Star Trek Enterprise- Der romulanische Krieg: Die dem Sturm trotzen

Michael A. Martin

„Die dem Sturm trotzen“ beendet den mit dem auf Deutsch als Doppelband veröffentlichten „Unter den Schwingen des Raubvogels“ begonnenen Abschnitt des romulanischen Krieges, einer Episode, die immer wieder in der Historie von „Star Trek“ erwähnt, aber selten analysiert wird. Michael A. Martin hat sich wie im ersten Buch sehr viel Mühe gegeben, seine fiktiven Beschreibungen an die bekannten Fakten und vor allem auch Figuren der „Star Trek“ Serie anzulehnen und möglichst wenig zu extrapolieren. Unter diesem Versuch, das Konzept möglichst umfangreich zu präsentieren, leidet rückblickend schließlich der ganze Roman, denn Michael A. Martin hat im Grunde kein Konzept, wie er das bekannte Ende spannend und vor allem intensiv, ambitioniert und doch ambivalent präsentieren kann.

Wie in den letzten Romanen des aufeinander aufbauenden „Enterprise“ Buchzyklus versucht Michael A. Martin mit möglichst vielen Handlungsebenen den Plot komplex aufzubauen und damit auch seine bekannten Protagonisten ein wenig aus der Schusslinie zu nehmen. Damit soll verhindert werden, dass das Gleichgewicht zwischen Glaubwürdigkeit und Fokussierung zu sehr in die zweite Richtung gibt. Auch wenn Archer und die ENTERPRISE in diesem Konflikt eine wichtige Rolle spielen, sollen sie die Verantwortung nicht alleine schultern. Bei dieser Vorgehensweise zeigen sich allerdings auch die Beschränkungen, die Michael A. Martin sich selbst leider aufgelegt hat. Da wäre zum einen sein Hang zur Wiederholung. Im letzten Drittel des Buches ist die menschliche Flotte im Grunde schon vernichtet und die Erde schutzlos. In beiden Fällen ist Archer Oberkommandierender der Einheiten. Taktisch kann man ihm nichts vorwerfen, der Feind ist einfach technologisch überlegen und hinsichtlich der Kriegsführung rücksichtloser. Die Intensität der Selbstmordeinsätze des ersten Bandes wird allerdings nicht mehr erreicht. Natürlich kommt in beiden Extremsituationen die Rettung in letzter Sekunde. Zum einen ist es ein Haufen von Klingonen, die sich gegen den Rat entschieden haben und auf eigene Faust den Menschen helfen, um nicht bei den Aggressionen der Romulaner als nächster auf dem Tablett zu enden. Am Ende sind es die vereinigten Flotten der zukünftigen Förderation Mitglieder, die sich letzt endlich ihrer Verantwortung stellen. Einmal hätte der Leser diese klischeehafte, an den Western erinnernde Vorgehensweise ohne Probleme akzeptiert, zweimal in so kurzer Zeit ist einmal zu viel. Es ist schade, dass mit dieser „Deus Ex Machina“ Rettung – so historisch zumindest eine der beiden Aktionen auch in der „Star Trek“ Chronik verankert sein mag – extrem viel Potential verschenkt wird.

Ebenfalls zu sehr konzentriert sich Michael A. Martin auf die ENTERPRISE; wenn uneigennützig die Besatzung eines fremden Raumschiffs gerettet wird und einer der Überlebenden der Sohn eines Ratmitgliedes natürlich des einen Volkes ist, dass mit ihrer technologischen Überlegenheit hinsichtlich der Hüllenpanzerung den Unterschied machen kann. Trotzdem aller politisch ablehnenden Diskussionen ist es die Geste der Menschlichkeit, die schließlich den Ausschlag gibt. Schade ist, dass nicht ein anderes Schiff uneigennützig die Wesen gerettet hat. Archer hätte ja der Nutznießer sein können, aber das Pendel schlägt zu extrem in die eine Richtung aus.

Tuckers Untergrundaktivitäten inklusiv der Verhaftung und Anklage als Spion von verschiedenen Fronten sowie seine Verbindung zu T´Pol verbinden gegen Ende zu viele lose Fäden zu opportun miteinander.  Sie sind notwendig, um die komplexe Handlung intensiver zusammenzufassen. Angesichts der Tatsache, dass Pocket Books die „Enterprise“ Bücher kurze Zeit später für zwei Jahre eingestellt und das Michael A. Martin sich anscheinend während der Entstehung dieser komplizierten Serie mit seinem Co- Autoren verkracht hat, bleibt der Eindruck, als wenn die ursprüngliche umfangreichere Konzeption der Serie förmlich eingedampft und die Handlung schon in diesem Buch abgeschlossen werden musste. Dadurch wirken die abschließenden Szenen zu hektisch, zu überstürzt und viele wichtige Ereignisse werden eher oberflächlich abgehandelt.  

Michael A. Martin präsentiert aber in seiner Geschichte des romulanischen Krieges auch eine Reihe von sehr starken, sehr überzeugenden Szenen. Immerhin greift er auf Material zurück, dessen Ausgang bekannt ist. Wie die zugrunde liegende Fernsehserie „Enterprise“ bemüht er sich, in dieser Vorgeschichte sehr viele unbekannte Karten auszuspielen und den Konflikt unabhängig von den grausamen, aber auch erstaunlich distanziert beschriebenen Schlachtszenen auf emotionalen Ebenen zu erzählen.

Auch hat der Autor einige der Nebenfiguren wie Hoshi wieder besser im Griff. Nach der kleineren Meuterei an Bord der ENTERPRISE nach der Kobayashi Maru Herausforderung funktioniert die Crew angesichts der schwierigen Situation wieder besser als Team. Michael A. Martin gewährt einigen Crewmitgliedern einige Szenen des Ruhm und der Zusammenhalt ist ein wichtiger Eckpfeiler nicht nur der ganzen Serie, sondern dieser Buchreihe. Auf der anderen, ebenfalls positiven Seite weitet Michael A. Martin das Spektrum ausgezeichnet aus. Wie beim Doppelband ist das Bitten um die Hilfe ausgerechnet bei den Klingonen und zusätzlich als indirekte Provokation durch Archer ein roter Faden, der sich lange durch den Plot zieht. Neben den Andorianern werden einige andere Rassen vorgestellt. Dabei bemüht sich Michael A. Martin die Neuleser unauffällig und wenig belehrend auf das Niveau der Fans zu hieven und so die hohe, teilweise zu rasante Geschwindigkeit der Geschichte nicht abbremsenden zu müssen. Hinsichtlich der Romulaner bemüht er sich, das Volk und seine Offiziere als nicht nur arrogante und selbst verliebte Aggressoren zu beschreiben, sondern hinsichtlich des schmalen Grads zwischen Erfolg und Gesichtsverlust nuanciert vorzugehen.

Die Liebesgeschichte zwischen Tucker und T´Pol ist ein wichtiger Aspekt des Romans, ohne das der Autor in den Bereich des Kitsches abdriftet. Wie schon erwähnt bedeutet die nahtlose Informationsbeschaffung eine spannungstechnische Schwächung, da in der durchschnittlichen zweiten Hälfte des vorliegenden Romans zu viel zu einfach geht, während anfänglich durch die verschiedenen Ebenen und im Grunde die kontinuierlichen Niederlagen der Inhalt komplexer erscheint und die einzelnen Handlungsebenen autarker nebeneinander stehen konnten. Im Gegensatz zum ersten Doppelband setzt Michael A. Martin mit der Reporterin Rachel, die auf eigene Faust operiert, eine interessante und potentiell vielschichtige Figur zu wenig ein, um auch innerhalb der Menschheit für Zwietracht zu säen und die Situation eines ungünstigen Kriegsverlaufs mit der ausschließlich defensiven Verteidigungsstrategie für die Öffentlichkeit zu hinterfragen.   

In Bezug auf den „Star Trek“ Kosmos muss allerdings angemerkt werden, dass Michael A. Martin seinen romulanischen Krieg allerdings an die bestehende, der ursprünglichen Serie widersprechende Ordnung angepasst hat. Neben der Wiederauferstehung Tuckers in einem der ersten Roman dieser Buchserie ist es das Vorhandensein von WARP Technologie über den Faktor zwei hinaus, das den größten Unterschied ausmacht. In der neuen Serie verfügen die Romulaner über rudimentäre, der Erde aber überlegene WARP Technologie. Die Erde hat nur zu Beginn des Konflikts eine Handvoll von Warp 5 Raumschiffen. Die Romulaner versuchen mit der Fernsteuerungstechnologie – ein weiteres Novum der Serie – Raumschiff zu stehlen, die über WARP 7 Antriebe verfügen bzw. auf einem geheimen Planeten diese aus der vorhandenen Technik zu extrapolieren. 

Auch ist ein vulkanisches Abwehrnetz – so fehlerhaft es auch sein mag – vorhanden, während Kirk und Co. in der originalen Serie ja mit Staunen auf ein Netz im All reagiert haben. Kenntnisse ähnlicher vulkanischer Technologie hätten in diesem Fall weniger Erstaunen hervorgerufen. Auf der anderen Seite versucht Michal A. Martin auf der Charakterebene mit dem Rückgriff auf aus der ENTERPRISE wie auch der originalen Serie bekannten Figuren das Universum besser zu verbinden. Das gelingt dem Autor insbesondere im Mittelteil, in dem weniger der originäre Konflikt vorangetrieben als die verschiedenen Ebenen verdichtet werden. Immer wenn Michael A. Martin den einzelnen Sequenzen ein wenig mehr Tiefe gönnt und nicht hektisch zwischen den Spannungsbögen, von denen einige eher wenig zufrieden stellend abgeschlossen werden, hin und her springt, erscheint „Der romulanische Krieg“ als das Epos, das sich der Autor wahrscheinlich vorgestellt hat.

Zusammenfassend ist „Die dem Sturm trotzen“ – die Menschheit trotz dem Sturm nicht, sondern führt einen langsamen verzweifelten Verteidigungskrieg, bevor schließlich doppelt Rettung in letzter Sekunde kommt – ein nicht ganz zufrieden stellender Abschluss dieser Miniserie innerhalb der ENTERPRISE Bücher. Michael A. Martin hat aus nicht bekannten Gründen die Konzeption seiner Bücher abgekürzt und mit dem vorliegenden Band abgeschlossen. Christopher L. Bennett hat den Aufstieg der Federation anschließend in einer Trilogie ausführlicher und “ruhiger” beschrieben. So wirkt „Der romulanische Krieg“ als Ganzes ein wenig unfertig, auch wenn es dem Autoren gelungen ist, eine viel besprochene, aber wenig hinsichtlich der Details bekannte Episode im ENTERPRISE Universum trotz der angesprochenen Schwächen vielschichtig und ohne Frage ambitioniert zu erzählen.  

 

Verlag Cross Cult

Taschenbuch, 360 Seiten, s/w, 18 x 13 cm
ISBN: 9783864252952

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