Hexer Stanley Chroniken Band 1

Hans Jürgen Müggenburg
Im Gegensatz zu vielen anderen momentan laufenden Reprint Aktionen unterschiedlicher Verlage muss die Neu bzw. Erstauflage der von H.J. Müggenburg verfassten „Heyer Stanley Choniken“ im Grunde als erste chronologische und wirklich vollständige Edition dieser zwischen 1974 und 1978 bei den „Silber- Grusel- Krimis“ im Zauberkreis- Verlag veröffentlichten Serie betrachtet werden. Zum einen sind die jeweils zu zwei in einem mit ausführlichen Ergänzungsmaterial veröffentlichten Romane nicht nur ungekürzt, sondern den ursprünglichen Manuskripten folgend ohne die Seitenbegrenzung des Heftromans nachgedruckt worden. Zum anderen gesellen sich zu den sieben erschienen Abenteuern noch zwei unveröffentlichte Manuskripte. Im Gegensatz zum Durcheinander der „Zaubermond“ Präsentation werden die Romane nach den in den Originalen genannten Handlungszeiträumen sortiert erscheinen. Christian Montillon wird anscheinend zu jedem der Bände ein kurzweiliges, im ersten Abenteuer eher persönlich gefärbtes Vorwort beisteuern. Der in der Nähe von Kaiserslautern geborene Müggenburg hat in seiner Zeit als freischaffender Schriftsteller neben einer Reihe von insgesamt zwanzig Science Fiction Romanen zusätzlich mit dem Hexer und 11. Eearl of Depford Stanley, seiner Gattin Anne Rose und ihrem Butler George McLowrie eine interessante Mischung aus spannenden Gruselabenteuern, einem deutlichen Schuss in Ehren ergrauten Humor, aber vor allem auch einen Kosmos hinter einem dem Leser bekannten Realismus eingeführt. Der Hexer Stanley und sein Butler George sind dabei Adepten der magischen Zünfte und dienen eher zu Beginn der Serie als freischaffende Detektive/ Kopfgeldjäger im übertragenen Sinne von dunklen dämonischen Kräften. Das erste bislang unveröffentlichte Abenteuer „Die Jagd nach Borascht“ spielt dabei fünf Jahre vor dem ersten im Zauberkreis publizierten Band. Ein psychopathischer Massenmörder mit anscheinend okkulten Verbindungen wird umständlich auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Dabei ruft er während der Hinrichtung anscheinend Lucifer an. Hexer Stanley beginnt mit seinem Butler am liebsten ohne seine in die Staaten reisende Frau Anne die Hintergründe der Mordserie und die seltsame Hinrichtung zu untersuchen. Dabei stößt er immer wieder auf den Namen Borascht, der anscheinend auf einigen Abschusslisten der Guten unter den magisch begabten Kräften steht. Da werden anscheinend bislang eher m Off Informationen von einem Dämonen der zweiten Klasse namens Henry geholt, der durch Stanleys Magie vom „Sofa“ seiner Freunde in den Bannkreis gezerrt worden ist. Die Dialoge nehmen im übertragenen Sinne sehr viel von Robert Asprins pointierten Dialogen voll gespielter Entrüstung und dem Hinweis auf einen sehr mächtigen Feind vorweg. Wenn dann auch noch davon gesprochen wird, dass Borascht den Ku Klux Klan mit Dämonen und Hexen wieder reaktivieren möchte, es Seelenauslieferungsverträge gibt und Stanleys Frau Anne mit einem Modefimmel für Kleidung als auch Haarfarbe hineinschneit, dann denkt der Leser auch ein wenig an „Professor Zamorra“, der zeitgleich das Licht der Welt erschaffen durch Jason Dark, geformt von Werner K. Giesa erblickte. Aber ein Zamorra nicht der ersten Stunde, sondern der Giesa Zamorra mit seinem leichten Macho Gehabe und einer unerschütterlichen Willensstärke in einem magisch mystischen Universum, in dem man nicht alles wirklich nachhaltig ernst nehmen darf, auch wenn die Ausgangssituation mit dem brutalen Massenmörder und seiner letzten, an einen Ritualmord erinnernden Tat eher ein klassischer Gruselromanauftakt ist.
Anschließend setzt sich bei der Jagd nach Borascht der Humor überdeutlich durch. Vom potentiellen Teeren& Federn vor dem Aufhängen in einer urigen, aber unheimlichen Kneipe bis zu eher klischeehaften Situation eines von der Brücke stürzenden Autos oder der finalen, eher pragmatisch erzählten Konfrontation mit dem nur theoretisch potentiellen Überfeind. Dazwischen mit dem eher passiven, intellektuell agierenden Hexer Stanley ein sich noch entwickelnder Antagonist. Seine Frau Anna erfüllt fast alle Klischees von einer reichen Lebedame mit einem Hang für starke alkoholische Getränke bzw. viele Koffer auf Reisen. Am ehesten überrascht nicht nur in diesem Roman der unscheinbare Butler, der Odd Job nur als intelligenter und sprechender „Riese“ aus dem James Bond Film „Goldfinger“ nach empfunden worden ist. Das Verhältnis zwischen Earl und Diener wird von Müggenburg mit sehr viel Ironie auf den Kopf gestellt. George ist die treibende Kraft in den kritischen Szenen, die effektiv die Feinde beseitigt, das Grobe erledigt und schließlich in beiden hier zusammengefassten Fällen seine Herrschaften mit der obligatorischen Melone – natürlich am Rand messerscharf – oder dem aus Spezialstahl gehärteten, im linken Hosenbein versteckten Opfermesser rettet. Seine stoische Ruhe, sein trockener Humor und seine Effektivität sowohl in körperlicher als auch überraschend für diese Zeit auch geistiger Hinsicht ragen nicht nur im Auftaktroman aus der Masse heraus, insbesondere im zweiten Fall verschärft sich diese verzerrte Perspektive hinsichtlich der Rollenverteilung innerhalb dieser kurzen Reihe noch mehr. Im Auftaktroman hat Müggenburg noch versucht, eine interessante Mischung aus konkretem Fall und Rahmenhandlung zu schaffen. Wenn er ironisch darüber philosophiert, dass zu viel im Umlauf befindliches Geld nur Schaden anrichten kann, dann schmunzelt der Leser angesichts der Exzesse. Wenn in „Die Jagd auf Borascht“ ein amerikanisches Dorf von der Wiederauferstehung des Ku Klux Klan träumt oder sich im zweiten Abenteuer „Japhets Tod“ bzw. "Das Grauen von Chichen Itza" eine Kleinstadt Blankenburg in Brockennähe zu einem dunklen magischen Zentrum wird, dann baut sich der Autor seine eigene magische Welt und spielt an ihr die immer wieder von den Schurken gebrochenen Regeln der Adepten etabliert.
Während Hexer Stanley im ersten Fall selbst aktiv wird, lädt ihn ein Kollege in dem fünf Jahre später spielenden Abenteuer in den Harz ein. Er bietet ihn um Hilfe, da sein neuer Nachbar eine dunkle magische Sphäre errichten möchte. Der vom Zaubermond gewählte Titel “Das Grauen von Chichen Itza“ bezieht sich eher auf die finale Auseinandersetzung tatsächlich im heißen Mexiko, nachdem auf dem kalten Brocken eher der auf dem Manuskript stehende Titel „Japhets Tod“ zur Geltung kommt. Anscheinend macht sich dort eine Gruppe von mächtigen Vampiren breit, welche den Hilfsbedürftigen schon ins Jenseits geschickt haben. Vampire stellen in den „Hexer Stanley“ Romanen eine besondere Gattung dar. Sie werden zwar regelmäßig von George und Stanley getötet und Bram Stokers Vorgaben folgend entsorgt, aber sie scheinen deutlich intelligenter und weniger brutal als getarnt unter den Menschen zu leben. Die Ereignisse im Harz erreichen mit der Explosion des Hotels surrealistische Züge, während der Autor im Mittelteil leichte Probleme hat, den Plot aus sich heraus weiter zu entwickeln. Hexer Stanley wird aus seinem eigenen Schloss entführt und der Leser ahnt, dass es mit dem Pyrrhussieg im Harz in einem engen Zusammenhang steht. George macht sich alleine wie eine „James Bond“ Magiervariation auf den Weg und kommt in einer der wenigen impliziert sadistischen Szenen relativ schnell an die notwendigen Informationen, um während des Showdowns in Mexiko nach einer kleinen Niederlage mit dem Verlust Annes wieder souverän die Zügel in der Hand zu halten. George wirkt in diesem zweiten Band zu dominant und die Mechanismen unabhängig von dem unterschwelligen, niemals subversiven Humor und vor allem auch der Auflösung der Wand zwischen Erzähler und Plot scheinen sich zu statisch zu etablieren. Zwei/ drei mehr oder minder exotische Reiseziele, die Handlanger des Oberschurken können relativ schnell eliminiert werden, während dieser sich als „Maulheld“ entpuppt und wie ein roter Faden sich durch die Handlung ziehend kommentiert Müggenburg einzelne Situationen aus seiner nicht mehr neutralen Erzählperspektive ironisch doppeldeutig. Für Romane, die zur Unterhaltung vor mehr als vierzig Jahren geschrieben worden sind, liest sich das auch heute nicht schlecht. Aber in der Kombination der beiden Abenteuer in einem Band ist erkennbar, dass eher wie eine routiniert gestaltete Fernsehserie mit der üblichen Abfolge von Spannungsaufbau und Entspannung es einige Überschneidungen gibt. Im direkten Vergleich ist dabei „Japhets Tod“ auch der dichtere, spannendere Plot, weil die Schurken und ihre Pläne vielschichtiger erscheinen. Auch führt Müggenburg seine Figuren ironisch respektvoll überzeichnend in einem kurzen Exkurs die Leser in Hexer Stanleys Welt ein.
Neben dem Vorwort von Christian Montillon befindet sich in der Edition ein Interview mit dem Autoren, in dem dieser offen und herzlich ehrlich auf die Entstehung der Romane eingeht und ein lebendiges Bild der Heftromanszene der siebziger Jahre zeichnet. Die Bibilographie zeigt, was die auf Sammler in der „Müggenburg“ Edition sowohl im Rahmen der „Hexer Stanley“ Reihe als auch hinsichtlich der Science Fiction Nachdrucke zukommt. Zusammengefasst wie eingangs erwähnt durch die Veröffentlichung der Originalmanuskripte, die richtige chronologische Anordnung und vor allem die schön anzuschauende Edition für Fans der alten Zaubermond Veröffentlichungen ohne Frage ein Pflichtkauf. Wer gerne einmal schauen möchte, wie Horror mit vielen bekannten Figuren wie Vampiren, Werwölfen, Zauberern und anderen mystischen und mythischen Wesen in Kombination mit angenehm lockeren Humor funktioniert, sollte sich auf jeden Fall den ersten Band dieser empfehlenswerten Reihe zulegen.

Verlag Peter Emmerich

E-Book


Kindle-Shop, erschienen am 23. Mai 2015
beam-eBooks, erschienen am 23. Mai 2015
PrintversionJuni 2015
ISBNISBN-10: 151192022X / ISBN-13: 978-1511920223
Größe/Umfang20,3 x 12,7 x n,n cm / 268 Seiten
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