Der schwarze Stein (Kabinett der Phantasten 120)

Robert E. Howard

Mit der 1931 im Magazin „Weird Tales“ veröffentlichten Hommage an Lovecrafts Cthulhu Kult präsentiert das Kabinett der Phantasten eine der besten Horror Geschichten aus der Feder des späteren „Conan“ Schöpfers. Mit mehr als dreihundert veröffentlichten Geschichten und nur wenigen Romanen fällt es schwer, einen echten Schwerpunkt abseits der Pikten oder Conan, dem Barbaren in seinem Werk zu definieren.  Der Festa Verlag hat aleine eine fünfbändige Hardcoverausgabe mit den Horrorgeschichten Robert E. Howards publiziert. Daher ist der Schrecken kein Unbekannter im Werk des Texaners.

 Robert E. Howard und H.P. Lovecraft korrespondierten über viele Jahre durchaus auch konträr miteinander. Ihr Briefwechsel umfasst mehr als eintausend Seiten und ist von S.T. Joshi editiert als Doppelband erschienen. Beide Autoren schätzen sich auf eine sehr unterschiedliche Art und Weise, wobei Lovecrafts Hauptwerk bestehend aus anfänglich traumartigen Storys auf der einen Seite und  bei Robert E. Howard später mit der Erfindung des Swort & Scorcery Genre sowie handfesten Horror und nicht wie bei Lovecraft psychologischen Horror nicht unterschiedlicher sein könnte. Bis auf den Kurzroman „Almuric“, der auf einem anderen Planeten spielt, ist Science Fiction in fast jeder Spielart kein echtes Thema bei Robert E. Howard gewesen, so dass es wundert, dass die finale Wendung in Lovecrafts Werk hin zur Science Fiction doch Bewunderung beim Texaner hervorgerufen hat.

 Lovecraft hat immer junge und alte Autoren aufgefordert, den von ihm initiierten Cthulhu Mythos zu erweitern. Zu den ersten neuen Autoren gehörten neben seinem späteren Nachlassverwalter August Derleth – zumindest mit Donald Wandrei – vor allem Fritz Leiber, Robert Bloch und mit mindestens zwei längeren Geschichten auch Robert E. Howard.

 Das Nachwort von Heiko Postma ist dieses Mal ein schmaler Grat. Hinsichtlich der Hintergrundinformationen, der verschiedenen von Howard absichtlich übernommenen technischen Aspekte und schließlich der Einordnung der Geschichte in Lovecrafts Mythos werden sehr viele Informationen inklusive der entsprechenden Quellenangaben angeboten. Allerdings muss Heiko Postma auch auf einzelne Aspekte der Handlung eingehen, so dass es sich empfiehlt, den Text doch nach der Kurzgeschichte zu lesen, auch wenn durch die entsprechenden Hinweise und Querverweise eine Lektüre von „Der schwarze Stein“ anschließend an das Nachwort erhellender ist.

 Zwei Charaktere aus Howards Geschichte hat H.P. Lovecraft übernommen. Der die historisch- literarische Krümelspur legende Erzähler von Junzt hatte sein literarisches Debüt in Howards Kurzgeschichte „Die Kinder der Nacht“, die ebenfalls 1931 veröffentlicht worden ist. Lovecraft gab dem Deutschen zwei entsprechende Vornamen – Friedrich Wilhelm – und kümmerte sich ebenfalls um ihn.

 Mehrfach wird der wahnsinnige Dichter Justin Geoffrey erwähnt. H.P. Lovecraft nahm ihn wohlwollend in seine Novelle „Das Ding auf der Schwelle“ – vollendet von Derleth – auf , schenkte ihm ein Todesdatum und erläuterte, wie der Mann, der das „Necronomicon“ im Original lesen konnte, schließlich seinen Verstand verloren hat.

 Mit einem anonymen, eine Warnung an die Welt proklamierenden Ich- Erzähler folgt Robert . Howard den Strukturen Lovecrafts im Allgemeinen und insbesondere auch „Cthulhus Ruf“. Ich- Erzähler sind kein Novum in Robert E. Howards Werk, auch wenn er die dritte Personenebene bevorzugt.

Der Erzähler folgt quasi der Spur des schwarzen Steins, welche ihn nach Europa führt. Da Lovecraft dem verrückten Dichter Justin Geoffrey in seiner Geschichte ein Todesdatum „verliehen“ hat, lässt sich Howards Text in der Theorie auch chronologisch einordnen. Nur waren die politischen Verhältnisse in der zu zuordnenden Zeit anders als beschrieben. Wie Lovecraft unterstreicht Robert E. Howard die phantastischen Elemente mit fiktiven, real präsentierten Informationen, welche Authentizität suggerieren. Dabei greift der Amerikaner nicht nur auf fiktive Werke wie das schon angesprochene „Necronomicon“ zurück, sondern das Werk „Unaussprechliche Kulte“ von dem schon angesprochenen von Junzt.

 Der Ich- Erzähler recherchiert neben verschiedenen literarischen Quellen, auf welche bis auf die „Unaussprechlichen Kulte“ nicht weiter eingegangen wird, vor Ort. Dabei hat der Ich- Erzähler schon eine grundlegende Theorie, welche am Ende durch den Fiebertraum bewahrheitet. Wie Lovecraft verbindet Howard fiktive Bücher, reale Orte und schließlich einen Kult, der einen Gott anbetet, der nicht nur durch sein groteskes Aussehen erschreckt, sondern auch kritisch gesprochen eine Farce sein könnte. Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich Howard bewegt. Cineastisch wird es sicherlich schwierig, diese Kreatur entsprechend darzustellen. Alleine die perfekte Mischung aus Atmosphäre und Paranoia zieht den Leser in diesem nächtlichen Augenblick in seinen Bann.

 Das könnte alles wie eine Ansammlung von klischeehaften Versatzstücken erscheinen. Robert E. Howard geht aber vielschichtiger vor. Die Dorfbewohner sind von mehr als dreihundert Jahren von den angreifenden Türken alle ermordet worden. Was wie die klassische Brutalität von rücksichtslosen Erobern scheint, hat aber einen vielschichtigeren Hintergrund. Ob diese Taten auf Fakten oder Gerüchten basieren, bleibt genauso offen, wie der Blick des Ich- Erzählers möglicherweise in die Vergangenheit oder vielleicht auch – wie die letzten Abschnitte implizieren – in eine dunkle Zukunft, in welcher die alten Götter wieder reagieren. Während Lovecraft bei den Beschreibungen relativ vage geblieben ist, wird Robert E. Howard deutlicher. Das kann die nihilistische Atmosphäre der nächtlichen „Vision“ unterminieren, aber die Vorgehensweise der anscheinend verrückten Priester und ihres Gefolges ist so bizarr, so abschreckend, dass es erstaunlich ist, dass „Weird Tales“ diese Exzesse unbearbeitet abgedruckt hat. Lovecraft ist immer ein Meister der Andeutung gewesen, welche am Liebsten die morbide Phantasie seiner Leser animierte. Das Grauen soll sich im Kopf der Leser ausbilden und möglichst nicht mehr entkommen. Robert E. Howard ist bei seinen Beschreibungen direkter, brutaler und deswegen auch schockierender. Die später aufgefundenen Niederschriften unterstreichen, vielleicht rechtfertigen auch die Vorgehensweise der Türken.

 „Der schwarze Stein“ ist eine dunkle Geschichte. Ganz bewusst mit erstaunlich ausführlichen Erklärungen führt Robert E. Howard seine Leser an der Seite des anfänglich noch selbstbewussten, fast arroganten Ich- Erzählers in das alte, dunkle Herz Europas. Geschickt versetzt Howard Lovecrafts Kult in die Regionen, die eher für Vampire oder Werwölfe zuständig sind. Geographisch ein wenig breit gemalt, aber nicht ganz abwegig. Interessant ist in stilistischer Hinsicht, dass Robert E. Howard mehrmals seinen Protagonisten betonen lässt, dass er es mit eigenen Augen gesehen hat. Diese innere Versicherung, etwas Wahres erblickt zu haben, überwindet die Distanz, die Lovecraft in seinen Texten in Hinblick auf eine historische Wahrheit aufgebaut hat und zieht den Leser wieder direkt in das Geschehen hinein, auch wenn dessen Wurzeln wie schon erwähnt in der Vergangenheit liegen und der Ich- Erzähler sich nicht wirklich sicher sein kann, ob in dieser einen Nacht sich die Anhänger des Kults und ihr Gotte wieder manifestiert haben oder einfach nur die Grenzen aus Zeit und weniger Raum überwunden worden sind. 

 Mit der nächtlichen Begegnung zieht Robert E. Howard auch das Tempo. Bis dahin ist es eine erstaunlich gemächliche Spurensuche mit der Konfrontation zwischen angeblichen Aberglauben – nur geerbt, da alle Bewohner des Tales erst später hingezogen sind – und Albträumen. Es gibt keine äußerliche Bedrohung und Robert E. Howard macht sich einen Spaß daraus,  Geoffreys natürlich fiktives Gedicht mehrmals zu integrieren.

 Aber Robert E. Howard arbeitet auch ein wenig mit Versatzstücken. Auf der einen Seite ist die Geschichte eine glänzende und überzeugende Hommage an Lovecraft und dessen Werk. Selbst in Heiko Postmas Übersetzungen, aber noch mehr im originalen Text erkennt der Leser, wie sich „Der schwarze Stein“ von zahlreichen anderen Howard Geschichten unterscheidet. Der Texaner hat sich bemüht, Lovecrafts im Kern getragenen Stil zu imitieren und den Plot in dieser seltsamen Mischung aus Distanz durch den Ich- Erzähler, der auf Sekundärquellen zurückgreift, und stetig steigender Spannung bis zu einer möglicherweise auf Paranoia/ Alpträumen basierenden Begegnung mit der in einer besonderen Nacht des Jahres aktiven Kult- Vergangenheit zu erzählen. Es fehlt der fiebrige Stil, der Robert E. Howards sonstige Geschichten auszeichnet. Es fehlen auch Howards Überhelden, welche Zauberer/ Magie fürchten, sich ihr aber trotzdem stellen. Howard Ich- Erzähler muss wie Lovecrafts Protagonisten passiv sein. Ein stummer Zeuge; ein Forscher, aber kein muskulöser Überheld. Das wirkt angesichts von Howards umfangreichen Kanon beginnend mit seinen Boxergeschichten und endend mit dem berühmtesten Barbaren der Sword & Sorcery Literatur. Alleine die Angst vor dem Übernatürlichen, vor dem Hexen- bzw. in diesem Fall Hexerwerk verbindet die Howard Helden.

 Auf der anderen Seite wird dem Leser die Götterbeschwörung auch anderen Texten bekannt vorkommen. Die Gestalt der Götter mag sich ändern, die Rituale der Zauberer bleiben irgendwie auch gleich. Aber Robert E. Howard geht einen entscheidenden Schritt weiter und verweigert gemäß der Anlage seines Ich- Erzählers/Protagonisten/ „Helden“ die finale Rettung in letzter Sekunde. Mit dieser Sequenz unterstreicht der Texaner, dass es sich um seine Interpretation, seinen Beitrag zum Cthulhu Mythos handelt, der aber auch eng mit einzelnen Szenen, aber weniger Aspekten des eigenen Werk verwoben ist.

 „Der schwarze Stein“ ist vielleicht hinsichtlich seiner Bedeutung in Robert E. Howards Horrorwerk und vor allem als einziger direkter Beitrag zu Lovecrafts Cthulhu Kult in den Sammelbänden des Festa Verlag durch die Vielzahl der nachgedruckten oder erstmal übersetzten Geschichten ein wenig untergegangen. Daher lohnt sich diese neu übersetzte und mit dem schon angesprochenen sehr umfangreichen Nachwort versehene Neuauflage im „Kabinett der Phantasten“, um das Schlaglicht auf eine der besten Howard Geschichten abseits der Sword & Socrcery in seinem umfangreichen Werk zu werfen. 

Der Schwarze Stein (Kabinett der Phantasten)

  • Herausgeber ‏ : ‎ JMB Verlag
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 4. Dezember 2024
  • Auflage ‏ : ‎ 1.
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 46 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3959450605
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3959450607
  • Originaltitel ‏ : ‎ The Black Stone
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