Perry Rhodan Neo 90 "Flucht ins Verderben"

Rainer Schorm

Rainer Schorm kümmert sich in seinen zwei Handlungsbögen einmal um den Widerstand gegen die Arkoniden auf dem Mars und um die Geschichte der Ilts. Das verbindende Element wäre Gucky, der mit zwei weiteren Mutanten ein arkonidisches Raumschiff kapern , um die Suche nach de n Goldenen zu forcieren.  Rainer Schorm spricht aber in seinem Roman einen Punkt an, der bislang nur wenig zur Sprache gekommen ist. Anscheinend greifen die Arkoniden auf dem Mars deutlich härter durch. So vermittelt die Kommandantin des Raumschiffs einen Kontakt zu der Free Mars Bewegung, die aber die offizielle Kaperung des Arkonidenraumschiffs ablehnen, weil sie starke Repressalien befürchten.  Man entschließt sich, ohne diese Organisation den Frachter zu erobern.  Bei den bisherigen, teilweise sehr waghalsigen Aktionen auf der Erde ist niemals das Thema angesprochen worden, dass die Arkoniden unschuldige Menschen kollektiv bestrafen würden. Auch wenn es niemals expliziert ausgesprochen worden ist, scheinen aber derartige Aktionen in der langen Vergangenheit der Arkoniden nicht unüblich gewesen zu sein. Immer wieder stieß ja Perry Rhodan auf die Spuren dieser Aktionen, als er die Daten der Erde aus dem Epetrans Archiv löschen wollte. Bislang ist insbesondere Free Earth von dieser Möglichkeit nicht ausgegangen. Auf dem Mars wirkt die Vorgehensweise der Unterorganisation eher pragmatisch, in dem sie den Aktionen der Arkoniden eher passiv folgen.  Das bisherige Terraforming Projekt erfordert, dass der marsianischen Ökosphäre ausreichend Wasser hinzugefügt wird. Das Wasser kommt vom Jupitermond Europa und nicht von der Erde, was anfänglich praktischer gewesen wäre. Auf dem Mond gibt es umgehend eine entsprechende Basis zum Abbau des  Wassereis.  Dort arbeiten auch Terraner. Der Ärztin gelingt es, die fünfzig Menschen und einen bewusstlosen Ilt umfassende Kapergruppe in die Station zu schleusen. Das dabei fünfzig Menschen auf dem Mars zurückbleiben, von denen vielleicht eine quatschen könnte, wird bei dieser Aktion nicht bedacht. Die Sensorschnittstellen werden mittels Sprengladungen zerstört, was allerdings fatale Folgen hat. Wie in den letzten Romanen wirkt die Vorgehensweise nicht nur dem Prinzip Zufall geschuldet, sie ist angesichts des Prinzip von Ursache und Wirkung in diesem immer noch frühen Stadion der Arkonidenbesetzung und hinsichtlich ihrer möglichen Aktivitäten nicht nachvollziehbar. Immerhin wäre es vielleicht effektiver gewesen, die Station auf dem Jupitermond zu zerstören und die Grundstrukturen zu zerstören, als mit dieser Aktion auf sich aufmerksam zu machen. Das Ende mit der Flucht in die Tiefen des Alls und dem Auftauchen eines „alten“ Bekannten als Retter in letzter Sekunde ist bemüht und beendet einen eher schwachen, spannungsarmen entwickelten Handlungsbogen, in dem die laufende Grundhandlung wie bei fast allen Taschenheften dieser Miniserie nicht komplex genug vorangetragen wird. Es ist erstaunlich, dass die Autoren es nicht schaffen, diesen Widerstandskampf epochaler und damit auch zugänglicher zu beschreiben. Grundsätzlich sind die Actionszenen nicht einmal in sich schlecht geschrieben worden, aber der Leser hat das unbestimmte Gefühl, als agiere jeder für sich in seinem kleinen Exposeuniversum und viele wichtige Punkte geben kein geschlossenes Bild vor allem auch hinsichtlich der absoluten Vorgehensweise der Arkoniden. Auch in der alten Serie haben sich die Pläne nicht selten erst in den letzten Heften eines Zyklus entschlossen, aber hier fehlt zu viel von einem äußerlichen Gerüst, als dass wirklich Spannung erzeugt wird.

Auf der anderen Seite fehlt den notwendigen Rückblicken in die Vergangenheit die ausreichend Tragweite. Nicht selten erscheinen sie ein wenig gequetscht und zu stark konstruiert mit der laufenden Handlung verbunden. Im vorliegenden Fall erfährt der Leser einiges über das Schicksal der Ilts im Allgemeinen und sogar Guckys Familie, wobei keiner der Autoren im Vergleich zur Erstauflage mit Leo Lucas und Michael Marcus Thurner mit dieser Figur wirklich etwas schriftstellerisch anfangen kann.  

Die Zerstörung des Weltenspalters sorgte dafür, dass die Orghs von den Arkoniden mit einer Art Nachfolgeprojekt beauftragt worden sind. Sie sollten aus den Ilts eine Waffe entwickeln. Alleine diese Prämisse ist gewöhnungsbedürftig. Wenn man wie die Transformerkanone eine mächtige Waffe in den Händen halten will und der Weltenspalter in eine ähnliche Richtung zielt, dann erscheint der Umkehrschluss wenig sinnig, aus den Ilts derartig machtvolle Waffen zu machen. Selbst Kamikazeattacken als springende Bomben wären durch die begrenzte Zahl der Ilts wenig sinnvoll gewesen. Ebenfalls interessant ist, dass bei der Entwicklung besonderer Waffen/ Erfindungen der Fokus immer sehr begrenzt ist und das parallele Arbeiten unterschiedliche Gruppen an übergeordneten Zielen wenig bis gar keine Rolle spielt.  Die Waffen sind so unterschiedlich, ihre Einsatzmöglichkeiten so verschieden, dass diese Prämisse einfach dazu herhalten muss, um die Flucht der Orghs mit den Ilts spektakulär und für die laufende Handlung passend darzustellen.  Sie stehlen einen unbewaffneten Flüchtlingsraumer, bauen ihn um, lösen die Tramp Kolonie der Ilts auf und starten mit ihren genau 21 Raumschiffen inklusiv des fliegenden Hochsicherheitsgefängnisses für die Ilts.  Sie treffen nicht auf die Fantan wie auf der anderen Handlungsebene, sondern auf die Kobaltwalze und Carfesch, der eine Übernahme der pelzigen Gefangenen anbietet.  Angeblich seien die Ilts schlecht.  Es folgt neben der Diskussion eine wenig spektakuläre Selbstbefreiung der Ilts – die Orghs agieren ausgesprochen naiv -  inklusiv dem Hinweis, dass Carfesh eine Ablehnung seines nicht abzulehnenden Angebots nicht akzeptiert hätte. Trotzdem gelingt den Ilts unter der Führung von Guckys Vater die Flucht. Für einen Goldenen und über ein mächtiges Raumschiff verfügend agiert Carfesh vielleicht als Teil eines bislang unbekannten Plans genau wie die Orghs zu langsam und plötzlich zu zögerlich. Rainer Schorm bemüht sich zwar, die Flucht überzeugend zu beschreiben, im Grunde wirkt sie aber wie Stückwerk. Am Ende schlafen die Ilts natürlich in den an Bord des gestohlenen Raumschiffs vorhandenen Tiefschlafliegen an einem sicheren Ort fast zehntausend Jahre, um auf dem jetzt Tramp genannten Planeten ein natürlich naturverbundenes idyllisches Leben genießen. Unter der Federführung Guckys spielt sogar mit dem Mond, um eine Melodie durch das ein manipuliertes Eintreten des Mondes in die Atmosphäre zu erzeugen. Hier geht dem Autoren die Phantasie durch. In der Erstauflage werden Guckys Kräfte absichtlich eingeschränkt, hier funktioniert es plötzlich grenzenlos.  Selbst verschiedene Ilts sollten nicht solche Kräfte haben und wenn müsste das Element überzeugend in die Handlung eingebaut werden. Prompt sind die Goldenen da und bringen alle Ilts um. Und wie es sich gehört, kommen die Fantan, um den letzten Überlebenden der Ilts – Gucky – als Besun einzusammeln.  

Auch wenn einige Szenen dunkel erscheinen – so wurden die Ilts immer wieder von den Goldenen für grausame Experimente missbraucht und auch Guckys Mutter Sata starb an den Misshandlungen – gelingt es Rainer Schorm nicht, aus diesen Vorgaben eine überzeugende Handlung zu entwickeln. Von der Unglaubwürdigkeit der Idee, statt des Weltenspalters aus den Ilts pragmatisch Waffen ähnlicher Zerstörungskraft zu machen über die mehrfache Flucht bis zum konstruierten Auftauchen der Goldenen schleppt sich dieser Handlungsbogen leider teilweise ausgesprochen zäh und vor allem wenig dramaturgisch geschickt aufgebaut dahin. Unabhängig von den unglaubwürdigen Szenen wirkt das Geschehen durch die komprimierte Darstellung – zehntausend Jahre vergehen im Flug bzw. im Schlaf – noch übertriebener. Der Spannungsbogen hätte entweder dem erzähltechnischen Platz angepasst werden sollen.  So bleibt auf beiden Handlungsebene ein schaler Beigeschmack zurück, wobei zumindest die Vergangenheit der Ilts emotionaler ist als leider die unglaubwürdige Haupthandlung.

Pabel Verlag, Taschenheft

160 Seiten,

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