Alien- In den Schatten

Tim Lebbon

Tim Lebbons „Alien- In den Schatten » ist in Bezug auf die grundlegende Thematik der Filme eine angenehme Lektüre, die aber abschließend aufgrund der unglücklichen Positionierung zwischen dem ersten „Alien“ Film und Camerons Fortsetzung auch frustriert. Camerons Fortsetzung setzte ja mit der Bergung Ripleys Rettungskapsel auf den ersten Blick nahtlos an den Ridley Scott Film an. Als müssen die dazwischen liegenden Ereignisse dieses Romans auf die eine oder andere Art und Weise wieder aus der Chronologie gelöscht werden. Das macht der Autor mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner, in dem er Ripley quasi an den Ausgangspunkt des Cameron Films wieder zurück katapultiert und die in diesem Buch präsentierte Handlung wieder nicht nur in einfacher, sondern in doppelter Hinsicht löscht. Ripleys Gedächtnis wird vor dem Abschuss in der bekannten Rettungskapsel gelöscht und Ash Nachrichten an seine Auftraggeber – die künstliche Intelligenz ist auf den Computer der Raumfähre quasi übertragen worden – gehen wie sich gegen Ende des Buches herausstellt nicht an seine Auftraggeber raus.

Ansonsten setzt sich der Roman überwiegend aus Versatzstücken zusammen, mit alle oberflächlich betrachtet unterhalten, aber insbesondere im in letzter Zeit eher qualitativ abbauenden „Alien“ Universum zu wenig genutzt werden. Dabei vermischen sich bekannte Aspekte mit potentiell neuen Handlungssträngen, die wahrscheinlich nie wieder wirklich aufgegriffen werden.Im Grunde ist Tim Lebbons Buch in mehrfacher Hinsicht eine frustrierende Sackgasse mit unglaublich vielen Ansätzen. Ripleys Charakter wird von der entschlossenen Reaktionärin in Bezug auf die „Alien“ Angriffe zu einer entschlossenen Aggressoren, die auch von ihrer Liebe zur inzwischen gealterten Amanda getrieben wird. Tim Lebbons Buch ist im Grunde in Bezug auf Ripley der perfekte Übergang zwischen Scott emotional unterkühlten „Alien“ und Camerons „Military“ Saga. Das sie alles wieder vergessen hat und quasi wieder bei Null startet, ist dem zweiten Film geschuldet. Vielleicht sollten „Alien“ Fans Tim Lebbons Buch weniger chronologisch betrachten, sondern hinsichtlich der charakterlichen Entwicklung.

Ein zweiter interessanter Aspekt ist Ash. In seinen mit pointierter Ironie durchsetzen Botschaften – kann eine künstliche Intelligenz einsam sein ? – deutet er an, dass erstens die Entdeckung der fremden Lebensform und ihr Rücktransport zur Erde überlebenswichtig ist und zweitens natürlich alle Crews egal welches Schiffes oder in diesem Fall eine ganze Bergbausiedlung entbehrlich sind. Zwischen den Zeilen kann der Leser erkennen, dass das Auffinden des ersten Aliens vielleicht nicht gänzlich zufällig geschehen ist und Ripley als Überlebende viel enger in die Machenschaften des Konzerns passiv eingebunden worden ist als anfänglich gedacht. Ash berichtet quasi vom Fortschritt dieses doppelten Experiments, denn neben dem Rücktransport des Aliens interessiert sich die künstliche Intelligenz mit einem fast pervers erscheinenden väterlichen Interesse auch für Ripleys Reaktionen unter doppelten und teilweise dreifachen Stress. Ash greift auch in nicht unbedingt origineller Form – hier lassen zahlreiche selbst vor „Alien“ spielende Filme grüßen – aktiv in das Geschehen ein, um Ripleys Überleben angesichts der schlechten Ausgangssituation zu ermöglichen. Es ist schade, dass diese Ideen wie Ripleys charakterliche Entwicklung am Ende des Buches auf Null gestellt werden.

Hintergrundtechnisch sind noch zwei weitere Situationen spannend. Durch den Ausbruch der Alienplage auf einer Bergbauwelt sind eine Handvoll Menschen in einem im Orbit kreisenden Versorgungsschiff gefangen, das aufgrund eines Maschinenschadens innerhalb der nächsten zwei Wochen in der Atmosphäre der unwirtlichen Welt verglühen wird, während sich die Aliens an Bord der Rettungsfähre ausgebreitet haben. Ein perfekt klaustrophobisches Ereignis, das sehr gut zur notwenig gewordenen Expedition auf den Planeten passt. Hier müssen neue Treibstoffampullen geborgen werden. Natürlich lauern in den Labyrinthen unter der Station die Aliens. Sie treiben die Menschen nicht nur zu einem Raumschiffwrack, das anscheinend seit Jahrhunderten unter der Erde liegt. Hier spielt sich eine der wenigen wirklich emotionalen Szenen ab, die zeigt, das Menschen und Außerirdische nicht so verschieden sein müssen wie man immer denkt und einige Urinstinkte erhalten bleiben. Tim Lebbon gelingen klaustrophobische, wirklich spannend beschriebene Kampfszenen, welche genau zwischen den ersten beiden Filmen der Serie angesiedelt überzeugen können. Auch der Fund nicht nur einer außerirdischen Raumschiffes, sondern einer ganzen Ruinenstadt beleben den Hintergrund. Es bleibt zu hoffen, dass die Romanautoren noch einmal auf diese Welt zurückkehren, um zu eruieren, ob die Aliens ursprünglich auf dieser Welt zumindest teilweise gelebt haben. Das sie sich immer wieder an Bord von fremden Raumschiffen im All bewegt haben, unterstreichen ja der erste Film und dieser Roman, aber hier besteht die Chance, etwas mehr über die Kultur der Fremden zu erfahren. Es ist schade, das trotz des Umfangs des Romans diese Aspekte so wenig ausgebaut werden und viele zu lange zu offen bleibt.

 Leider schließen sich an diese Stärken auch eine Reihe von Schwächen an. Wie schon angedeutet werden die Hintergründe viel zu wenig erhält und angesichts des stetig steigenden Tempos verwischen diese Ideen förmlich. So bleibt „In den Schatten“ – der Originaltitel deutet eher das Gegenteil mit „Out of the Shadows“ an – strukturtechnisch zu hektisch komponiert. Es schließt sich leider auch die Vertrautheit des Milieus an. Aus dem ersten Film der Kampf in einem Raumschiff, das keine Fluchtmöglichkeit bis auf die Rettungskapsel bildet. Die einzelnen Charaktere diskutieren noch, wie viele Menschen in dieser Kapsel Platz finden und wir lange jeder Einzelne in den Winterschlaf geschickt werden kann. Da aber spätestens mit Abschluss von Tim Lebbons Handlungszyklus nur noch Ripley schlafend überleben darf, ist diese Diskussion überflüssig und hemmt den Lesefluss. Das Ausgangsszenario kommt dem aufmerksamen Leser bis auf das Eingreifen Ash an einer Stelle aus dem ersten Film sehr bekannt vor. Ebenfalls aus dem ersten Film stammt das Auffinden des fremden Raumschiffes mit Aliens an Bord. Ergänzt durch eine Ruinenstadt. Aus dem zweiten Film stammt die Bergbausiedlung, die bei ihren Arbeiten unter Tage auf die Aliens stößt. Nur greifen dieses Mal nicht die Marines ein, sondern die Überlebenden befinden sich von Beginn an auf der Flucht. Die unwirtliche Planetenoberfläche ist beiden Filmen zu entnehmen.

Da die Aliens in ihrer Vielzahl kopflos, aber rücksichtslos angreifen, wiederholen sich einige Sequenzen aus der Cameron Verfilmung, während Tim Lebbon bei der finalen Auseinandersetzung auf die paranoide Subtilität des ersten Films teilweise zurückgreift und damit versucht, Spannung zu erzeugen. Diese Vorgehensweise misslingt, da das Ende vorhersehbar ist und sich zumindest Ripley zuwenig wie bei einem Deja Vu fühlt. Wie in beiden Filmen ist die Zahl der Opfer und ihre oberflächliche, teilweise klischeehafte Charakterisierung vertraut. Tim Lebbon bemüht sich, die einzelnen Figuren voneinander unterschiedlich zu beschreiben, aber nicht selten überrollt die Action die Zeichnung der Figuren. Der einzige große Unterschied zum Höhepunkt der beiden ersten Filme ist die fehlende finale Auseinandersetzung zwischen dem Alien und Ripley, sowie das Eingreifen Ash, der durch das bisherige Überleben Hoops als einzige wirklich herausragende Identifikationsfigur neben Ripley die Konzernpläne gefährdet sieht und natürlich entsprechend eingreift. In dieser abschließenden Sequenz gelingt es Tim Lebbon wirklich, die bekannten Schemata zu variieren und lässt sich eine Hintertür offen, dass diese Geschichte wirklich noch einmal Dritten erzählt wird. Zumal Hoops fatalistisches Auftreten irgendwo zwischen pathetischem Kitsch und Nihilismus angesiedelt eine Art Durchbruch der bekannten Schemata darstellt und neben Ripley einen klassischen Überlebenskämpfer positioniert, dessen Potential allerdings gehoben gehört. 

So oberflächlich unterhaltsam „Alien- In den Schatten“ auch sein mag, so sehr zeigt der Roman auch, wie stereotyp die „Alien“ Formel inzwischen geworden ist. Anstatt den Hintergrund des Konzerns weiter zu beleuchten oder wichtige weiterführende Aspekte in diesen Kosmos einzuführen, konzentriert sich Tim Lebbon in dem immerhin gut geschriebenen, aber inhaltlich vorhersehbaren und schematischen Roman drauf, die positiven Ideen der ersten beiden „Alien“ Filme teilweise sehr oberflächlich zu variieren und Ripleys Charakter zu extrapolieren. Vielleicht konnte sich Ripleys Unterbewußtsein zu Beginn von Camerons Film an diese innere Wandlung erinnern und präsentiert sich deshalb so wie „Aliens“ ein so ausdrucksstark zeigt. Als Reminiszenz  zufrieden stellend, als Start eines neuen „Alien“ Zyklus allerdings frustrierend bekannt.

      

 

  • Verlag: Heyne
  • 2014
  • Umfang 2014. 384 S.
  • Seitenzahl: 384
  • Heyne Bücher Nr.31561
  • Deutsch
  • ISBN-13: 9783453315617
  • ISBN-10: 3453315618