Clarkesworld 221

Neil Clarke (Hrsg.)

Auch wenn sich Neil Clarke immer noch ein wenig in der Vergangenheit des Jahres 2024 bewegt, zeigen sich in den 2025er Ausgaben mehr Spuren seiner internationalen Ausrichtung. Neben den obligatorischen Texten aus dem Chinesischen inzwischen eine spanische Übersetzung, im März kommt ein Text aus dem Russischen hinzu. Neil Clarke nimmt eher Bezug auf die jährliche Preisvergabe, wobei aus zwölf Titelbildern fünf herauszustellen, eher absurd wirkt. Auch bei den Kurzgeschichten und Novellen teilt der Herausgeber in verschiedene Kategorien ein. Bei knapp einhundert veröffentlichten Texten pro Jahr wirkt das leider überambitioniert. 

 Kyle Tam geht in seinen langen Artikel auf Tabletop Spieladaptionen von bekannten Fantasy und wenigen Science Fiction Romanen ein. In seinem langen Artikel beschreibt er die Interaktion zwischen den beiden Medien und wie sehr solche Spiele auch Romane beeinflusst haben. Dabei werden ausreichend Beispiele für beide Interessensgruppen ausführlich, aber auch teilweise kritisch vorgestellt.

 In den beiden Interviews geht Arley Sorg auf die Herausforderungen von Herausgebern ein. Dabei spielt es im Grunde keine Rolle, ob es sich um Magazine oder Anthologien handelt. Sean Markey und dave ring sind vor allem Lektoren, Seelsorger und schließlich Herausgeber. Ihr Werdegang wird ausführlich vorgestellt und dient als Grundlage der gegenwärtigen Arbeiten. Dabei sprechen sie nicht nur über die eingereichten Manuskripte, sondern auch die unterschiedlichen Anforderungen und schließlich auch die Möglichkeit, hinter den Kulissen künstlerisch gestaltbar tätig zu sein. Arley Sorg geht bei seinen Fragen auf die Herausforderungen beider Gesprächspartner ein. Interessant sind die langen, sehr offenen Antworten, in denen sich insbesondere Sean Markey immer wieder hinterfragt und die Zufälligkeiten seines Lebens- und vor allem seines professionellen Weges ausführlich darstellt.

 Sieben Geschichten bilden allerdings den Schwerpunkt der zweiten 2025er „Clarkesworld“ Ausgabe. Aus dem Spannischen stammt Rocio Vegas „Bodyhoppers“. Technisch herausfordernd mit wechselnden Perspektiven geht es um den Protagonisten, der in einem neuen, anderen Körper aufwacht und zu seiner Geliebten muss. River hat den Körper gestohlen. Grundsätzlich handelt es sich beim Plot auch um keine neue Idee. Viele Versatzstücke wird der Leser aus anderen Storys kennen. Aber dem Autoren gelingt es, durch die wechselnden Perspektive und die nicht chronologische Erzählstruktur die Leser bei der Stange zu halten. Das ganze Panorama entfaltet sich erst im Laufe der Story.

 In Fiona Moores „King of the Castle“ geht es um einen jungen zornigen Mann, der von einer kleinen Gemeinschaft in einer postapokalyptischen Zukunft unter Kontrolle gehalten werden muss. Der Hintergrund stammt aus „The Spoil Heap“. Es aber nicht notwendig, diese Geschichte zu kennen, um die einzelnen Protagonisten inklusive des Roboters Seamus schätzen zu lernen. Der Plot ist ausgesprochen stringent, es gibt nicht viele überraschende Elemente, aber der Text unterhält durch das hohe Tempo und den vielen Lesern vertrauten Hintergrund trotzdem ausgesprochen gut.

 Somto Ihezue gelingt mit „We Beginn Where Infinity Ends“ ein kleines Meisterwerk. Viele ältere Leser werden sich an den vielleicht heute naiven Optimismus der achtziger Jahre erinnern, in denen selbst kleine Gesten und Handlungen große Wirkungen haben könnten. Die Idee ist so einfach, dass der Leser verblüfft ist. Kinder sabotieren Laternen. Diese Art des Vandalismus hat einen ernsten Hintergrund, denn sie versuchen durch die Dimmern des Straßenlichts die Glühwürmchen zu retten. Natürlich haben sie immer Angst, erwischt zu haben. Aber die Figuren sind in dieser Novelle mit so viel Liebe zum Detail und dreidimensionalen Charakterzügen erschaffen worden, dass sie dem Leser sehr viel länger als die meisten anderen Kurzgeschichten im Gedächtnis bleiben.

 M.L. Clarks „A Planet full of Sorrows“ ist die längste Story dieser Sammlung. Auf einem fernen Planeten werden Spuren einer außerirdischen Zivilisation entdeckt. Verschiedene Gruppe- von religiös bis rein kapitalistisch – versuchen in einem Wettrennen die Welt zu erreichen, um sich die Entdeckung zu sichern. Dabei handelt es sich nur um ein Grab und Körper. Je länger das absurde Wettrennen anhält, desto mehr gibt M.L. Clark vom Hintergrund Preis. Der Plot beginnt sich von einer klassischen Pulp Science Fiction Story mehr und mehr zu verschieben, bis es schließlich um Kritik an der sozial erkalteten Gegenwart mit ihren religiösen Fanatikern, aber auch Kapitalisten geht.

Aus dem Chinesischen ist „The Hanging Tower of Babel“ (Wang Zhenzhen) übersetzt worden. Der Sohn pflegt seinen an Alzheimer erkrankten Vater, der durch seine Arbeit im All niemals wirklich für den Sohn da gewesen ist. Aus Arthur C. Clarkes Buch „Fahrstuhl zu den Sternen“ ist der Lift entnommen worden. Der Vater hat am Turm mitgearbeitet. Inzwischen hat sich die Menschheit von den Sternen abgewandt und sein Lebenswerk soll in dieser melancholischen Novelle abgerissen werden. Die persönliche Ebene steht in einem starken Kontrast zur technischen Konstruktion des Turms, die ausführlich, aber nicht erdrückend beschrieben wird. Der Leser kann sich in den emotionalen Zwiespalt des Sohns einfühlen, dessen Vater die „Stairway to Heaven“ immer ernster genommen hat als das Leben seines einzigen Kindes.

 Louis Inglis Halls „Numismatic Archetypes in the Year of Five Regents“ ist eine humorvolle Miniatur. Die Geschichte wird durch die Beschreibung von insgesamt sechs Münzen erzählt. Jede zeigt einen der Regenten und jeder dieser Herrscher hat sein eigenes Schicksal, wobei das Spektrum teilweise von tragisch bis absurd reicht. Auch wenn die Erzählstruktur clever und interessant ist, macht der Autor aufgrund der Kürze des Textes zu wenig aus der Geschichte. Am Ende ist der Leser enttäuscht, weil zu viele Fragen offen bleiben. Man fühlt sich wie auf einer Münzausstellung, die nur aus dem Aushändigen des Katalogs besteht.

 Claire Jia- Wens „Celestial Migrations“ ist ebenfalls eher eine Miniatur als eine abgerundete Story. Mienenarbeiter im All befinden sich wegen des chinesischen Neujahrs auf dem Rückflug zur Erde. Dabei sehen sie, wie sich Raumkreaturen fortpflanzen. Der Geschichte fehlt ein Prolog, der Epilog wirkt auch sehr abrupt. Viele Informationen bleiben offen. Vor allem leidet die Miniatur unter der oberflächlichen Zeichnung der Protagonisten. In vielen Punkten zeigt „The Hanging Tower of Babel“ trotz einer anderen Prämisse deutlich besser auf, was Familie wirklich bedeutet und das Krisenzeiten im besten Fall verbinden und nicht trennen. Es ist schade, dass diese viel zu kurze Story aus dieser im Grunde perfekten Vorlage so gut wie nichts macht.

 Die Februar Ausgabe von „Clarkesworld“ ist beginnend mit dem guten Titelbild ein solider Auftakt. Humanistische Themen stehen weiterhin im Vordergrund. Dadurch grenzt sich Neil Clarke überzeugend von den anderen Magazinen ab. Dazu kommen die internationalen Beiträge, wobei hier die Qualität ob der Quantität siegen sollte.

 Insbesondere die längeren Texten funktionieren deutlich besser als die Miniaturen, in denen die Plots leider nur angerissen werden.