First Contact

Jessi Hoffmann (Hrsg)

Bei der Digital Anthologie "First Contact" sollte sich der interessierte Leser nicht von dem einfachen, so klischeehaften Titelbild oder dem günstigen Kindle Preis täuschen lassen. Die Geschichten sind alle zumindest solide erzählt, auch wenn das Thema der ersten Begegnung assoziiert mit Außerirdischen relativ schnell umfassenderen, menschlicheren Texten weicht. Die Qualität ist unterschiedlich, wobei Ken Liu als eine Art Zugfeder für die anderen neun aus zweihundert Texten ausgewählten Storys genommen worden ist und insbesondere die eng mit dem Verlaghaus verbundenen, im Vorwort extra erwähnten Autoren eher enttäuschen. 

„How I lost Eleven Stone and Found Love” von Jan Creasey ist eine doppelte First Contact Geschichte. Mittels eines außerirdischen Parasiten oder einem Symbionten nimmt der übergewichtige Ich- Erzähler sehr schnell und auch sehr nachhaltig ab. In der Klinik seines Arztes lernt er eine sehr schlanke Frau mit ebenfalls einem Außerirdischen kennen. Den Rest der Geschichte erzählt im Grunde der Titel. Ohne viel in die Details zu gehen persifliert der Autor den Abnehmwahn und hat vor allem die Prämisse von „Thinner“ – hier war es ein Fluch einer Zigeunerin – von Stephen King voll sanfter und erstaunlich warmherziger Ironie auf den Kopf gestellt.

Obwohl die Inhalte nicht unterschiedlicher sein könnten, ist die Prämisse gleich. Der Erzähler entdeckt, dass die Aliens schon lange unter den Menschen leben. In „Roanoke, Nevada“ aus der Feder Edward J. Knights soll ein Doktor die Fremden retten, unter denen eine Seuche ausgebrochen ist. Weitere Raumschiffe der Fremden warten darauf, nach Beendigung der wahrscheinlich durch das Eisenhaltigere Essen ausgelösten Epidemie auf der Erde zu landen. Das Ende ist konsequent, auch wenn die Perspektive ein wenig einseitig ist. Eine dunkle, zynische und trotzdem lesenswerte, unterhaltsame Geschichte. Jessi Rita Hoffmann stellt in „Nectar of the Gods“ die wahre Herkunft eines jungen Mannes vor, der gegen sein Erbe zu rebellieren sucht. Auch wenn es nicht die einzige Geschichte dieser Sammlung ist, in welcher Blut eine Rolle spielt, umschifft die Autorin das Vampirklischee und ersetzt es durch semiphantastische Elemente, wobei insbesondere das pointierte ironische Ende diesem kurzen, aber lesenswerten Text eine besondere Würze gibt. Curtis James McConnells Text „Pop Quiz" zielt in eine ähnliche Richtung. Ein Team von Untersuchungsbeamten muss entscheiden, ob sich unter den Gefangenen Menschen oder von Außerirdischen besessene Wesen befinden. Ein absurd erscheinendes Quiz inklusiv sinnloser Befragungen soll die Antwort geben. Egal wie sie sich entscheiden, es kann nur ein Desaster sein. Auch wenn die einzelnen Aufgaben wenig Sinn machen und die Auflösung skurril erscheint, unterhält die Geschichte, weil weder die Erzähler noch vor allem die Leser die Auflösung überhaupt ahnen können.  

Nicht alle Kurzgeschichten der Sammlung sind klassische "First Contact" Geschichten. Nicht selten geht es um die erste Begegnung mit etwas bislang Unbekannten. In "Biting a dead Man´s Hand" aus der Feder Ed Greenwoods wird ein klassisches Horrorszenario auf einer überwiegend archaischen, dem Steampunk entlehnten Erde abgespult, das eine Mordserie an verschiedenen Botschaftern in einem Schloss durch eine Bestie umfasst. Neben der Idee eines prosperierenden Sklavenhandeln geht es eher oberflächlich um Ermittlungen, die dem Zufall geschuldet in einem perfiden, aber auch nur konsequenten Ende gipfeln. Mit einem besseren, abgeschlosseren Ende hätte Ken Lius emotional ansprechende Story "The Caretaker" zu einem der Höhepunkt dieser Sammlung werden können. Es ist eine stetig wachsende Beziehung zwischen einem alten, pflegebedürftigen Mann und seinem "Roboter", der unabhängig von Ken Lius Kritik an den modernen, egoistischen Familien den Kapitalismus als das Ausnutzen von Schwächeren entlarvt. Das die Grundidee vielleicht nicht gänzlich nachvollziehbar und der Aufwand angesichts der Erträge etwas zu viel zu sein scheint, steht auf einem anderen Blatt. In eine vergleichbare Richtung geht "Masks" von Jennifer R. Porey, in welcher der Mensch durch genetische Experimente intelligente Waschbären gezüchtet haben, welche ihn bald als Krone der Schöpfung übertrumpfen und auszurotten drohen. Die Grundiee ist ein wenig polemisch präsentiert und wirft in dem kompakten, die Gemeinheit der Menschen überbetonenden Plotverkauf mehr Fragen auf als die Autorin am Ende beantworten möchte. Auch Rob Jacobsen "Hera´s Tempest" ist die überambitionierte Geschichte einer Gruppe von Kriegern, die das Verstummen einer wissenschaftlichen Expedition untersuchen sollen. Die Geschichte spielt mit dem Planeten Hera ohne Frage vor einem exotischen Hintergrund, aber der Autor hat Probleme, die Mission fest zu umreißen, die Charaktere dreidimensional zu entwickeln und den Plot im Grunde laufen zu lassen. Statt dessen bemüht er sich um eine Art Mahnung /Warnung zum Ende hin, die insbesondere dem Leser gegenüber belehrend zu sein scheint und doch ins Leere zielt. „Black Sun“ von David Tellerman hat in seinem Zentrum auch eine Reise. Ein Forscherteam stürzt auf einer fremden Welt ab. Der Anfang erinnert ein wenig an Science Fiction Filme wie „Alien“. Sie müssen sich orientieren und erkennen schließlich, das nicht alles dem Zufall geschuldet ist. Der Weg dahin ist aber spannungsarm und ambivalent, durch Dialoge getrieben niedergeschrieben worden. Zusammen mit den eindimensionalen Charakteren einer der Texte, der nicht überzeugen kann.

„The Tortoise Parliament“ von Kenneth Schneyer ist fast schon eine Novelle und könnte noch mehr Umfang ertragen. Im Mittelpunkt stehen nicht nur die komplexen Beziehungen der Diplomatie, sondern vor allem die Schwierigkeiten einer offenen Ehe. Einer Welt droht der Untergang und alleine durch die langen Verbindungswege ist es schwierig, die notwendigen Entscheidungen zu treffen, zumal die menschliche Kolonie von vielen anderen Völkern für ihre Sturköpfigkeit und ihren Leichtsinn, in einem instabilen Sonnensystem zu siedeln, bestraft werden sollen. Auf der persönlichen Ebene steht ein Mann zwischen seiner menschlichen, offenherzigen Karrierefrau und einer exotischen, aber aufregenden Fremden. Diese Dreiecksbeziehung wird nicht unbedingt subtil, aber sehr differenziert abgehandelt und fließt später überzeugend hintergründig in das komische Drama mit ein. Schneyer verzichtet auf vordergründige Action und der größte Teil der Handlung entwickelt sich über die verschiedenen Gespräche der Diplomaten und den Informationsaustausch, bevor am Ende persönliche Entscheidungen überwiegen und einige Charaktere erkennen, das es sinnvoller ist, mit den eigenen Händen wenig zu bewegen denn als Diplomat mit Worten nichts zu erreichen. Vom pointierten doppeldeutigen Titel über den ruhigen, aber intensiven Mittelteil bis zum melancholischen Ende eine überdurchschnittliche Geschichte, die zusammen mit „How I lost...“ und „The „Caretaker“ den Höhepunkt dieser Anthologie darstellt.

Zusammengefasst bietet „First Contact“ über das grundlegende Thema hinaus dem Leser die Möglichkeit, eine Handvoll neuer Autoren mit durchaus passablen Geschichten zu einem ungewöhnlich günstigen Preisleistungsverhältnis kennenzulernen. Wie eingangs erwähnt sind alle Texte mindestens passabel geschrieben. Es wäre allerdings schön gewesen, wenn der Leser zumindest in einem kurzen Nachwort einige Informationen über die bislang unbekannten Autoren hätte erfahren können. So wirkt die Sammlung ein wenig lieblos zusammengestellt, was sie aber inhaltlich auf keinen Fall ist.      

 

 
 

 

Kindle Edition, 192 pages
Published June 5th 2011 by Digital Science Fiction
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