Robert A. Heinlein, Volume 2: In Dialogue with His Century: 1948-1988: The Man Who Learned Better

William Patterson jr.

William H. Patterson hat den zweiten Teil seiner autorisierten Robert A. Heinlein Biographie die Jahre 1948 – seine Hochzeit mit Virginia Heinlein – bis 1985 mit dem Titel „The Man who learned better“ untertitelt. Auf den ersten Blick macht diese Aussage wenig Sinn, Heinlein zuerst im Dialog mit dem Jahrhundert gestanden hat. Aber es ist der zweite Blick beginnend vom kurzen, prägnanten und im Vergleich zu einigen späteren Textstellen ungewöhnlich lebhaften Vorwort auf diese Lebensjahre, der die Intention des Autoren deutlich macht.  Heinlein hat aus den ersten Lebensjahren mit Höhen und Tiefen gelernt. Kaum hat Patterson se Thesen als Basis für den zweiten Teil seiner Biographie formuliert, stößt er sie auch wieder um, in dem er relativiert, dass sich insbesondere Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinem liberalen Linksruck und vor allem seiner Aufweichung der klassischen moralischen Werte vom Autor entfernt hat und sieht Heinlein in der schwierigen Rolle des Chamäleon, das sich auf der einen Seite innerlich treu bleiben muss, auf der anderen Seite aber zumindest ein wenig auf die Marktströmungen achten sollte, um ausreichend Geld zu verdienen. Und das Verdienen seines Lebensunterhaltes hat Heinlein lange Zeit vor die eigentliche Kunst gestellt. 

 Literarisch stand der Amerikaner ab dem Ende des Zweiten Weltkriegs  nicht nur durch seine Mitarbeit am Drehbuch zu „Destination Moon“ – in den ersten drei Kapiteln wird hier noch einmal expliziert drauf eingegangen – sowie den stetigen Erfolg seiner Jugendbücher vor dem literarischen und damit auch kommerziellen, trotzdem nicht einfachen Durchbruch. Mit Virginia Heinlein hat er nicht nur eine kongeniale Partnerin gefunden, sondern gleichzeitig eine Sekretärin und Muse. Es ist erstaunlich, wie oft Robert A. Heinlein anscheinend unter kleineren Schreibblockaden gelitten hat, wobei in erster Linie die Suche nach der buchstäblich zündenden Idee für ihn frustrierend gewesen ist. Wenn er seine Frau zu einem offiziellen Termin bestellt, um Ideen für Geschichten auszutauschen, bleibt der Leser verblüfft zurück. Auf der anderen Seite hat Heinlein kurze Zeit später zum Beispiel dem unter einer langen Schreibblockade leidenden Sturgeon einen Umschlag mit zwanzig mehr oder minder ausgearbeiteten Kurzgeschichtenideen unaufgefordert zugeschickt. Schon im ersten Band ist Patterson Virginia Heinleins Aufforderung gefolgt, eine wenig kritische, nicht unbedingt intime, die literarischen Leitungen Heinleins aber betonende Biographie zu schreiben. Während es inzwischen bewiesen ist, dass Virginia Heinlein posthum umgehend begonnen hat, das durchaus kritische Bild von Robert A. Heinlein zu korrigieren und alle Ecken/ Kanten abzuschleifen, ist es schwer, über sie als wichtigste Bezugspunkte Heinleins sich ein neutrales Urteil zu bilden. Patterson macht es sich zu einfach. Er übernimmt Virginia Heinleins Aussagen und lässt viele wichtige relevante Passagen im Raum stehen. Ein erster Widerspruch ergibt sich, wenn Heinlein in einem anfänglichen Zitat aus einem Brief 1942 an John W. Campbell von seinem Patriotismus gegenüber Amerika und all seinen Werten schreibt, er auf der anderen Seite aber von Hubbard aufgrund seines kritischen Geistes zum idealen Mitglied der neuen „Dianetik“ Bewegung stilisiert wird. Robert A. Heinlein lehnte es allerdings ab, Hubbards Thesen in Kurzform zu studieren, sondern wollte das veröffentlichte Werk lesen. Interessant ist, dass Virginia Heinlein es zuerst tat und den Inhalt als gefährlich auch für ihren Mann ablehnte. Patterson müsste normalerweise auf die Hubbard Thesen ein wenig intensiver eingehen und sie in den historischen Kontext stellen, da Heinlein und Hubbard lange Zeit Freunde gewesen sind. So bleibt es dem Leser selbst überlassen, ob er sich mit dieser Frühform der heutigen „Scientology“ Sekte von John W. Campbell auch in „Astounding“ propagiert beschäftigen möchte oder nicht. Einen breiteren Raum nimmt dagegen der erste eigene Hausbau ein. Aus Hollywood zurückgekehrt errichtete Heinlein sein eigenes Haus, wobei er sich als stoischer, auf seinem Recht bestehender Nachbar erwies, während er gleichzeitig wegen einiger Projekte immer versuchte, ausreichend flüssig zu sein. Auch Heinleins Begegnung mit dem frühen Hollywood besteht in erster Linie aus der Aneinanderreihung von Besuchen bei und von Freunden. Interessant ist viel mehr, dass zumindest in diese Phase auch die erste, rudimentäre Fassung von „Ein Mann in einer fremden Welt“ fällt und dass Heinlein soziale Beziehungen bis hin zum implizierten Sex von einem außerhalb der irdischen Gesellschaft geborenen Mann zu planen begann. Kiplings „Mogli“ diente dabei als Vorbild.  In diesem Zusammenhang ist ebenfalls interessant zu lesen, dass Heinlein mehr und mehr von dem engen Korsett seines Jugendbuchverlags Scribner sich eingeengt fühlt und mit Ideen auszubrechen suchte. Auch in diesem wichtigen Punkt greift Patterson zwar auf einiges an Material zurück, bleibt aber rückblickend zu oberflächlich.     

Patterson unterteilt im Folgenden seine Biographie im Grunde in drei statt vier Blöcke. Die Zusammenarbeit mit den Medien – Kino, Fernsehen und Radio – wird relativ schnell abgehandelt, da das Interesse an einer visuellen Umsetzung von Heinleins Werk insbesondere in den sechziger und siebziger Jahren schwand. Erst mit der Adaption von „Starship Troopers“ und „Puppetmasters“ griff Hollywood verstärkt im 21. Jahrhundert nach seinen Vorlagen. Da Heinlein sehr kommerziell orientiert gewesen ist, hat sich die Zusammenarbeit durch das Verhältnis Zeitaufwand/ Ertrag nicht wirklich gelohnt. Es wirkt durch beide Bände der Biographie ermüdend, wie oft Patterson das rechtzeitige Eintreffen eines Schecks erwähnt, damit Heinlein an seinem Haus weiter arbeiten; eine pünktliche Steuerzahlung leisten oder sich etwas besser ernähern kann. Wenn ein Überschuss erwirtschaftet worden ist, haben ihn die Heinleins absichtlich in dieser Phase „verbracht“. Die Weltreise wird ausführlich beschrieben. Auch eine seltene Reise nach Europa unabhängig von den Trips durch die USA wird ausführlich erwähnt. Auch wenn das Reisen zu anderen Kulturen insbesondere Heinlein inspiriert hat, wirken die Anekdoten wie die Geschichten einer Familie, die am liebsten bequem im Sessel um die Erde gereist wäre. Eine sicherlich unbekannte Facette dabei ist, dass die Heinleins auch in den frühen sechziger Jahren in die UdSSR gereist sind. Zu der Zeit, als er mit der Politik seines Landes unzufrieden gewesen ist. Die Zeit, in welcher er mit „Starship Troopers“ ja nicht zuletzt aufgrund der politischen Zwischentöne ein schwieriges Buch verfasst hat und ausgerechnet in den Tagen, in denen die Sowjetunion die amerikanische Aufklärungsmaschine „U2“ über ihrem Gebiet abgeschossen hat. Auch wenn sich Patterson bei den Beschreibungen der Reisen auf einige Höhepunkte, das immer unterdurchschnittliche Essen und in diesem Fall die Angst vor einer Inhaftierung, einem Verschwinden in der Sowjetunion konzentriert, geben sie einen weiteren Einblick in den Privatmenschen Heinlein, der nicht nur argumentierte, sondern auch durch eigene Anschauung seinen Horizont teilweise penibel zu erweitern suchte. Das diese detaillierte Arbeitsweise nicht immer von Partnern so aufgenommen worden ist, wie es der Amerikaner beabsichtigte, zeigt eine Zusammenfassung seiner Fernsehaktivitäten.

 Heinlein hat für eine auf seinen Geschichten basierende Serie Drehbücher geschrieben und dabei zwei/ drei Originalgeschichten entwickelt. Aus der auf dem Titel seines Romans „Space Cadett“ basierenden Fernsehserie gab es Tantiemen, Schmerzensgeld ohne künstlerischen Einfluss und „Destination Moon“ warf am Ende auch ein wenig ab. Aber Patterson erweckt wahrscheinlich berechtigt den Eindruck, als wenn Heinlein nur in einem begrenzten Maße mit anderen kreativen Menschen zusammenarbeiten kann. Ausnahme ist seine Frau Virginia. Später hat Heinlein nicht zuletzt durch das Plagiat „The Brain Eaters“ basierend auf seiner Invasionsgeschichte „The Puppet Masters“ endgültig vom Fernsehen/ Kino die Finger gelassen. Interessant ist, dass er ab diesem Augenblick nicht zuletzt durch die umstrittene Reflektion seiner Romane „Starship Troopers“ und „Stranger in a strange Land“ selbst zu einer „Medienpersönlichkeit“ geworden ist.

 Unabhängig von diesem kurzen, aber für ihn finanziell in den schwierigen fünfziger Jahren noch wichtigen Exkurs sind drei Blöcke in seine Biographie interessant. Das Entstehen seiner Werke inklusiv der Auseinandersetzungen mit der Lektorin seiner Jugendbücher, aus denen der Leser Heinleins Intentionen vielschichtige, aber auch dickköpfig ablesen kann. Das Verhältnis Heinleins zu seiner Umwelt, beginnend mit den engsten Freunden über die vor allem seine Kreativität befruchtende Partnerschaft mit Virginia und dann Heinleins politische Meinungen.

Es lohnt sich mit diesem Aspekt seiner Persönlichkeit anzufangen. Anfänglich insbesondere vor seiner Militärzeit von H.G. Wells beeindruckt eher ein links orientierter Autor mit der Idee, dass der Zeit für das Gemeinschaftswohl seiner Bürger auf einem verträglichen Niveau zuständig ist, die Bürger sich aber selbst entwickeln müssen. „For us, the Living“ könnte hier der Leitfaden sein, obwohl das Buch ja erst nach Heinleins Tod veröffentlicht worden ist. Patterson argumentiert, dass Heinlein bei seinen patriotischen und konservativen ausgesprochen pragmatischen Einstellungen – Eigenverantwortung, das Recht sich zu Wehren und schließlich auch die Pflicht, seinem Staat zu helfen -  geblieben ist, während sein Land nach dem Zweiten Weltkrieg trotz aller gegenteiligen Behauptungen einen sozialistischen Linksruck vollzogen hat. Dabei reicht das Spektrum der Beispiele von der Idee, dass Roosevelt den Angriff auf Pearl Harbour wissentlich in Kauf genommen hat, im Großbritannien im Krieg zu helfen bis zur Übergabe amerikanischer Panzer an den Kommunisten Tito, der damit sich ein wenig gegen Stalin stellen sollte. Auch wenn es wenig nachvollziehbare Beispiele für eine grundsätzliche Änderung seiner politischen Einstellung gibt, konzentriert sich Patterson auf die verschiedenen amerikanischen Präsidentschaftswahlen und versucht daraus Heinleins Unzufriedenheit mit dem System abzuleiten. Dabei wird Heinlein nicht als der erzkonservative, rein pathetisch patriotische Westentaschenpolitiker beschrieben. Eine Kampagne in den sechziger Jahren, wieder in die Politik zurückzukehren und Amerika als Land, das beachtet und gefürchtet wird, wieder zu etablieren, scheitert eher an den Kleingeistern seiner Gemeinde inklusiv eines erstaunlich offenen Briefes. Heinlein scheut die Konfrontation nicht. Aber wie in seinem Werk verabscheut er einige Dinge, die er auch offen anspricht. Politische Dummheit von aus seiner Sicht unfähigen Männern, die durch Beziehungen und nicht aufgrund ihrer Qualitäten in die entsprechenden Ämter gewählt worden sind. Kriege zu führen, um das amerikanische Demokratieverständnis als eine Art Sendungsbewusstsein in die Welt zu tragen und nicht, um sich zu verteidigen oder hilflose Menschen zu schützen. Die Idee der Entwicklungshilfe an die Menschen, die auf der anderen Seite das Geld nehmend die USA öffentlich propagandistisch als Unrechtsstaat anprangern.  Selbst schon in den Siebzigern hat Heinlein noch das kommunistische China genauso besucht wie die Soldatenfriedhöfe in Asien. Er ist auf einem Schiff durch die Arktis wie auch die Antarktis gefahren und hat sich bemüht, die Welt mit eigenen Augen anzuschauen. Vielleicht gelingt es Patterson nicht, diesen für die damalige Zeit teuren, aber auch exotischen Reisen das richtige Flair zu geben und die Zusammenfassung der einzelnen Stationen wirkt eher wie ein distanziertes Reisetagebuch, sie geben aber oberflächlich einen kleinen Einblick in Heinleins Neugierde, die sich auch durch sein gesamtes literarisches Werk zieht.

Dabei schwankt Heinlein zwischen dem demokratischen und republikanischen Lager hin und her. Interessant sind Pattersons belegte Anmerkungen zu den einzelnen Kandidaten, die zeigen, dass Heinlein aus seiner Sicht in erster Linie weniger provozieren als diskutieren wollte. Wie einige seiner späteren umstrittenen Romane geht es ihm in erster Linie darum, aus einer Position heraus eine Basis zu schaffen, denn wie die Politiker hin und her schwankend Opportunitäten zu ergreifen. Aus dieser Perspektive heraus muss auch der Bau eines Bunkers in den Zeiten des Kalten Krieges gesehen werden. Auch wenn sich Heinlein von der Kriegshysterie genauso hat anstecken lassen wie er die naiven Informationssendungen des Verteidigungsministeriums ignoriert hat, zeichnet Patterson das Bild eines Mannes, der mit sich selbst im Reinen ist,  egal wie es die Umwelt.  Er erweist sich aber auch hinsichtlich der amerikanischen Verteidigungspolitik als Sturkopf. Wenn Arthur C. Clarke dem Verteidigungsschirm „Star Wars“ die Effektivität und den Nutzen abspricht, weißt er seinen langjährigen britischen Freund zurecht.  Als Ausländer darf man sich nicht zu Amerika und seiner defensiven Politik äußern. Jegliches Bemühen Clarkes, die Situation zu bereinigen und die Freundschaft wieder zu kitten, laufen beim sturen Heinlein ins Leere.  Als Ben Bova eine polemische Kritik an einem seiner Bücher im Magazin „Omni“ abdruckt, bricht er sowohl den Kontakt mit Bova als auch alle Geschäftsbeziehungen mit dem dahinter stehenden einflussreichen Verlag ab.  Dieser fast eitle wie negative Zug seines Charakters durchzieht nicht nur Heinleins Leben und natürlich auch die Biographie, er wird von Patterson schon übertrieben sachlich und möglichst Zitaten vertrauend ohne Emotionen, ohne Wertung und damit auch wegen der fehlenden Analyse frustrierend oberflächlich abgehandelt. Wahrscheinlich wäre es Virginia Heinlein lieber gewesen, wenn derartige Passagen in einer ausführlichen Biographie nicht erwähnt werden, aber Patterson als Heinlein Anhänger muss der Mut zugestanden werden, das Offensichtlich zumindest die Chronistenpflicht erfüllend erwähnt zu haben.   

Spätestens mit dem Erfolg von „Mann in einer fremden Welt“ passte sich ein weiteres Phänomen dieser Einstellung an. Robert A. Heinlein suchte aus dem Genre auszubrechen und wurde von der allgemeinen Literaturkritik entdeckt, während die Science Fiction Fans in mit jedem Buch mehr abzulehnen begannen, bis es im Grunde zu einem Bruch zwischen dem Fandom und dem Autoren gekommen ist, was seinen kommerziellen Erfolg eher erhöhte. Für Detailanhänger ist es in diesen Passagen außerordentlich aufschlussreich, wie gut für die sechziger Jahre und wie schlecht für die Gegenwart ein erfolgreicher Autor bezahlt worden ist.   Auf der anderen Seite zeigen die achtziger Jahre mit einem schwerkranken Heinlein vor dem monetären Erfolg von „Die Zahl des Tieres“ – die Rechte wurden für USD 500.000,-- im Zuge der von „Star Wars“ ausgelösten, aber von Patterson niemals wirklich nachhaltig erwähnten Science Fiction Euphorie versteigert – wie schnell das angesammelte Geld auch wieder ausgegeben werden muss, um zumindest einigermaßen gesund zu werden und zu bleiben.   Das Thema Krankheiten nimmer nicht nur im Alter der Heinleins einen breiten Raum ein. Fast jede wichtige wie auch unwichtige Erkrankung wird erwähnt, was rückblickend unabhängig von den für die siebziger und achtziger Jahre ausgesprochen riskanten, aber auch erfolgreichen Operationen über die Länge des ganzen Textes ermüdend erscheint.  Hier erscheint Patterson auf der einen Seite überambitioniert, auf der anderen Seite umschifft er auch andere kritische Themen, denn über Krankheiten kann man immer sprechen/ schreiben.     

Die Zusammenarbeit mit Virginia Heinlein – sie reicht vom Diskutieren von Ideen bis zum unabsichtlichen Finden einschlägiger Titel wie „The Door into Summer“ – ist ein wichtiger, sich durch die Biographie in einem nicht mehr überprüfbaren Maße ziehender Aspekt. Da es nur wenige Briefe zu diesem Thema gibt und sich Patterson auf Virginias Aussagen konzentrieren muss, könnte dieser Aspekt erdrückend einseitig ein. Es ist aber erstaunlich, wie sehr Virginia Heinlein im direkten Licht ihres Mannes ihre Persönlichkeit zurücknimmt und sich eher als Begleiterin denn als literarische Partnerin sieht. Kurz vor Heinleins Tod wird ihr Einfluss allerdings größer, ihre Einstellung konservativer und damit auch die Bereitschaft erkennbar, strittige Passagen aus einigen Romanen für die Neuauflage zu kürzen.  Interessant ist aber, wie Heinlein und Patterson Virginia behandeln. Zum einen ist sie ohne Frage die Liebe seines Lebens, die aus dem Militärdienst kommend erstaunlich konservativ insbesondere im Vergleich zu Heinleins zweiter Frau beschrieben wird. Sie kümmert sich um den Haushalt, ist eine gute Köchin, wäre vielleicht auch gerne Mutter gewesen. Sie kann besser mit den Finanzen umgehen und scheint eine pragmatische Einstellung zu haben. Sie liefert Heinlein absichtlich oder unabsichtlich Ideen. Sie ist aber weder eine Nudistin – im Vergleich zu Heinlein – noch kann sie Sex und Liebe trennen. Wenn Heinlein offensichtlich bei einem Klassentreffen in erotischer Absicht eine Jugendliebe wieder treffen möchte, muss sie es akzeptieren, auch wenn sie es selbst niemals machen würde. Diese Einstellung – für Heinlein kommt zwar auch erste die Liebe, sie ist aber nicht an die Ehe gebunden, bevor der Sex wichtig wird – steht in einem starken Kontrast zu Heinleins satirischem Alterswerk, beginnend im Grunde mit „Ein Mann in einer fremden Welt“.  Aber es lassen sich zum Beispiel aus Pattersons Biographie keine Schlüsse auf Heinleins weibliche Figuren sowohl in „Das geschenkte Leben“ als auch „Segeln im Sonnenwind“, in denen sich neben der offensiven, aber nicht aggressiven Sexualität auch eine fast bisexuelle Art und Weise widerspiegelt. Auch wenn Robert A. Heinlein im Mittelpunkt der Biographie steht, ist es erstaunlich, wie defensiv und im Hintergrund agierend Virginia Heinlein im Vergleich zu anderen Quellen – siehe Frederik Pohl – dargestellt wird. Während Heinlein selbst auch im Umgang mit den Fans eher das offene Duell suchte, ist sie eine Person gewesen, die anscheinend sozial bemüht eher jegliches Interesse der Öffentlichkeit sowohl an ihrem Mann als auch dessen Werk abgeblockt hätte.    

Vielleicht macht es sich Patterson zu einfach, wenn er Heinlein spätestens mit „The Puppetmaster“ als einen Autor sieht, die auf der Ebene des Zeitgeistes geschrieben hat. Echte Beweise bleibt der Biograph schuldigt, da spätestens fünfzehn Jahre später Heinlein nicht mehr den Zeitgeist, die politisch soziale Stimmung seines Landes anpeilte, sondern aus seiner Sicht Sozialsatiren verfasst hat, welche im Umkehrschluss allerdings neunzig Prozent der Kritiker nicht erkannt haben oder vielleicht auch nicht erkennen konnten. Da wären um diese im Raum stehende Anmerkung zum Zeitgeist zu positionieren ohne Frage seine immer erwachsener werdenden Jugendbücher, in denen sich progressiv Kinder von ihren unfähigen Eltern scheiden lassen können. Spätestens „Starship Troopers“ als Satire und Allegorie von Heinlein gesehen offenbart den Bruch zwischen der Erwartung der Verlage und der Einstellung des Autors. Weder als Jugendbuch noch als Science Fiction Romane für das Magazinpublikum geeignet ist das Buch zwischen allen Stühlen steckend aus Heinleins sucht eine absichtlich politische Provokation auf die Verweichlichung der Gesellschaft, aber nicht eine absolutistische Meinungsausbildung. Zu den Stärken insbesondere im Vergleich zum ersten, in dieser Hinsicht sehr oberflächlichen Band der  Biographie arbeitet Patterson weniger den Inhalt der einzelnen Romane heraus, sondern vor allem die Quellen und Vorlagen in Kombination mit den Aussagen Heinleins, der ganz bewusst es gerne sieht, wenn sich die Öffentlichkeit mehr und mehr an seinen Büchern reibt. Unzufrieden nur als Jugendbuchautor abgestempelt zu werden, ist „Starship Troopers“ aus seiner Sicht die konsequente intellektuelle Weiterentwicklung seiner Jugendbücher, in denen es neben verschiedenen abenteuerlichen Themen auch immer um zwischenmenschliche Beziehungen, aber vor allem auch zukünftige gesellschaftliche Trends gegangen ist. Sowohl die Zusammenarbeit mit John W. Campbell als auch seiner Lektorin bei Scribner bilden in dieser Hinsicht einen wichtigen, durch die verschiedenen Positionen allerdings auch schwer einzuordnenden Schwerpunkt dieses Buches. Wenn Heinlein am Ende bei „Das geschenkte Leben“ schwerkrank davon spricht, dass er seine Bücher nicht mehr von Dritten bearbeiten oder kürzen lassen möchte, ist das eine logische Folge sowohl seiner Erfahrungen als auch seines monetären Erfolges, der ihm eine herausragende Stellung als Autor sicherte. Ein Heinlein zwanzig Jahre vorher hätte für die Veröffentlichung und damit die Erzielung von Einnahmen eher einen Kompromiss gesucht. Auf der anderen Seite kann man auch die Position der Lektorin/ Lektoren bzw. der Verlage verstehen. Während Heinlein einige der Bücher erstaunlich schnell in wenigen Wochen niedergeschrieben hat, ist das kommerzielle Risiko auf Seiten der Verlagshäuser nicht einzuschätzen. Wenn am Ende von „Podkayne of Mars“ die Protagonistin stirbt, ist es für Heinlein konsequent, um ihrem Bruder den Weg in ein verantwortungsvolles Leben zu ebnen, während es für den Verlag ein Todesurteil sein könnte. Patterson ist einfühlsam genug, bei einigen der mehr und mehr umstrittenen, aber erfolgreichen Bücher der sechziger Jahre Heinleins Intention in den Mittelpunkt zu stellen, aber die teilweise feindlichen und konträren Reaktionen eher relativierend und begleitend zu erfassen. Das lässt die Biographie in entscheidenden Phasen insbesondere hinsichtlich seines nicht unumstrittenen Spätwerks oberflächlich erscheinen. Vielleicht respektiert Patterson über den Tod von Virginia und Robert A. Heinlein hinaus ihren Wunsch, durch ihr Werk und weniger ihr Leben oder ihre Persönlichkeit der Öffentlichkeit im Gedächtnis zu bleiben. Heinleins Reaktionen auf Interview bzw. intime Fragen oder negative Analyse wie Panshins „Heinlein in Dimension“ hat er eher abgelehnt oder ignoriert als gefördert. Bei vielen Unterlagen hat er sich eine Veröffentlichung zu Lebzeiten sogar verboten. Ohne Frage deutlich nuancierter und vielschichtiger als der erste Band entwickelt sich aber trotzdem keine echte Diskussion zu Heinleins Werk. Wenn immer wieder betont wird, wie kommerziell erfolgreich der Autor mit jedem seiner Bücher wurde und einige Verlage anscheinend absichtlich auch nicht nachgedruckt haben, dass „Stranger in a strange Land“ anscheinend unbewiesen bei den Manson Morden als angebliche Vorlage gedient hat oder das Heinlein absichtlich in „Das geschenkte Leben“ mit einer alten antiquierten Idee der Transplantation eines „dirty old man“ in einen jugendlichen weiblichen Körper gespielt hat, um sich in Sexszenen zu ergehen, dann erwartet der Leser einfach mehr entschiedene Positionen vom Biographen als ihm angeboten wird. Auch der Kontrast zwischen der kontinuierlichen Auszeichnung Heinleins für seine in den sechziger Jahren erschienenen Romane mit einem HUGO und dem negativen, seinen Stellvertreter bei der HUGO Übergabe bloßstellenden Auftritt, nachdem er erfahren hat, den Preis zu erhalten, werden zu wenig herausgearbeitet. Hier gibt es eine zweite Perspektive, die ohne Frage Berechtigung hat. Da Patterson sich aber kontinuierlich weigert, unter Heinleins Haut zu schauen und eine rudimentäre Analyse seiner Persönlichkeit über dessen in erster Linie schriftliche Äußerungen hinaus zu vollziehen, bleibt einiges, um nicht zu schreiben fast alles in dieser entscheidenden Phase seiner Karriere ambivalent, zu offen und kaum nachhaltig erläutert, wenn auch minutiös recherchiert. 

Robert A. Heinlein ist ohne Frage eine konträre Persönlichkeit, der auf einem schmalen Grad zwischen Egozentrik und im Grunde konservativen, heute vielleicht auch antiquierten Traditionen durch sein Leben gegangen ist. Fannische Kritik lehnt er ab, liebt sie auf der anderen Seite. Wenn die Fans seine Bücher mit steigenden Auflagen in ihren Fanzines ablehnen, ist er der Ansicht, dass er auf der richtigen Spur ist. Auf der anderen Seite freut er sich über die HUGO Auszeichnungen, wobei er immer als Leser auch im Genre auf der Höhe der Zeit gewesen ist.  Er nimmt Kritik, vor allem Unverständnis gegenüber seinen späteren Werken nicht unbedingt an, sondern sucht sich aus der Masse die wenigen Stimmen heraus, die seine Intentionen erahnen können. Diese bedingte Blindheit steht in einem starken Widerspruch zu Heinleins Offenherzigkeit Menschen gegenüber, die ihm mit der gleichen Höflichkeit, aber nicht unbedingt Ehrfurcht begegnen. Beispiele liefert dieser zweite und in dieser Hinsicht interessante Teil der Biographie genug. Auch wenn Joe Haldemans „Der ewige Krieg“ im Grunde eine Antwort auf Heinleins umstrittenen „Starship Troopers“ gewesen ist, gratuliert Heinlein dem verblüfften Haldeman zu seinem Werk und da Haldeman selbst in Vietnam diese im Buch verarbeiteten Erfahrungen gemacht hat, akzeptiert Heinlein dessen kritische Position ohne Diskussion. Wenn Philip K. Dick Heinlein zu seinem Frühwerk gratulieren möchte, erwidert er das Lob, in dem er dessen „Man in the High Castle“ nicht nur gelesen, sondern auch verstanden hat. Einer der Romane, der zwischen seiner erfolgreichen Phase mit dem HUGO ausgezeichnet worden ist. Pournelle und Niven gibt er Ratschläge zu „Der Splitter im Auge Gottes“, obwohl im Allgemeinen seine Ratschläge von anderen Menschen nicht angenommen werden. Er freut sich wie ein kleines Kind, als die beiden Autoren tatsächlich Heinleins Ideen hinsichtlich der Struktur des Buches umgesetzt und aus seiner Sicht einen guten Stoff perfekt gemacht haben. Die Hilfsaktionen nicht nur für Sturgeon oder Dick, sondern vor allem auch für einige Freunde/ Verwandte werden von Patterson aufgezählt, aber nicht weiter kommentiert.   Heinlein scheint sachliche Kritik auch zu akzeptieren, wenn sie begründet ist.  Er mag weder Polemik, noch persönliche Angriff wie bei Panshin und dessen „Heinlein in Dimension“. Erst mit dem Alter will er zu lassen, dass sich Kritiker auf einer informierten Ebene  über sein Werk auch mit der Person Heinlein allerdings nur bis zu einem von ihm vor definierten Grad beschäftigen.         

Auf der anderen Seite bietet Patterson dem Leser positiv gesprochen einige Flanken an,  an denen man sich reiben kann.  Da Heinleins im ersten Band der Biographie behandeltes Werk eher konservativ gewesen ist, kann der abschließende Teil in dieser Hinsicht mehr überzeugen.  Der Leser muss Heinleins Positionen nicht unbedingt akzeptieren, er muss aber seinen Gedankengängen folgen und sie in den Kontext des Genres mit der Entwicklung des New Wave setzen.  Während viele mit Scheuklappen ausgestattete Kritiker aufgrund Heinleins langer Karriere mehr altes Vertrautes aus seiner Feder lesen möchte, geht der Amerikaner mit wachsender monetärer Unabhängigkeit einen gänzlich anderen Weg.   Patterson arbeitet deutlich heraus, dass Heinlein nicht nur beginnend mit „Starship Troopers“ eine eigene Richtung suchte und vor allem literarische Möglichkeiten durchspielen wollte, sondern arbeitet mit dem Hinweis auf Robinson Crusoe bei „Freitag“ oder Cabells „Jurgen“ bei „Die Katze, die durch Wände geht“ sowie dem multidimensionalen Ansatz oder den Hinweisen auf Mark Twains Satiren ausführlich und von Heinlein durch Briefe/ Kommentare/ Interviews vielschichtig begleitet die von der Öffentlichkeit ignorierten Vorlagen heraus. Dabei agiert Heinlein durchaus selbstkritisch gegenüber seinem Werk und hat „Die Zahl des Tieres“ noch einmal komplett neu geschrieben, um seinen Tenor zu treffen. Interessant ist auch, dass auf der einen Seite die durchaus ambivalente bis kritische Reaktion und Reflektion seines Alterswerkes in der Öffentlichkeit aufgelistet wird, auf der anderen Seite Patterson mit einem Kritik resistenten Heinlein auch einiges abblocken kann.  Natürlich ist es schwierig, Heinlein als Ganzes zu erfassen. Zu sehr scheint er auf der einen Seite im Genre verwurzelt und auf der anderen Seite darüber hinaus zu ragen. Heinlein selbst hat sich immer als Autor und weniger als Künstler gesehen. Als ein Mann, der für sein Schreiben bezahlt werden will und bezahlt werden muss. Dabei zeigt er gegenüber Personen, die ihm treu sind, eine erstaunliche Loyalität, während er auf der anderen Seite Menschen hasst, die falsche oder betrügerisch sind.

Signifikant für einen wichtigen Teilaspekt seiner Persönlichkeit ist, dass er sich insbesondere in den siebziger Jahren aktiv für Blutspenden eingesetzt hat. Persönliche Treffen auf eigene Kosten arrangiert für freiwillige Blutspender  mit „Spendenquittung“  auf verschiedenen SF- Cons oder sogar „Star Trek“ Treffen. Aktive Mitarbeit sowohl an die Raumfahrt fördernden Organisationen sowie humanitäre Einrichtungen.  Für diesen guten Zweck hat Heinlein sogar seine Abneigung für das Fandom überwunden und hat sich trotz seiner schwindenden Gesundheit engagiert. Ohne Pathos, ohne Kitsch oder eine Überbetonung arbeitet Patterson diesen Aspekt von Heinleins Persönlichkeit überzeugend in dem letzten Abschnitt der Biographie heraus und zeigt, dass Heinlein sehr viel vom Leben gelernt hat, das er als zufriedener Mensch auch zu Lasten seiner eigenen Produktivität positiv zurück geben wollte.  

Während der erste Band vielleicht absichtlich ein zu gutes und dadurch auch umstrittenes, nicht einheitliches und vor allem einigen politischen Strömungen widersprechendes Bild von Robert A. Heinlein weniger über sein auch im zweiten Teil eher rudimentär gestreiftes Werk gezeichnet hat,  überzeugt der zweite Teil in dieser Hinsicht mehr. Heinlein hat vielleicht auch aufgrund seiner Experimentierfreunde seine Stimme gefunden. Als ernste Persönlichkeit haben viele Leser und Kritiker ein Werk vielleicht zu ernst genommen. Es  zu sehr als eine Art Manifest angesehen, während sich Heinlein in seinem Spätwerk eher selbst beweisen wollte. Natürlich weißt die Biographie einige Schwächen auf. Weiterhin ignoriert Patterson teilweise Stimmen, die insbesondere Virginia Heinleins nicht immer helfenden, sondern einen Halden manifestierenden Einfluss widersprechen. Heinlein kann als Persönlichkeit hilfsbereit und warmherzig, distanziert und brüskierend zu gleich erscheinen. Die einzelnen Facetten werden eher aufgelistet als wirklich analysiert, was das Buch als Ganzes nicht immer warmherzig und vor allem intensiv genug erscheinen lässt. Interessant ist, dass Heinlein auf der einen Seite nicht nur ein begeisterter Leser mit durchaus einem Auge für die Entwicklung des Genres gewesen ist, das aber sein Erfolg nur aus sich heraus, aus seinem Schaffen angeblich gekommen ist und weniger in einem Zusammenhang mit dem Genre, der Entwicklung des New Wave oder dem überraschenden, vieles verändernden Erfolg von „Star Wars“ gestanden hat. Heinlein wirkt von seinem langjährigem Wohnsitz in den Bergen Colorados ausgehend zu stark isoliert und dadurch der Text grundsätzlich zu stark vielleicht auch mit Scheuklappen versehen auf dessen Werk und damit nur einschränkend auf die Wechselwirkung Autor/Genre fokussiert.  Patterson ist kurz nach der Fertigstellung dieser Biographie verstorben, aber was er auf mehr als eintausend Seiten mit mehr als vierhundert Seite voller Hinweisen,  ergänzender Zitate und vor allem Quellenangaben hinterlassen hat, ist trotz des teilweise zu euphorischen Denken, der übertriebenen Positionierung der Familie Heinlein, dem im ersten Band zu starken Griff nach Absolutismen  und der wenig kritischen Reflektion des Umfeldes auf Heinleins Stellung und Werk eine Sisyphusarbeit, die bemerkenswert und diskussionswürdig zu gleich ist.       

 

 

 

  • Gebundene Ausgabe: 671 Seiten
  • Verlag: Tor Books; Auflage: 0002 (3. Juni 2014)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 0765319616
  • ISBN-13: 978-0765319616
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