Geschichten aus der Asimov- Kellerbar

Klaus Marion

In bislang zwei Bänden hat Klaus Marion nicht nur die Geschichten aus Rudolf Rudi Gerstners „Asimov- Kellerbar“ gesammelt, sondern viele andere das SF- Fandom und die Science Fiction betreffende Satiren aus mehr als dreißig Jahren schriftstellerischer Tätigkeit. Wie schwer es ist, diese Zeit – es geht, wie Klaus N. Frick in seinem Nachwort bestätigt,  um die Generation fünfzig und älter – einer neuen Anhängerschaf zu erklären, machen sowohl das doppelte Vorwort für SF Fans und Zufallskäufer sowie Klaus N. Fricks Nachwort deutlich. Der Vergleich mit den Fußballfans, den Klaus Marion anstrebt, zeigt aber ein unbewusst gegenläufiges Phänomen. In den achtziger Jahren waren die Stadien nicht so voll wie heute, es gab weniger Fanclubs als heute im Gegensatz zur Perry Rhodan und Science Fiction Szene und Fußballschauen in Kneipen, Public Viewing mit hunderttausenden von Fans oder eine neue junge Anhängergeneration waren undenkbar. Fußball ist so hart es auch klingt die Antibewegung des Internets. Es ist wieder ein Ereignis, sich live und persönlich über die Vereine auszutauschen und selbst die Fanzine Szene wirkt im Vergleich zu den Science Fiction Fanpublikation wie ein blühendes Leben. Das Internet inklusiv der sozialen Medien haben zu einer Verlagerung der Publikationswut geführt. Es gab niemals so viele Seiten, die sich neben der Literatur natürlich in erster Linie mit Film- und Fernsehserien beschäftigten. Aber die achtziger Jahre standen auch für eine im Gefolge von „Star Wars“ und wahrscheinlich dem drohenden „1984“ sowie der Jahrtausendwende für eine kommerzielle Blüte der SF mit vielen Verlagen, die entsprechende Programme hervorbrachten. Inzwischen sicherlich auch von der Medienlandschaft her kommend ist die SF in ein Dämmerdasein zurückgefallen und die klassischen nicht medienorientierten Fans sind ohne Frage in der Minderzahl. Klaus N. Frick vergisst aber ein anderes Phänomen zu erwähnen. Die Rückkehr der alten „Säcke“ aus den achtziger Jahren, die mit wieder fortlaufenden, qualitativ hochwertigen Publikationen wie „Exodus“ oder Kleinverlage die Szene ordentlich aufmischen. Vielleicht braucht die SF- Szene nicht einmal Nachwuchs, wenn das Alter noch so aktiv ist. In seinem Vorwort für die SF- Fans geht Klaus Marion noch einmal auf die Grundidee der Kellerbar und seine Autorennische als Satiriker ein. Der Fairness halber muss erwähnt werden, dass in erster Linie amerikanische Bars spätestens mit dem Siegeszug von „Cheers“ hoffähig geworden sind.  Die Serie lief zeitgleich mit den ersten Arbeiten Klaus Marions über die Bildschirme. In den fünfziger Jahren verfasste Arthur C. Clarke die „Geschichten aus dem weißen Hirschen“, die 1984 im Heyne- Verlag gesammelt veröffentlicht worden sind. Spider Robinson erfand die neben Asimovs Kellerbar berühmteste Kneipe mit „Callahans Cross Time Salon“ auch schon 1977. Hier traten meistens unfreiwillig einige berühmte SF Autoren in den später miteinander verbundenen Geschichten auf. Dank dieser Vorbilder ist Klaus Marions Idee einer Fan Kellerbar nicht unbedingt neu, aber im Vergleich zu Clarke und Robinson hat er das Thema in den hier gesammelten Satiren durch die regelmäßigen Besuche Gernsters beim Ich- Erzähler bzw. tatsächlich mindestens einen Gegenbesuch im Chaos erweitert. Diese Variation der ansonsten in der ersten Geschichte „Der erste Besuch“ gut beschriebenen Bar mit Dartspielen oder Perry Rhodan Autoren Dosenwerfen entwickelten Keller (!) – Raucher (!!) – Kneipe (!!!!) ermöglicht es Klaus Marion, auf verschiedene andere als kommerzielle Investitionen getarnte Projekte Rudi Gerstners satirisch überdreht einzugehen.

 Die über das Buch verteilten Satiren der Kellerbar interlassen einen unterschiedlichen Eindruck im Leser. Zum zu frühen Tod von Jo Henke – er tritt in einigen Texten auf – hat Klaus Marion vielleicht den besten Beitrag mit „Ein trauriger Abend“ beigesteuert. Nicht kitschig, nicht melancholisch, sondern respektvoll und auch positiv zeigt der Autor, dass es eine Art von Unsterblichkeit gibt. Selbst der ansonsten so kommerziell orientierte Wirt Rudi Gerstner steuert einige wichtige Sätze an diesem Abend bei. Gerstner erscheint auch eher wie das Universalgenie, wobei einige seiner Ideen wie der Portosenker vielen Altfans mit dem Hang zum Sparen den Neid auf die Stirn treiben. Welche Chancen hat Fan damals ausgelassen. Wenn es um Spiele geht, sei auf Kreativität hingewiesen. Diese Kolumne funktioniert in erster Linie, wenn der Leser alle der Herausforderungen nicht nur mit Namen, sondern am Besten persönlich kennt. Für den SFCD und die AN Redakteure hat er wichtige praktische Ratschläge im Gepäck, die nur wegen des Mitgliederphlegmas funktionieren könnte. Im Verhältnis zu seinen Gästen ist Rudi Gerstner ambivalent. Der laufende Gag mit Krischan Holl und dem Flugdrachen  an der Rückwand ist ein roter Faden, der einige Texte zusammenhalten könnte. Frank Aussenstein – Varianz im Namen scheint Absicht zu sein – als angehender Autor mit einer Bier liebenden Schreibmaschine ist eher die tragische Gestalt, der ein Vertrag und ein Vorstellungsgespräch, das Schreiben von bezahlten Rezensionen und schließlich auch von Leserbriefen teilweise mit absurden bösartigen Ratschlägen kaputt gemacht wird. Als klassischer und damit klischeehafter Verlierer ist der an seinem Epos arbeitende Autor vielleicht der Mittelpunkt des Spots, vereinigt aber auch Sympathiepunkte auf sich. Der Ich- Erzähler als Mittler zum Leser ist in den meisten Kolumnen erstaunlich passiv und beobachtet er an der Theke hinter einem Bier verschanzt das Geschehen, das eine Reihe von realen Fans und heutigen Persönlichkeiten wie der mehrfach auftretende Klaus N.  Frick unter anderem als „SMoG“ mehr oder minder aktiv gestalten. Vielleicht sind es die bekannte Atmosphäre, die wiederkehrenden Gesichter und schließlich die eher fannisch absurden Themen, welche die Geschichten aus der Asimov- Kellerbar zugänglicher als einige der anderen, später zu erwähnenden Satiren machen, aber die Themenbreite hätte schon für eine eigenständige Sammlung ausgereicht.

 Wie der Titel schon aussagt, finden sich in der Sammlung auch andere Science Fiction Satiren. Dabei sind die Themen übergreifend. So entwickelt Rudi Gerstners auch Science Fiction Spiele, während Klaus Marion in „Das Spiel“ die damals wie heute um greifende Fantasywelle mit den Live Rollenspielen karikiert. Oder „Auf die Organisation kommt es an!“ mit den „neuen“ Vorstandsregeln des SFCD – wie zahm ist der Club inzwischen geworden – könnte als Vorbild der Kolumne „Wir gründen einen Club!“ gelten. Dabei ist es wichtig, die einzelnen Begriffe – vom „Perry Rhodan Club“ bis zur „Science Fiction Vereinigung“ – genauer zu kennen, um erstens die Zwischentöne zu erkennen und zweitens an die Zeit erinnert zu werden, als tatsächlich die Leserkontaktseite der „Perry Rhodan Hefte“ bzw. des „Perry Rhodan Magazins“ der Eintritt in die Fandomwelt gewesen ist. Als „Perry Rhodan Clubs“ wie Pilze aus dem Boden schossen, von denen einige inzwischen meistens Stammtische genannt auch heute noch existieren. Wenn Klaus Marion bei den Regeln überspitzt vorgeht, dann wird sich mancher Leser noch an große Gründer wie Josh Schütte erinnern, die jeden Tag bildlich gesprochen einen neuen Club aus dem Boden hoben, kurz nachdem der alte Verein dem Gründungsmitglied durch Revolution abgenommen worden ist. Die Zwangsabstimmungen im „Perry Rhodan Briefclub Bully´s Schreibtisch“ werden ebenso erwähnt wie die etwas seltsame Demokratie im „Science Fiction Club Deutschland“, wobei zumindest damals keine Privatfahrten oder Computer zu Lasten der wie ein Argusauge gehüteten Clubkasse vorkamen. In diese Richtung zielt auch „Der Conbesuch“, wobei zu den unbekannten Orten in weit entlegenen Gegenden auch Veranstaltungslokale wie die örtliche Turnhalle oder in den Ferien verwaiste Schulen gehörten, auf denen man hoffte, die Briefkontakte vieler Jahre einmal persönlich zu treffen. Während diese Satiren ohne Fragen nicht nur Erinnerungen wecken, sondern manche Tendenzen geschickt liebevoll übertreibend extrapolieren, leiden manche Texte wie „Ich brauche ein Thema“ unter dem Nirvana zwischen Inhalt und Aufbau. In der heutigen Zeit mit Internet und Computer ist ein Abgabeschluss um Mitternacht noch akzeptabel, in den achtziger und neunziger Jahren gab es diese Termine dank der deutschen Post und der Pünktlichkeit der meisten Fanzineherausgeber gar nicht. Was waren das für idyllische Zeiten, in denen Tage schon Druck aufbauten, von den Monaten oder Jahren bis zur Publikation ganz zu schweigen. 

In einigen Satiren steckt ein sehr ernster, heute noch schwerer zu glaubender Kern. „Vorsicht Buch“ warnt vor den Folgen der Rushdie Exzesse und der Angst vor der Meinungsfreiheit, die inzwischen mit den Morden von Paris ein weiteres, schreckliches Mahnmal gefunden haben. Es sind diese Texte, in denen Klaus Marion nicht nur seine Schreibfinger in offene, klaffende Wunden legt, sondern nachdenklich darauf hinweist, wie viel sich inzwischen eher verschlimmert als verbessert hat.  Wenn wie in „der Autor“ ein wenig zu sehr über den Rand hinaus übertrieben wird, geraten die Texte aber manchmal auch zu sehr zur Farce. Sehr viel mehr Potential hat die Konfrontation zwischen Vater und Sohn, einer anderen Art von Generationenkonflikt, in dem die Literatur als Treibstoff des Geistes plötzlich auch mit den unendlichen virtuellen Welten des Computerspiels konkurrieren muss. „Das Interview“ mit den Vereinsmeiern könnte vom Kleingartenverein bis zur internationalen Fussballvereinigung namens FIFA als Synonym für all die Punkte gelten, die Mitglied niemals wirklich erleben möchte und trotzdem direkt wie indirekt schlucken muss. „Das Fanzine“ zeigt den üblichen Wahnsinn, wobei der Sinn dieser Satire über das Ziel hinausschießt. Während die alten Produktionen ja unter den aus heutiger Sicht archaischen oder zu kostspieligen Produktionsbedingungen gelitten haben, helfen die Computer bei einem effektiven Einsatz und verkürzen die technischen Produktionszeiten. Verlorene Druckvorlagen können so innerhalb von Sekunden ersetzt werden. Sollte das Ziel sein, das Streben nach Perfektion ohne Berücksichtigung eines Inhalts anzusprechen, dann trifft die Pointe eher zu. Zusammengefasst sind die Satiren außerhalb der Keller- Bar ohne Frage schärfer, zielgerichteter und moderner, aber da liegt vielleicht auch ihre Schwäche begraben. Altleser werden den Charme des Ambientes, der seltsamen „Bewohner“ der Kellerbar und schließlich die aus den Fandom bekannten und auf einer persönlichen Ebene abgehandelten Themen in den begleitenden, nicht schlechten Texten ein wenig vermissen.     

  Klaus N. Frick spricht es in seinem Nachwort perfekt an. Alleine die Schwierigkeit, aus den verschiedenen Originalquellen die Geschichten/ Satiren „herauszuziehen“ und noch einmal oder immer wieder zu lesen macht die gesammelte, aber sich inzwischen auf zwei Bände  streckende Veröffentlichung der „Geschichten aus der Asimov- Kellerbar“ in Kombination mit einigen anderen Klaus Marion Texten insbesondere für Fans, die in den achtziger/ neunziger Jahren im Fandom aktiv gewesen sind, zu einer Pflichtanschaffung.  Neben den bekannten Situationen und Namen kommen den Lesern viele der Situationen vertraut und bekannt hinter den grauen Schleiern der Erinnerung vor. Man erinnert sich mit Freude oder Grausen daran. Vielleicht gräbt man die alten Fotos aus oder zeigt das Buch den eigenen Kindern, die kopfschüttelnd aus dem Zimmer rennen. Wer wenig mit dem Fandom zu tun gehabt hat, wird es danach auch nicht unbedingt mehr aktiv wollen, zumal diese Zeit trotz aller Nostalgie inzwischen vergangen und höchstens auf den sozialen Netzbuchseiten wie „Du bist keine Sf- Fan, wenn…“ wieder belebt wird.  Klaus Marion hat sie behutsam überarbeitet und teilweise aktualisiert, aber ihren Charme und ihre teilweise Bosheit haben sie nicht verloren.       

Paperback
144 Seiten
ISBN 978-3-8482-0400-7
Verlag: Books on Demand