Professor Zamorra 48 "Der Leichenfledderer"

Christian Schwarz

Langjährige Professor Zamorra Leser werden bei Christian Schwarzs "Der Leichenfledderer" sich ein wenig verwundert die Augen reiben. Ein gewichtiger Teil des Plots kommt dem Leser nicht ohne Grund bekannt vor. Christian Schwarz hat die Grundhandlung seines eigenen "Zamorra" Romans 863 kopiert und mit einem, aber gänzlich gesonderten Handlungsstrang erweitert. Grundsätzlich ist nicht einmal etwas dagegen einzuwenden, wenn Autoren ihre Ideen recyclen. Paul Alfred Müller hat das in seinen Leihbüchern zur Genüge getan. Nur meistens hat er die aus seinen Heftromanreihen "Sun Koh" oder "Jan Mayen" übernommenen Plots entsprechend erweitert. Der "Zamorra" Autor hat den fast kompletten Text des Heftromans nur oberflächlich umgeschrieben und statt Zamorra/ Nicole gemeinsam zu verwenden, auf den Professor Zamorra geändert. Einige Nebenfiguren bekamen neue Namen und das sollte ausreichen. Das Christian Schwarz auch leichte Logikfehler aus seinem Heftroman übernommen und diese nicht korrigiert hat, ist um so bedauerlicher als sich bei einem aufmerksamer Leser das unbestimmte Gefühl einschleicht, als habe die grundlegende und originelle Handlung nicht für ein Taschenbuch ausgereicht. So erscheint das eher oberflächliche Umschreiben des bekannten Textes in einem doppelt schiefen Licht.  Viel bedauerlicher ist dieses Kopieren in Zeiten des eher knappen Lesergeldes, denn der "Zaubermond" Verlag möchte für sein Geld auch eine entsprechende Leistung bieten und Christian Schwarz hat sich anscheinend zweimal für eine Geschichte bezahlen lassen.  

 Im Chateau fällt Zamorra und Nicole hinter einer losen Wandtäfelung ein altes magisches Buch entgegen. Es handelt vom Aufbau einer schwarzen Kirche. Fast zeitgleich erreicht sie Pfarrer Campbell aus Brooklyn, der um Hilfe bittet. Auf einem Friedhof taucht über der Gruft des Solomon Wingharts eine rätselhafte Erlöserkirche auf. Diese frühen Szenen gehören zu den stärksten Passagen des Romans. Der Unglaube der aufgeklärten New Yorker steht in einem starken Kontrast zu den ansonsten realistischen Szenen. Nicole kümmert sich um die New Yorker Handlung, da Zamorra in einer der schwächeren, eher anfänglich klischeehaften Passagen dieses Doppelbandes nach Texas gerufen wird, wo bei der Familie Luckenbach anfänglich erst auf Fotos und schließlich als „reale“ Erscheinung immer wieder ein Geistermädchen auftaucht.

Aus der Nicole Handlungsebene stammt aus der Titel des Romans, denn Solomon Winghart ist ein Leichenschänder gewesen. Wie in seinen anderen Romanen gehört die Recherche „historischer“ Ereignisse und eine plausible Präsentation zu den Stärken Christian Schwarzs. Hier führt die Reise ins 17. Jahrhundert, wo die immer wieder erscheinende schwarze Kirche vom Schwarzzauberer Ziegenbein erbaut worden ist. Der Exkurs zu den Hasinai- Indianern soll dem Geschehen mehr Plausibilität verleihen. Allerdings unterbricht der Schwenk in deren Perspektive – beginnend mit dem ersten „Pferdetausch“ aus den Beständen der Indianer – immer wieder die sich lange Zeit zu ruhig und zu distanziert entwickelnde Handlungsebene. Erst als die Indianer aktiv in das Geschehen eingreifen und quasi die dunklen Zauber der alten Welt mittels eines Feuerrades verbannen können, zieht das Tempo an.

In Texas jagt Zamorra dem Geistermädchen hinterher, das ihn schließlich fast in klischeehafter Art und Weise zu seiner Leiche führt. Christian Schwarz versucht hier auch Spannung aufzubauen, aber letzt endlich hat der Leser nicht zuletzt unterstützt vom Klappentext das Gefühl, als ginge es nur darum, die beiden grundlegenden Handlungsebenen am Ende miteinander zu verbinden. Da die eine Handlungsebene aus einem schon veröffentlichten Heftroman stammt, muss der Autor gegen Ende des Plots einige Verrenkungen unternehmen, um die Bögen im Grunde unnötig zu schließen. 

 Zu den Stärken gehört die Einbindung von historischen Ereignissen. Die Nicole Handlung hätte über ausreichend Potential verfügt, um ein ganzes Taschenbuch zu füllen. Alleine die amerikanische Geschichte mit dem Schicksal der Indianer aus der Sicht übernatürlicher Wesen in Kombination mit den Legenden und Mythen zu beschreiben, wäre ausreichend, um den Leser sehr gut zu unterhalten. Auch die Idee, das im modernen New York jetzt eine dunkle Kirche auftaucht und vielleicht Schrecken verbreitet, hätte ausführlicher vorbereitet werden können. Mit Nicole verfügt diese Handlungsebene sogar über den besser ausgearbeiteten Charakter. Mit ihrer modernen Einstellung in einer der am meisten angesagten Städte des 20. und 21. Jahrhunderts wäre so viel Potential für ein Kontrastprogramm vorhanden, dass ein „Verlust“ von Professor Zamorra als Charakter in diesem Roman nicht einmal bemerkt worden wäre. Dagegen steht dann das dörfliche Texas, in dem sich Professor Zamorra nicht nur mit den verschiedenen Ecken und Kanten der Bevölkerung auseinandersetzen muss, sondern vor allem unnötig Überzeugungsarbeit zu leisten hat. Es ist schade, dass insbesondere auf dieser Handlungsebene unabhängig vom bekannten Handlungsverlauf die Nebenfiguren nicht besser, sorgfältiger und dreidimensionaler herausgearbeitet worden sind. Zur Auflockerung soll Lucius Luckenbach mit seiner ungewöhnlichen Ausdrucksweise dienen. Nur leider schlägt es hier ins Gegenteil um, da der dunkle Plot eine solche Figur nicht wirklich nachhaltig tragen kann.  

 Wie schon angedeutet ist die Qualität der beiden Handlungsebenen unterschiedlich. Trotz einiger kleiner logischer Fehler ist dabei der neue Teil kompakt betrachtet der bessere Spannungsbogen. Die Zamorra Handlung in Texas  wirkt zu sehr gedehnt. Zu wenig interessante Informationen werden angeboten und vor allem wirkt die Idee des Geistermädchens für eine phantastische Heftromanserie, die nicht selten die Grenzen positiv weiter ausgedehnt hat, zu einfach. Selbst die Entwicklung dieser Ebene entwickelt sich entlang der typischen Klischeemuster und kann angesichts der lange passiv agierenden Erscheinung keine Spannung aufbauen. Dagegen erscheint die New Yorker Handlung sehr viel besser strukturiert und die Bedrohung auch intensiver sowie durch die historischen Bezüge vielschichtiger. Mit ein wenig mehr Mühe hätte es für ein komplett neues Taschenbuch ausgereicht. Es ist schade, dass Christian Schwarz erstens auf diesen Trick zurück gegriffen und dann zweitens sich nicht die Mühe gemacht hat, die Grundidee zu variieren und die Text entsprechend neu zu schreiben. Teilweise sind ganze Absätze aus dem Heftroman kopiert und bis auf den Perspektivwechsel von Nicole/ Zamorra alleine auf den Professor unter der Nutzung neuer Namen unverändert übernommen worden. 

 

Taschenbuch, Zaubermondverlag

211 Seiten

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