Die verlorenen Sterne- Enigma

Jack Campbell

„Die verlorenen Sterne- Enigma“ ist der zweite Band Jack Campbells Spin- Off Serie.  Der Handlungsbogen setzt unmittelbar an „Der Ritter“ an. Es ist vielleicht nicht notwendig, die Geschichte der verlorenen Flotte zu kennen, da die meisten übertragenen Figuren kurz neu eingeführt werden, aber um die einzelnen, in erster Linie politischen Zusammenhänge besser differenzieren zu können, ist es ohne Frage empfehlenswert, diese eine teilweise alternative Perspektive zeigende Serie von Beginn an zu goutieren.

Das Ausgangsszenario ist weiterhin der Konflikt zwischen der abtrünnigen Midway Welt, auf der sich Drakon mit seinen Bodentruppen im Kampf gegen das Syndikat eingegraben hat. Das System selbst wird nur von einer Handvoll eher unterdurchschnittlich bewaffneter und vor allem nicht moderner Kriegsschiffe unter dem Kommando von Iceni verteidigt. Nachdem der erste Aufstand gegen die Herrschaft des Syndikats erfolgreich trotz aller Herausforderungen verlaufen ist, geht es jetzt darum, die im Grunde schwache Position im System ohne Raumherrschaft zumindest zu verteidigen. Die Hoffnung der Verteidiger basiert auf der Tatsache, dass die im Krieg mit den Außerirdischen auch ausgebluteten Syndikatstruppen keinen Bodeneinsatz wollen und die Vernichtung einer bewohnten Welt momentan nicht opportun ist. Zu Beginn des Buches dringt eine stark Flottille von Syndikatsschiffen in das Midway System ein. Um die Konstellation interessanter zu gestalten, folgen den Syndikatsschiffen Raumer der Außerirdischen. Jack Campbell macht im Verlaufe der stringenten Handlung zu wenig aus dem Status Quo. Die Enigma wollen ja in erster Linie Black Jack Geary – den Helden der verlorenen Flotte – töten und folgen quasi dessen Spur in das System. Geary hat nur einen Gastauftritt an Bord eines gigantischen Superschlachtschiffs, das er in der ersten Miniserie den fremden gestohlen und inzwischen für eigene Zwecke nutzbar gemacht hat. Den einzelnen Gruppen könnte Geary trotz seiner kriegsmüden Crew alleine aufgrund der Präsenz des Superschlachtschiffs Schwierigkeiten machen. Die Verschiebung des brüchigen, den ersten Roman dominierenden Status Quo auf beiden Seiten – Iceni und Drakon sind keine Freunde, sondern Konkurrenten, die sich jetzt zum zweiten Mal widerwillig verbünden müssen – wirkt allerdings kontraproduktiv und nimmt einem wichtigen Teil des vollständigen Buches buchstäblich die Balance.  Der Leser wird kaum akzeptieren, dass aus dem Helden der ersten Miniserie Geary ein reiner Opportunist wird, Daher wirken die Bedenken von Iceni und Drakon eher aufgesetzt und eine kurzzeitige Allianz mit Black Jack ist in militärischer und wahrscheinlich auch politischer Hinsicht die einzige Chance, dem übermächtigen Syndikat zu entkommen oder nicht von den allerdings Geary verfolgenden Außerirdischen ausgelöscht zu werden. Diese Quadratur des Kreises wirkt im Mittelteil des ohne Frage flott geschriebenen und seine Stärke in den militärischen Aktionen habenden Romans ermüdend und scheinen alleine dazu zu dienen, den Plot auf die bekannten fünfhundert plus Seiten aufzublähen. Ein gänzlicher Verzicht auf Geary und damit auch die Außerirdischen, ein Fokus auf die Festigung des Status Quo inklusiv des gegenseitigen Misstrauens hätte für „Enigma“ ausgereicht. 

Kritisch gesprochen haben weder Iceni noch Drakon Zeit, den Status Quo zu etablieren. Sie haben zwar gemeinsam den kurzzeitigen Sieg gegen die Syndikatsbesetzer errungen, aber anscheinend nicht die ganze Bevölkerung hinter sich. Neben der Unruhe in der Bevölkerung werden sie von verschiedenen Seiten bedroht. Auch gibt es teilweise Attentatsversuche, wobei der Autor nicht gänzlich zufriedenstellend herausarbeitet, ob es sich um Einzeltäter handelt oder das Syndikat hinterrücks den Widerstand auf diese Art und Weise zu organisieren sucht.  Hinzu kommt, dass einige Gruppen eine Fluchtbewegung organisieren, in deren Mittelpunkt das neuste und damit auch beste Kriegsraumschiff Midways steht. Diese einzelnen Szenen sind gut geschrieben und im Vergleich zu einigen anderen Sequenzen überzeugend in die Handlung eingebaut. Zwar bewegt sich Campbell immer wieder an der Grenze der Glaubwürdigkeit und versucht wie bei "Die verlorenen Sterne" extreme Reaktionen in seinen Nebenfiguren zu beschreiben, aber an einigen Stellen wirkt diese Vorgehensweise nicht nur bemüht, sondern es bleibt das unbestimmte Gefühl zurück, als würden nur einzelne Schemata abgefragt und eingesetzt. Interessanter ist ohne Frage, dass neben den Schwierigkeiten, welche die charismatischen Anführer der Teiltruppen Iceni und Drakon miteinander haben, ihre jeweiligen Stäbe eigene Ideen haben. Wie es sich nicht selten für rebellierende Truppenteile unabhängig von der Berechtigung eines Aufstandes gehört, versuchen sie sich schon für die natürlich erfolgreiche Zeit danach zu positionieren.  Viel Ärger kommt von Drakons Männern, welche auf dem Boden die schmutzige und harte Arbeit erledigt haben. Interessant ist, dass die Assistentin ein wenig zu opportunistisch die eigene fragile Position nicht nur unterwandern, sondern den bisherigen Erfolg in Frage stellen. Es ist schwierig, diese gegen alle Logik sprechende Vorgehensweise wirklich überzeugend zu beschreiben und den Leser die Tyrannei des Syndikats und die Drohung durch die Außerirdischen vergessen zu lassen. Diese Abschnitte wirken teilweise wie für einen anderen Roman geschrieben und nur in "Enigma" eingebaut. Vom Kopf her übverzeugen Iceni und Drakon mehr. Beide haben ihren Anteil am eher überraschenden Sieg und keiner will seine zumindest intern gute Position aufgeben. Auf der anderen Seite wissen die beiden Anführer, dass nicht der Krieg gewonnen, sondern nicht zuletzt dank des Überraschungsmoments eine Schlacht erfolgreich geschlagen worden ist. Diese Ambivalenz fließt in ihre Handlungen ein und nicht zuletzt wie Geary als Kopf der verlorenen Flotte und Artefakt aus einer anderen Zeit wirken die Anführer nicht nur in ihren Handlungen, sondern vor allem, hinsichtlich ihrer Überlegungen den Nebenfiguren überlegen und erscheinen dreidimensionaler, nicht unbedingt sympathischer, aber hinsichtlich ihrer Aktionen zugänglicher zu sein. 

Mit Bradamount, dem Captain der DRAGO, lässt Geary einen interessanten Mittler im Midway System zurück, der mit beiden Seiten nicht nur fertig werden muss, sondern im Grunde des Kurs seines eigenen Vorgesetzten und deswegen auch dessen Präferenzen durchsetzen muss. Ein wenig schwach erscheint, dass die Midway Flotte in den Bereich der Allianz vordringen will und muss, um 5000 Kriegsgefangene zu befreien und zum Kampf gegen das Syndikat zu überreden. In dieser Gruppe können natürlich Mitglieder der geheimen Syndikatspolizei sich verstecken und vor allem ist nicht klar, ob die Männer wirklich für ihre Freiheit kämpfen und sterben wollen. Angesichts der Risiken, Midway fast schutzlos zurück zu lassen, wirkt die Zahl der Gefangenen zu klein, die aktiviert werden sollen. Unabhängig von dieser schwer zu verstehenden Aktion liegt die Stärke des ganzen Buches wieder auf den kriegerischen Aktionen, die Campbell militärisch selbst für Laien nachvollziehbar beschreiben kann und die selbst über inzwischen fast ein Dutzend Romane immer wieder originell, abwechslungsreich und vor allem die Stärken und Schwächen dreidimensionaler Kriegsführung umfassend einschließt. In dieser Hinsicht überzeugt "Enigma" weiterhin.

Um den Leser bei der Stange zu halten präsentiert der Autor am Ende einen sehr überraschenden Cliffhanger, der von den bisherigen Handlungsarmen und vor allem Entwicklungen her nicht absehbar ist, rückblickend aber auch ein wenig zu offensichtlich die Serienkontinuität betonen soll anstatt die einzelnen Plots und vor allem einzelnen Spannungsbögen zufriedenstellender abzuschließen. Zusammenfassend ist "Enigma" eine solide Fortsetzung zu "Der Ritter". Viele Ereignisse des "Lost Fleet" Universums werden zumindest aus einer anderen Perspektive angerissen. Positiv ist, das die "Kampfstern Galactica" Konstellation der ersten Serie - alleine hinter feindlichen Linie auf dem Weg zumindest in den eigenen Raum - einem breiter angelegten und politisch ambivalent diskutierten Szenarien gewiechen ist. Politisch konservativ und teilweise mit sehr grellen, diskussionswürdigen Farben malend fehlt den Roman hervorzuhebend der pathetisch patriotische Grundton und Campbell versucht, den Aufstand gegen einer nicht mehr die eigenen Gesetze würdigenden Zentralregierung ambivalent und spannend zu gleich zu beschreiben.   Das ist ihm teilweise sehr gut gelungen, an einigen Stellen greift er aber auch zu Luftlöchern, um die Lücken im etwas phlegmatischen Mittelteil nicht immer originell aufzufüllen.

 

Bastei Taschenbuch, 554 Seiten

Erschienen Novembver 2014

ISBN 9783404207800

Originaltitel: The Lost Stars- Perilous Shield