The Astonishing Tales of Sherlock Holmes Band 1: The Shrieking Pits

Nikki Nelson- Hicks

“The Shrieking Pits” scheint der erste Teil einer neuen E- Book Serie “The astonishing Tales of Sherlock Holmes” aus der Feder Nikki- Nelson- Hicks zu sein. Fortsetzungen sind bislang nicht angekündigt. Das Abenteuer ist abgeschlossen. Im Internet hat sie eine Reihe von Serien veröffentlicht, deren Gehalt eher parodistisch angelegt ist. Gänzlich ernst nehmen sollte der Leser das nach Holmes Verschwinden und dem Tod von Dr. Watsons geliebter Mary spielenden Abenteuer nicht nehmen, obwohl die Grundlage ein durchaus ernster Kriminalfall ist.

Dabei hat sich Nikki Nelson- Hicks an Arthur Conan Doyles „Der Hund der Baskervilles“ Struktur orientiert. Sherlock Holmes taucht erst in der Mitte des Plots vor dem verblüfften Watson auf und hält zu diesem Zeitpunkt die Lösung des Falls schon in den Händen. Der Fairness halber ist Watson nicht als Bote vorausgeschickt worden, sondern hat seinen laut verschiedenen Medienberichten in Norfolk verschwundenen Freund aufgrund vager Hinweise gesucht. Der Katalysator der Ermittlungen hat aus der Sicht von Holmes wie auch Watson nichts mit dem eigentlichen Kriminalfall zu tun, beide nutzen ihn aber unter unterschiedlichen Gesichtspunkten für ihre mehr oder minder persönlichen/ kriminalistischen Zwecke aus. Wie in „Der Hund der Baskervilles“ dient eine übernatürliche Erscheinung bzw. in „The Shrieking Pits“ die Idee von Feen/ Elfen und ihrer legendären Schätze als Grundidee. Dabei greift die Autorin auf Arthur Conan Doyles eigene Suche nach den sagenumwobenen übernatürlichen Wesen zurück.

Während einer langen Reise in die Schweiz zu einem Kongress und zum Angeln erfährt Watson, dass Holmes verschwunden ist. Kaum in England zurück gekommen sucht ihn der junge, aus reichem Hause stammende Todd auf. Er humpelt und wird von seiner attraktiven Aufpasserin/ Krankenschwester Mrs. Dowell begleitet. Sie bringen Sherlock Holmes Koffer mit. Anscheinend hat Todd den langweilenden Sherlock Holmes überredet, mit ihm in Norfolk nach dem legendären Schatz der Elfen zu suchen. Watson kann es sich nicht richtig vorstellen, dass ein rationaler Mann mit Sherlock Holmes ohne Rückfall in seine Drogensucht auf diese absurde Suche gehen würde.

 Wie angedeutet ist diese für Watson befremdliche Ausgangssituation nur eine Art Katalysator. Leider kann die Autorin diese von Situationskomik im Mittelteil unterstrichene Prämisse nicht mit einem soliden Kriminalfall untermauern. Die kryptischen Andeutungen Mycroft Holmes pusten das normale, nicht einmal den Intellekt eines drogenabhängigen Holmes fordernde Verbrechen zu sehr auf. Ohne auf dessen für den Leser erkennbare Deduktion zurückzugreifen kommt es zur finalen Konfrontation, in deren Verlauf Holmes mit seinem überlegenen Geist als Mitglied eines kleinen Teams nicht wirklich gefordert wird. Es ist schade, dass der Kriminalfall ohne in die Details zu gehen, so einfach vor allem auch ohne die Notwendigkeit eines Generalverdächtigen abläuft. Dabei sind die Legenden wie die „Shrieking Pits“ – Tore in die das Reich der Feen und Elfen, aus denen Doppelgänger auf die andere Seite wechseln können und das von einem grausamen Elfenkönig regiert wird – ausgesprochen gut und für Watson glaubwürdig in die Handlung eingebaut worden. Diese Glaubwürdigkeit dient auch dazu, die Dialoge deutlich zu pointieren. Zusammen mit der Zeichnung der beiden wichtigsten Protagonisten eine Stärke dieses Romans. Zu Beginn provoziert Sherlock Holmes Doktor Watson mit einem seltsamen Experiment. Er will schauen, ob die einfachen abenteuerlichen Geschichten im „Strand“ Magazin nur mindere Geister wirklich ansprechen und Sucht erregend sind. Dazu nutzt er eines der natürlich von Watson verfassten Sherlock Holmes Abenteuer. Später wird Watson noch provoziert, in dem ein buckliger Norfolker ihm die Glaubwürdigkeit der von ihm verfassten Abenteuer abspricht. Sherlock Holmes Popularität durch den Erfolg der Geschichte verhindert nicht nur Ermittlungen inkognito, er sorgt dafür, dass die einfachen Norfolker angesichts des Verschwindens des Meisterdetektiv ausgerechnet in ihrer Gegend einem Touristenansturm unterlegen. Jeder will das Zimmer sehen, in dem Holmes vor seinem Verschwinden genächtigt hat. Es werden „Fotomontagen“ mit dem Anglitz des Detektivs oder auch Holzschnitzereien mit seiner Silhouette angeboten.  Nikki Nelson- Hicks ist eine der wenigen Sherlock Holmes Autoren, die geschickt auf Doyles Gerüst aufbauend die literarische Popularität des Detektivs und dessen Ermittlungen in einen engeren Kontext stellen. Obwohl intellektuell nicht wirklich gefordert beschreibt sie dessen geistige Abwesenheit – er ist beleidigt, dass ihm jemand eine Elfenjagd unterstellen könnte, auch wenn er die Naivität des jungen Todd für seine Zwecke ausgenutzt hat – genau wie seine scharfe Beobachtungsgabe einhergehend mit Watson freundschaftlich provozierenden Dialogen, die trotzdem eine gewisse Wärme ausstrahlen.

Mit der Suche nach den Feen folgt die Autorin wie angedeutet Arthur Conan Doyles Obsession. Watson kann es nicht glauben, dass Sherlock Holmes ins Mystische abgedriftet ist, aber alle Spuren sprechen dafür. Das die Realität und die Mythen sich gut überkreuzen, wirkt vielleicht ein wenig zu aufgesetzt und wird durch die ambivalente, nicht entschlossene genutzten Hinweise Mycroft Holmes nicht unterstützt, aber sie dienen nicht nur als Ablenkung, sondern vor allem als amüsante Variationen verschiedener Kanonermittlungen mit einem Watson, der ohne Frage den Lehren seines Herren und Meisters folgt und trotzdem aus dem Offensichtlichen nicht das im Hintergrund scheinende herausfiltern kann. Wie Sherlock Holmes hat die Autorin bei Doktor Watson ein gutes Gefühl für die Figur und beschreibt ihn aus der Ich- Erzählerperspektive dreidimensional und überzeugend. Ob sie sich hinsichtlich des etwas schwächeren Endes ihrer Geschichte bewusst gewesen ist, kann man nicht erkennen, Watson soll aber dem Rat seines Freundes folgen, die Auflösung des Falls wie bei seinen sonstigen Texten einfach aufzumöbeln und die Ereignisse zu sensationalisieren. Wie schwer ihn das Verschwinden bei den Reichenballfällen getroffen hat, lässt sich in einer der besten, von inneren Monologen begleiteten frühen Szene ablesen. Trotz seiner bedingungslosen Freundschaft zu Sherlock Holmes fühlt er sich immer noch verraten. 

Auf der anderen Seite hat er von seinem Freund und Meister gelernt. Er wendet dessen Methoden ein wenig selbstherrlich und arrogant an. Erst später wird seine „falsche“ Deduktion relativiert, aber in seinem Wesen ist dieser Doktor Watson kein dummer Dienstbote, als den ihn Sherlock Holmes in einer Szene abqualifiziert, sondern ein gestandener Mann mit einem verletzlichen, aber sehr treuen Herzen.

Mit dem behinderten Todd verfügt die Geschichte über eine ausbaufähige, nicht gänzlich ausgereifte Figur, die am Ende passiv zu einer tragischen Persönlichkeit wird. Es ist nur schade, dass in anderen Szenen seine angeblich verzweifelte Suche nach den Toren in die Elfenwelt mit anders lautenden Bemerkungen eines globalen Träumers relativiert wird. Seine Krankenschwester und Aufpasserin Mrs. Dowell mit ihren intellektuellen wie kampftechnischen Fähigkeiten ist eine Protagonistin, die auf jeden Fall ausgebaut werden muss. Wie andere weibliche Überhelden – siehe „3 Engel für Charlie“ oder selbst „Modesty Blaise“ – steckt ein aus dieser Epoche herausragendes Potential in ihr, das erläuterungsbedürftig ist. Natürlich ist Watson von dieser Überfrau fasziniert, der es gelingt, Sherlock Holmes fast arrogante Fassade verbal zu durchbrechen und ihm die Grenzen aufzuzeigen.

Zusammenfassend ist diese längere Novelle kurzweilig geschrieben. Stilistisch ansprechend greift die Autorin auf ausreichend dem Leser vertraute und auch notwendige Versatzstücke aus dem Kanon zurück und baut diese ein wenig augenzwinkernd mit einem sehr guten Auge fürs Detail aus. Es ist schade, dass hinter der Fassade ein eher einfaches, Mycroft Holmes auf keinen Fall in die Ring schickendes Verbrechen lauert, das Sherlock Holmes weniger deduzierend, sondern in Abwesenheit von der Handlung löst. Es gibt zu wenige Verdächtige und die Spuren sind von der Baker Street 221B zu offensichtlich gelegt. Die Zeichnung sowohl von Watson als auch Sherlock Holmes ist überzeugend und mit den ambivalenten Begleitern Todd und Mrs. Dowell verfügt die Novelle über wie schon angesprochen sehr interessante Nebencharaktere. Und die Anspielungen auf Doyles Feenjagd sind ausreichend gestreut, verwirren in erster Linie Watson und dienen dem opportunistischen Holmes zufrieden stellend, so dass die Hommage perfekt, der grundlegende Plot davon aber wenig beeinflusst wird.

Eine interessante Sherlock Holmes Geschichte, die das potentiell einer respektvollen Serie in sich trägt. Vor allem wenn die Autorin weiterhin das Verhältnis zwischen Watson und Sherlock Holmes so detailgetreu wie möglich und so emotional wie in der Gegenwart inzwischen erwartet als Sprungbrett für dann allerdings hoffentlich interessantere Fälle nutzt.                    

  • Taschenbuch: 124 Seiten
  • Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform (18. November 2014)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 1503293947
  • ISBN-13: 978-1503293946
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