Perry Rhodan Neo 93 "Weltensaat"

Perry Rhodan Neo 93, Weltensaat, Montillon, Harbach
Christian Montillon

Christian Montillon geht in seinem Neo- Roman „Weltensaat“ ein wenig mehr auf die Hintergründe des bisherigen, nicht immer flüssig aussehenden Konzeptes ein und versucht aus der Position des GOLDENEN nicht nur das Ringen hinter den Kulissen aufzuhellen, sondern vor allem die Wichtigkeit des Sonnensystems durch die Auslöschung jeglicher Hinweise auf die Ersten noch einmal hervorzuheben. Der ganze Roman bietet eine Reihe von relevanten Informationen an, die in dieser Kompaktheit und dadurch relativ einfachen Struktur überzeugen, in den Plot aber eingebettet zu einigen stark konstruierten Szenen führen, welche die positiven Ansätze eher negieren als verstärken.  

Der Autor beschreibt ausführlich das Dienstraumschiff Pranav Ketars, wobei in fast typischer Manier die Außendimensionen von 5000 Meter Gesamtdurchmesser nicht gänzlich zum Zentralloch passen. Farblich kann sich insbesondere die Rumpfunterseite anpassen. In der Mitte des Ringes befinden sich nicht nur die Andockplätze für Raumschiffe, sondern noch der berühmte, aus vorangegangenen Zyklen bekannte Weltenspalter als ultimative Geheimwaffe. Es ist nicht die einzige Endzeitwaffe, denn auch Ilts als biologische Nachfolger des Weltenspalters befinden sich an Bord des Schiffes. Interessant ist, dass das Raumschiff eine Art intergalaktischen „Zoo“ oder eine Multikulti Gesellschaft darstellt. Das zusätzlich ausgerechnet die ersten vor zwei relativen Jahren angekommenen Orghs sich um die Technik des Schiffes kümmern und deswegen mit Misstrauen betrachtet werden, erscheint nicht plausibel. Da das Raumschiff älter als zwei Jahre ist, wirkt deren Position zu etabliert und sie stehen angesichts des paranoiden Misstrauens des Goldenen sehr wenig unter Kontrolle angesichts ihrer nicht unwichtigen Positionen. Das Gleiche scheint für die Wotok zu gelten, die Kriegerrasse an Bord der „Weltensaat“. Der Leser erfährt einiges über ihre martialischen Rituale und die Hierarchie von der Schwertmutter zu ihrem Sohn. Der Goldene Ketar sucht mit Worat den Sohn der Schwertmutter aus, um anscheinend seine Loyalität zu testen. Es folgen einige Abstecher auf das Gebiet des immer noch nicht richtig funktionierenden Weltenspalters. Der Goldene übt Druck auf die Untergebenen aus. Interessant ist, dass in „Der Weltenspalter“   - Neo 21 – die Waffe anscheinend funktioniert hat und in tiefster Vergangenheit sogar zum Einsatz gekommen ist. Immer wieder wird in der „Neo“ Serie waffentechnisches Wissen wie die Pläne der Transformerkanone relativ schnell von Seiten vergessen, die keine Kriege verloren haben. Oder das Epetransarchivs auf seiner fälschlichen menschlichen Ebene sei hier als zusätzliches Beispiel erwähnt. Natürlich will sich „Neo“ von der Hauptserie und während der ersten Jahre absolut technokratischen und damit bis auf das menschliche Element perfekten Zukunftswelt K.H. Scheers abheben, aber stellenweise hat man das Gefühl, als suche Frank Borsch noch einen nachhaltigen roten Faden, um sein Universum kompakter darzustellen.

Mit dem Auftauchen des Fantan Set- Yander im richtigen Moment wird der Handlungsfaden um den Weltensplater wieder vertagt. Er will Informationen verkaufen, aus denen hervorgeht, dass die irdischen Mutanten noch leben. Der Goldene bietet dem Fantan im Tausch gegen die Informationen einen nicht unbedingt wertvollen Gegenstand aus der „Weltensaat“ an, den er sich selbst aussuchen kann. Auch dieser Handlungsbogen wird erst einmal geschoben, da plötzlich auch noch ein Bote der Allianz in Form von Rico- 2  ankommt, der einen Befehl für einen Vernichtungsauftrag mitbringt. Wie misstrauisch der eher in diesem Roman als hilflos und naiv beschriebene, ausschließlich reagierende Goldene wirklich ist, wird angesichts der folgenden Diskussion klar, dass die Allianz die Goldenen durch Androiden von Ricos Kaliber austauschen könnte.        

Ab diesem Moment zerfällt die Handlung auch ein wenig. Während der Leser anfänglich den Eindruck gehabt hat, als suche der Goldene eine Art Prellbock, offenbart er ihm schließlich ohne Not aus einer überlegenen Position heraus sehr viele Informationen, die nicht nur seine Position weiter gefährden, sondern vor allem in seinem neuen ambivalenten Getreuen Zweifel säen, so dass er seinen Vorgesetzten lieber verrät. So erfährt er, dass die eigentliche Weltenspalter die sich an Bord befindlichen Ilts sind, mit denen experimentiert werden soll. Worat reicht diese Information, um auszurasten. In Wirklichkeit handelt es sich um einen komplizierten Plan, um angeblich Rico 2 auszuschalten. Ein gefährliches Spiel, da der Goldene schon nicht die Ilts unter Kontrolle und interessanterweise Rico 2 bislang keine feindlichen Aktivitäten angeschoben hat. Selbst eine Ausschaltung Ricos hätte im Grunde nur aufschiebende Wirkung. Kaum Ricos Persönlichkeit entspricht, dass er wie von Sinnen die Ilts an Bord der „Weltensaat“ angreift, nachdem er von deren Existenz erfahren hat. So kann Rico die telekinetischen Angriffe der Ilts durch seine Körperkraft und Koordinationsfähigkeit abwehren. Bedenkt man auf der anderen Seite, dass die Mausbiber die ultimative Geheimwaffe sein sollen und vergleicht der Leser, durch welche Situationen Rico schon gegangen ist, wirken diese Szene nicht nur übertrieben, sondern in sich selbst nicht logisch. In einem Roman haben die Mausbiber einen Mond aus einem Orbit „gezogen“, um das Singen beim Berühren der Atmosphäre zu hören. Und jetzt sollen sie mit einem konzentrierten Verteidigungsschlag Rico nicht zumindest festhalten können? Gucky schafft es dagegen mit einem einzigen Sprung und einem Angriff auf dessen Innenleben? Auch diese Szene wirkt aus der Luft gegriffen und soll Spannung erzeugen, die augenscheinlich nicht vorhanden ist. Um mit den letzten Bänden Frank Borschs Exposezeit zu beenden, wird der Goldene dank des aufgefundenen Auftrags nach Derogwanien in Marsch gesetzt, wo er jetzt wieder einer der braven Deiner der Allianz sich um einen Zwerg kümmern soll, der seinen Platz noch nicht gefunden hat. Interessant ist, dass der Goldene damit seine Herrscher im Grunde auf seine Spur bringt. Vielleicht hätte er bis dahin noch erklären können, dass entweder Rico ihn nicht erreicht hat – warum aber Ricos Körper als Besun weggeben, was endgültig eine zweite Beweisfront eröffnen könnte – oder sein Raumschiff durch den Angriff der Ilts endgültig vernichtet worden ist.

Viel schlimmer ist, dass die auf wieder eine derartig leichte Art und Weise an Bord kommenden Menschen um Marshall in kurzer Zeit die bislang treuen Wotoks umdrehen können. Wie bei einigen Naats scheinen die Menschen einen anarchistischen Einfluss auf die jeweiligen Völker zu haben, wobei hier nicht einmal der Nutzen klar ist. Die Wotoks mit der Schwertmutter befinden sich in einer sehr guten und wichtigen Position. Sie werden anscheinend vom Goldenen nicht gefoltert und dienen. Sogar den Sohn der Schwertmutter hat der Goldene schnell und rückblickend den Weisungen der Allianz folgend in seine Pläne einbeziehen können. Die Menschen bieten im Grunde nichts an und die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Strukturen an Bord des gigantischen Raumschiffs von innen heraus ändern können, erscheint gering. Diese Drehungen werden immer wieder in der „Neo“ Serie benötigt, um im Kern ausweglose Situationen zu bereinigen und so die erdrückend unterlegenen Menschen an wichtige Zwischenziele zu bringen.     

Ebenfalls schlecht vorbereitet ist das Motiv der Fantan, auf der einen Seite den Goldenen zu beseitigen – die Fantan waren bislang interessante wie skrupellose Händler aber weder Auftragsmörder noch brutale Opportunisten -, auf der anderen Seite dessen Warnungen zu ignorieren und weitere Leben zu gefährden. Aber ihre Vorgehensweise steht im Gleichklang mit dem Eindringen der Terraner. So faszinierend fremdartig und zu Spekulationen einladend der Goldene und sein gigantisches Raumschiff auch gewesen sind, hinsichtlich der Infiltration dieses Überraumschiffs geht vieles zu schnell und Christian Montillon gibt sich auch zu wenig Mühe, um die Zusammenhänge zu erläutern. Neben dem angesprochenen eine Reihe von Fragen auch überzeugend beantwortenden Abstecher in die Vergangenheit – zu Beginn der Serie wäre dieser für ein halbes Taschenheft gut gewesen – sind die solide geschriebenen Actionszenen unterhaltsam. Als Ganzes wirkt der Plot ein wenig zu statisch entwickelt und insbesondere am Ende reicht der Platz nicht aus, um den langsamen, ein wenig phlegmatischen Auftakt noch auszugleichen. „Weltensaat“ ist ein schlagender, nicht nur negativ zu sehender Beweis, dass insbesondere Frank Borsch versucht, sein Universum abzurunden, bevor die neuen Exposeautoren vielleicht mit frischen Ideen und vor allem einer dynamischeren Erzählstruktur „Neo“ die  notwendige Kursänderung gestatten. Stilistisch weiterhin ein „klassischer“ Montillon mit einer Reihe von Füllworten und seinen so typischen Floskeln. 

 

Pabel Verlag, Taschenheft

160 Seiten

Kategorie: