Das neue Buch Hiob

Robert A. Heinlein

Während einer der letzten Robert A. Heinlein Romans im Original „Job – a Comedy of Justice“ genannt wird, ist der Titel der deutschen Ausgabe „Das neue Buch Hiob“ vielleicht sogar effektiver. Wie Hiob und seine Botschaften schickt Heinlein seinen Protagonisten Alex Hergensheimer durch verschiedene Welten und schließlich sowohl in den bürokratischen Himmel als auch die unorthodoxe Höhle, um am Ende etwas zu erkennen: nur die wahre Liebe zählt. Das wirkt kitschig und vielleicht sogar langweilig, aber im Vergleich zu Fernsehserien wie „Sliders“, in denen eine Gruppe über verschiedene Welten wanderte,  wirkt sein Ansatz selbstironischer und damit auch pointierter. Vielleicht ein wenig zu belehrend müssen die beiden wichtigsten Protagonisten Alex Gergesheimer und seine nordische „Göttin“ sich nicht nur aufeinander zu bewegen, sondern vor allem einen Mittelweg finden, um abseits der monetären Herausforderungen und Bedürfnisse miteinander glücklich zu werden. Wenn Kritiker wie Brian W. Aldiss davon sprechen, dass sich durch die zahlreichen, nicht kontrollierbaren Übergänge Plotteile wiederholen oder langweilig erscheinen, Heinlein durch Tempowechsel keine innere Spannung aufbaut oder die Auflösung des Buches belehrend pathetisch ist, so hat Aldiss Recht und Unrecht zu gleich. Wie in einigen seiner späteren Arbeiten liegt der Wert seiner Arbeit nicht in der Summe der einzelnen Teile, sondern zwischen den insbesondere in „Die Zahl des Tieres“ oder „Die Katze, die durch die Wand ging“ geschwätzigen Passagen, wenn Heinlein mit seinem subversivem Humor die Mauer zum Leser durchbricht und ihn von seinen Protagonisten immer wieder ansprechen lässt. Hinzu kommt, dass er im Vergleich zu vielen anderen Autoren auch in der Ich- Erzählperspektive trotz oder gerade dank der entsprechenden Einschränkungen sich als unzuverlässiger Erzähler erweist, dessen frustriertes Handeln so gar nicht dem amerikanischen Traum entspricht. Alex findet sich plötzlich in einer fremden Welt und in einem fremden Körper wieder. Der christlich politische Aktivist scheint über eine Million Dollar in einem Koffer an Bord des Luxuskreuzfahrtschiffs zu verfügen. Zusätzlich scheint niemand den Körpertausch zu bemerken. Um ihn kümmert sich mehr als es zu ihrem Job gehört eine dänische Hostess mit Namen Margrethe, die anscheinend mit dem Original eine Beziehung gehabt hat. Der verheiratete, aber unglückliche Alex versucht die attraktive Frau anfänglich auf Distanz zu halten. Selbst der Besuch zweier Handlanger eines örtlichen Gangsters kann ihn nicht überzeugen. In einer Hommage an den Untergang der Titanic versinkt das Kreuzfahrtschiff in dem Augenblick, in dem Alex zum ersten Mal erkennt, dass Margrethe die Frau seines Lebens werden könnte. Sie wachen in einer Parallelwelt auf und müssen sich mit jedem Wechsel ihren Weg quasi von der mexikanischen Küste bis nach Kansas – eine weitere Hommage an in diesem Film „The Wizard of Oz“, da immer wieder betont wird, das sie entweder noch nicht oder nicht mehr in Kansas sind – zurück erkämpfen. Unabhängig vom rückblickend enthüllten Spiel der Götter, das nur in der Theorie eine wirklich originelle und von Heinlein allenfalls effektiv, aber nicht inspiriert eingesetzte Idee ist, durchzieht den Roman das Bild eines Tellerwäschers und einer Kellnerin. Die meisten Jobs, die Alex und Margrethe aufgrund ihrer fehlenden oder falschen Papiere in jeder Parallelwelt erhalten, sind ausgesprochen die niedrig bezahlten Arbeiten, aus denen als Versinnbildlichung des amerikanischen Traumes Millionäre hervor gegangen sind.  

Wie schon eingangs erwähnt muss der Leser diese selbstironische Geschichte nicht gänzlich ernst nehmen. Schon der Originaltitel weist auf die Idee einer selbstgerechten Komödie hin, denn Gerechtigkeit erfährt keiner der Protagonisten und abschließend findet Alex auch nur das vor, was er anfänglich abgelehnt hat. Wie Thomas Mann mit der biblischen Geschichte „Josef und seiner Brüder“ hat Robert A. Heinlein den Hiob der Bibel in eine fiktive Gegenwart gesetzt, wobei die Unglücke, die ihm passieren, im Vergleich zum Original deutlich geringer sind. Natürlich stört ihn der Wechsel zwischen den Welten und wie Sisyphus muss er nach jedem Wechsel arm und „nackt“ wieder anfangen. Auch wenn er seine Kleidung mitnehmen kann, ist das Geld nicht mehr gültig und die Ausweise greifen nicht. Frustrierend wird es, wenn er seiner Freundin ihren sehnlichsten Wunsch – eine besondere Leckerei – gerade erfüllen will, um sich mit ihr in einer anderen Welt wieder arm und weiter denn je vom Ziel der Träume entfernt wiederfindet. An einer anderen Stelle haben sie ein Kaffee aufgemacht, von dem sie sich unfreiwillig wieder trennen müssen. Dieser Abstieg auf das Niveau im Grunde der illegalen Eiwanderer wird von ihm teilweise mit Humor begleitet. Gleichzeitig fordern ihn die Götter in seinem eher ambivalent beschriebenen Glauben heraus. Bigotterie, ein wenig Arroganz und eine quasireligiöse Gesinnung zeichnen Alex aus. Aldiss hat ohne Frage recht, das sich im Mittelteil des kurzweilig geschriebenen, jegliche Struktur immer wieder unterminierenden Romans das Element der Wiederholung- Auftauchen in einer neuen, aber nicht unbedingt fremden Welt; Orientierungsphase und Arbeit, bevor dem nächsten Verschwinden – einschleicht, bis erstens die beiden Protagonisten ihre jeweiligen Ausgangswelten besuchen, in denen insbesondere Alexs wahres Wesen noch bekannt ist und sie zweitens getrennt werden, so dass in einer ironischen Übersteigerung der Abrechnung mit Religion im Allgemeinen und den Moralvorstellungen im besonderen Alex nicht Himmel und Hölle in Bewegung setzen muss, um seine Freundin zurück zu gewinnen, sondern tatsächlich beide Orte besucht und vor neue Herausforderungen, die Tiefe des Liebe betreffend im überdrehten Schlussdrittels des Romans gestellt wird. 

Im Himmel angekommen entpuppen sich die Götter eher als die nordischen Inkarnationen mit menschlichen Schwächen und einem Hang zum Spielen, Selbst eine Begegnung mit seiner eigentlichen Frau sowie die Idee einer Heiligsprechung können Alex von seiner Suche nach der verschwundenen Traumfrau nicht abhalten. Immer am Rande zur Farce wendet sich Heinlein auch vom eigenen Werk mit dem Auftauchen der Familie Farnsworth – sie erinnern an die amerikanischen Pioniere seiner Jugendromane mit reinen Gedanken und zupackenden Händen – ab und präsentiert eine religiöse Farce, in der Heinlein vor allem die falsche Symbolik und das Einpressen des Glaubens in die Regeln jeder Kirche pointiert, zynisch und stellenweise auch sehr ambivalent karikiert. So wird wie schon angesprochen Alex religiös richtig bei der Frage nach Hilfe hinsichtlich der Suche nach seiner „Frau“ dessen erste, eheliche Frau präsentiert und nicht Margrethe. Einerseits angesichts seines Lotterlebens beschämt versucht er andererseits herauszufinden, warum diese Ehe nicht geklappt hat. Da Gott seine Freundin nicht präsentieren kann – Heinlein malt wunderbare Bilder vom Mann auf einem überdimensionalen Thron -, geht Alex in die Hölle, wo zumindest bürokratische Ordnung herrscht. Viele Aspekte in diesem Abschnitt werden dem Leser auch aus einer sehr frühen Kurzgeschichte um Jonathan Hoeg vertraut vorkommen. Wie in dem Text ist die Hölle in erster Linie produktiv und es herrscht im Vergleich zu den arroganten, selbst verliebten Engeln so etwas wie Ordnung mit einem frustrierten Oberteufel, der allerdings die allgegenwärtige Bürokratie nicht in den Griff bekommt.  Auf dem Weg dahin werden Alex und seine Magrethe ja auch durch die Heimsuchung getrennt, die Alex in den Himmel und seine Freundin in die Hände eines aber kaum relevanten Odin gespült. Wie eng Heinleins Ironie mit dem Plot verbunden ist, zeigt sich auch an anderen Stellen, wenn ausgerechnet Satan der Gastgeber in Texas ist oder der Autor indirekt Mark Twain zitiert.  Natürlich fehlt dieser Komödie die innere Schärfe, die Heinleins in erster Linie politische Exzesse und leider belehrende soziale Studien nach „Survival of the Fittest“ Manier insbesondere im mittleren Abschnitt seiner Karriere ausgezeichnet haben. Manche Welt wirkt zu ambivalent, zu gewöhnlich gezeichnet und der Leser wünscht sich vor dem Höhepunkt mit Himmel/ Hölle einiger bitterböse Kommentare oder zumindest intensivere Situationen, bevor am Ende mit dem obligatorischen, aber nicht klischeehaften Happy End dieser kurzweilig zu lesende, erstaunlich souverän ironisch gestaltete Roman fast ein zu abruptes Ende findet.               

 

       

 

 

  • Taschenbuch
  • Verlag: Bastei Lübbe; Auflage: 1. Taschenbuchauflage, (1989)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3404241185
  • ISBN-13: 978-3404241187