Die Monster, die ich rief

Larry Correia

„Die Monster, die ich rief“ ist der ersten von bislang fünf veröffentlichten und zwei weiteren geplanten Bänden der „Monster Hunter International“ Buchserie, die Larry Correia vor sechs Jahren im Eigenverlag begonnen hat. Anschließend erhielt er einen Vertrag mit Bean Books, der die Romane allerdings wie auch die deutsche Paperbackausgabe unlektoriert übernommen hat. Zwar gilt die Formel, ein erfolgreiches Buch niemals zu verändern, aber Correia umfangreicher Roman weißt neben den Stärken eines Erstlings – Mut zur Lücke, Experimentierfreude – viele Schwächen eines Debüts – keine geradlinige Struktur, unerklärliche Tempowechsel – auf, die ein entschlossener Lektor ohne Probleme hätte beseitigen können. Vor allem für einen Erstling erstaunlich ist Correias Hang, seine Leser kontinuierlich dank der verschiedenen Protagonisten zu belehren und dabei ganze Kapitel zu verschwenden. Durch diese sich wie ein dicker roter Faden durch den Roman ziehende Vorgehensweise wird das Tempo immer wieder gedrosselt, die Spannungssequenzen unterbrochen und der Leser mit nebensächlichen Informationen förmlich überflutet. Auf der anderen Seite wird die eher spärliche, aber routiniert sowie in Bezug auf die Dialoge selbstironisch erzählte Handlung zu wenig von überzeugend charakterisierten Pro- und ohne Frage viel wichtiger auch Antagonisten unterstützt. Zurückbleibt der Auftakt einer Buchreihe, die in den USA ihr spezielles Publikum gefunden hat und in dieser Nische ohne Frage erfolgreich ist, während viele Leser schon vom falschen deutschen Titel „Die Monster, die ich rief“ irritiert werden. Denn hier werden keine Monster gerufen, sie sind schon seit vielen Jahren hier. Im Mittelpunkt der Handlung steht Owen Pitt, Buchprüfer in einer großen Firma. Sein bislang größter Augenblick – im ersten Absatz angerissen, danach extrapoliert – ist, seinen Chef aus dem Fenster zu schmeißen. Wahrscheinlich die Grundidee, auf welcher Correia seinen ganzen Roman aufgebaut hat. Bei der Extrapolation zeigt sich, dass sein Chef sich nach Feierabend in einen Werwolf verwandelt hat, der seinen Angestellten umbringen wollte. Mit letzter Kraft und dank eines gigantischen Schreibtischs konnte Pitt den Angriff überleben und findet sich jetzt in einem Krankenhaus wieder, wo er Besuch von seltsamen Männern inklusiv einer sehr attraktiven Frau bekommt. Sie stellen sich ihm als Mitglieder der „Monster Hunter International“ Organisation vor, die vor vielen Jahren von einer Gruppe aufrechter Südstaatler im Kampf gegen Vampire als Lynchmob gegründet worden ist. Im Laufe der Jahre ist die Organisation immer weiter gewachsen, bis offensichtlich die Bush Regierung nicht mehr an Vampire – die Rolle haben sie indirekt selbst übernommen – oder Werwölfe glaubte und alles verboten hat. Nur haben die übernatürliche Phänomene nicht aufgehört und jetzt ist „Monster Hunter International“ wieder da. Und sie suchen neue Rekruten, wobei nicht nur steuerfrei sehr gut bezahlt wird, auch die Lebensbedingungen zwischen den einzelnen Einsätzen scheinen mehr als adäquat zu sein. Dabei unterscheidet die Organisation nicht viel von den republikanischen Bushregierungen mit ihrem Waffenfetischismus, ihrer unorthodoxen Vorgehensweise und dem Slogan, dass jeder Nichtamerikaner – der Leser kann sich selbst ausmalen, ob Correia nur Monster damit gemeint hat – ein potentieller Feind ist, der vor Amerikas gigantischen Waffen zu erstarren hat.

Der Bruder vom Heavy Metall Künstler Mosh Pitt braucht angesichts der weiblichen Besucherin Julie Shackleford nicht lange überlegen. Entweder stellt er sich vor, der Freund dieser allerdings gebundenen jungen Frau zu sein oder er starrt sie immer wieder lange und eindringlich an oder er besiegt sie in fast allen Kursen der Rekruteneinweisung. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich anscheinend um Schusswaffen – davon gibt es eine ganze Menge – oder improvisierte Selbstverteidigung handelt. Und diese mangelnde überzeugende Charakterisierung – das Verbinden von einzelnen Adjektiven gehört nicht in die Kategorie Charakterisierung – ist eine der größten Schwächen des Buches. Aus dem Nichts heraus erhält diese langjährige, selbst in Zeiten des Verbots operierende Organisation ein Genie auf einem Silbertablett serviert, das nur über die Erfahrung eines Sportschützen verfügt und ansonsten sich als Buchhalter auch nicht unbedingt Lorbeeren verdient hat. Diese Übersteigerung eines Protagonisten, die Entwicklung eines „feuchten Traums“ Alter Egos nimmt dem Roman im fortlaufend immer phlegmatischer werdenden Handlungsablauf jegliche Glaubwürdigkeit.  Das beginnt schon bei der Ausbildung, wo sich Pitt als natürliches Genie jenseits jeglicher Glaubwürdigkeit entpuppt. Eine Änderung dieser Prämisse hätte die Struktur des schwachen Romans gänzlich zerstört, aber der Leser beginnt sich nach spätestens zweihundert von siebenhundert Seiten zu fragen, warum einen derartigen Überhelden entwickeln, wenn man im Roman an einer Stelle noch Spannung erzeugen will?  Eine Erklärung wird nachgeschoben. Anscheinend hat sich in Pitts Gehirn eine Art ewiger Jude eingenistet, der ihn wie der Extrasinn in der „Perry Rhodan“ Serie anleitet und ihm hilft. Wäre es nur so. Die einzige Hilfestellung ist, durch die Augen der Feinde zu sehen und dadurch vielleicht seine Pläne im Vorwege zu erkennen. Nur agiert Pitt nicht im Sinne seiner überdurchschnittlichen Intelligenz. Da wird er plötzlich fast alleine im Lager der Feinde abgesetzt, aus aufgestellten Fallen kann er sich selten alleine befreien und seine Kommandoaktionen sind ausschließlich nach dem Zufallsprinzip aufgebaut. Keine solide Planung von oben aus der hierarchischen Ebene, keine Entwicklung von Szenen über mehrere Kapitel und vor allem keine Aktion als die stetig zu spät kommende Reaktionen. Die Grundidee hinter Pitts Charakter stehen in einem beschämenden Kontrast zu den Aktionen des angeblichen Monsterjägersuperhelden.      

Seine ausschließlich im beruflichen Sinne Partnerin Julie Shackleford ist genau eindimensional gezeichnet. Lara Croft lässt grüßen, wobei unerklärlicherweise diese attraktive wie intelligente Frau mehr und mehr in den Bann des langweiligen und dumme Sprüche bringenden Pitt fällt. Das ihr Freund als Mitglied des Teams nicht begeistert ist, wird angerissen, aber nicht weiter extrapoliert. Zwischen den beiden Figuren baut Correia keine Chemie auf, die Dialoge sind dümmlich, die zwischenmenschlichen Handlungen Klischees. Natürlich ist es schwierig, zu Beginn einer Serie nicht nur den Hintergrund zu entwickeln, die neuen Charaktere dreidimensional zu erschaffen und dann auch noch die Handlung voranzutreiben, aber „Die Monster, die ich rief“ ist auf allen drei Ebenen unterdurchschnittlich. Der Leser beginnt bis auf Pitt und Shackleford relativ schnell alle anderen Figuren zu vergessen, die sind förmlich austauschbar. Natürlich lässt Shacklefords Freund Pitt für tot gehalten am Einsatzort zurück. Nicht nur wegen möglicher Eifersüchteleien kann der Leser ihm verzeihen, jedes andere Teammitglied hätte aufgrund des unerträglich arroganten und selbst verliebten Charakters ähnlich gehandelt.  

Bei den Antagonisten ist es ein wenig anders. Der Werwolfchef kann zumindest einige dumme Sprüche von sich geben und die Gefahr des Alten – von sieben Werwölfen in die USA transportiert -  erinnert ein wenig an die klassischen, aber auch klischeehaften Lovecraft Geschichten. 

Eine weitere Schwäche des Romans ist, dass Correia im Grunde mit den übernatürlichen Figuren nicht viel anfangen kann. Er kennt sich in diesem Subgenre auf einem „Van Helsing“ – der Film und nicht die Figur an sich – aus und hat als Antwort auf jede Bedrohung eine Erweiterung des Waffenarsenals im Köcher. Der Waffenfetischismus ist aufgrund der dümmlichen Dialoge sehr viel leichter zu ertragen. Die einzige Antwort scheint eine größere Waffe zu sein. Obwohl die Actionszenen durchaus interessant und intensiv geschrieben worden sind, macht Correia am Ende einen Kardinalfehler. Anstatt den Leser ins Geschehen einzubeziehen, verdrängt er ihn durch die passive Erzählstruktur förmlich aus dem Plot und das überdrehte Geschehen läuft wie auf einer weit entfernten Leinwand mechanisch ab. Hinzu kommt, dass den einzelnen Szenen Originalität fehlt. Correia wiederholt sich relativ schnell zu oft und zeigt seine literarischen Schwächen. In den Actionszenen erinnert „Die Monster, die ich rief“ eher negativ an ein Videospiel, in dem es eher auf Geschwindigkeit bei der Monstervernichtung denn planerisches Handeln geht. Bei einer Kurzgeschichte oder einem Kinofilm noch verzeihbar unterminiert diese fehlende Variabilität einen mit siebenhundert Seiten um mindestens dreihundert Seiten zu langen, im Mittelabschnitt zu belehrend passiven Roman, der mit einem strengen Lektor zumindest trotz einer Reihe von Klischees erträglich zu lesen gewesen wäre.

 

 

 

  • Taschenbuch: 656 Seiten
  • Verlag: Bastei Lübbe (Bastei Lübbe Taschenbuch); Auflage: Aufl. 2014 (18. Juli 2014)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3404207556
  • ISBN-13: 978-3404207558
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