Wie normale Unternehmensberater. In diesem Punkt füttert Hearse wieder die Klischees und hat die Lacher der Leser wahrscheinlich auf seiner Seite. Die anderen, doppelt bösen Hexen bedienen sich ohne Entschuldigungen direkt. Atticus steht seiner Auftraggeberin Malina skeptisch gegenüber. Als Druide, der ebenfalls in den alten längst vergessenen Künsten bewandert ist, misstraut er ihnen grundsätzlich und zeigt damit seine eigenen Vorurteile.  Unabhängig von den durchgehend sexistischen Betrachtungen der ihn kontinuierlich sexuell  reizenden Hexen, Feen oder Göttinnen. Diese Wiederholung fließt in das fast jugendlich pubertär wirkende Erscheinungsbild seiner unsterblichen Frauen ein, von denen der Leser das Besondere „mehr“ erwartet.

Im Gegensatz zu Atticus, der manchmal unfreiwillig interessierten Frauen seinen nackten Körper zeigen muss, ist Hearse eher sexistisch eingestellt. Sex nicht immer in Vollendung, aber zumindest überdurchschnittlicher Fasson ist für ihn genauso ein Mittel zum Zweck wie Schönheit von Frauen in erster Linie eine typische Ablenkung ist. Bis auf seine Assistentin sind auch alle Frauen verschlagen, egoistisch und „böse“. Sie nehmen ihn als williges naives Opfer für Selbstmordkommandos und wenn er es am Ende überlebt, sind sie bis zur nächsten Mission fast enttäuscht. Da Hearse im ersten Band der Serie den ungewöhnlichen Hintergrund entwickeln wollte und konnte, wirken sich diese charakterisierenden Schwächen erst im vorliegenden „Verhext“ aus. Atticus ist an keiner Stelle wirklich „verhext“, während er in „Hounded“ zumindest heimgesucht und verfolgt worden ist. Trotz der eingeschränkten Möglichkeiten und den Versuchen der Hexen, ihn zu beseitigen, kann er agieren und nicht nur reagieren. Sein magisches Amulett sollte ihn gegen die Versuche der Hexen mittels Haaren und Haut eine Verzauberung zu erreichen, schützen. Teilweise funktioniert ist, dann wieder nicht. Ja nach Ausrichtung der einzelnen Teilsegmente des Plots. 

Es ist der Mittelteil, welcher sich hinzieht. Neben dem dümmlichen Auftreten gegenüber den Polizisten, die ihn berechtigt hinsichtlich des Anschlages auf die Yuppiedisko als Mittäter verdächtigen, ist es der Running Gag mit den wieder angewachsenen Ohr – kein Leser wird vom Ende wirklich überrascht -, der ihm das Gefängnis erspart. Nur schade, dass Atticus sich nicht mit Taktik und Erfahrung aus den einzelnen Klemmen befreit, sondern in erster Linie dank des Faktors Zufall immer wieder mit leicht angesengter Haut nach Hause kommt. Wo ihn sein Anwalt/ Werwolf mit einer eigenen Mission erwartet. Hinzu kommen der Rabbi mit seinem Helfer und ihrem ungesundenen Interesse für seltene Bücher, die gegen Ende des Romans sogar belehrend in die Handlung eher oberflächlich eingebunden worden sind.

„Verhext“ setzt den leichten, insbesondere hinsichtlich innerer Monologe und humorvoller Dialoge Ton des Originals fort. Atticus wird etwas schärfer umrissen. Seine Machohaltung angesichts der drängenden Frauen deutlich gemacht. Als Figur entwickelt er sich allerdings wenig weiter und die meisten originellen Ideen des Auftaktbandes wie das Kraftschöpfen aus der Erde sind vorhanden, werden aber nicht extrapoliert. Als Figur entwickelt sich Atticus bis auf einige die vorangegangenen Ereignisse begleitende Kommentare nicht weiter.  Bedenkt man, dass seine bisher ruhige Existenz im Grunde „zerstört“ worden ist, erscheint die Reaktion zu verhalten. Natürlich hat er wenig Zeit darüber nachzudenken, aber die Fassungslosigkeit des ersten Buches ist dahin. Natürlich erinnert manches positiv an die Harry Dresden Bücher von Jim Butcher oder die Vlad Altos Abenteuer von Steven Brust, aber als direkte Fortsetzung zum wirklich originellen und unverbraucht erscheinenden ersten Band wirkt manches weniger leichtfüßig, weniger anarchistisch improvisiert oder einfach experimentell ausprobiert, sondern gemächlich geplant, zu wenig mit Esprit niedergeschrieben und vielleicht auch ein wenig unter dem starken Zeitdruck, den Hearse in seiner Danksagung anspricht, zusammengesetzt. Es ist eine oberflächlich unterhaltsame Urban Fantasy, die aber nicht die Erwartungen fortschreiben kann, welche „Die Chronik des eisernen Druiden“ bislang erweckt hat.         

Aus dem Englischen von Alexander Wagner (Orig.: Hexed. The Iron Druid Chronicles 2)
1. Aufl. 2014, 362 Seiten, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-608-93932-3

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