Hans Gesamtausgabe Band 2

Hans, Gesamtausgabe Band 2, Rezension, Thomas Harbach
André-Paul Duchâteau & Grzegorz Rosinski

Im zweiten Teil seines Dossiers schlägt Patrick Gaumer einen sehr weiten Bogen. Erst am Ende geht er auf den „Hans“ Autoren Duchateau näher ein. Neben einigen ungewöhnlichen Exkursen – „Hans“ auf einer Seite von „Tim & Struppi“ als Jubiläumsüberraschungsgast – finden sich weitere Informationen zu Duchateaus Werdegang, aber auch seiner anfänglichen Weigerung, „Hans“ zeichnerisch in fremde Hände zu geben. Für viele Leser vor allem in Kombination mit der unermüdlichen Publikationstätigkeit des britischen Science Fiction Autoren Brian M. Stableford, der viele frühe französische phantastische und Science Fiction Texte übersetzt und als E- Books veröffentlicht hat, ist die Reise zu den Wurzeln der französischen Phantastik im 20. Jahrhundert ohne Jules Verne interessant. Neben der Vorstellung einiger längst vergessener Werke ist es die Kombination der amerikanischen SF und den europäischen Wurzeln nach dem Zweiten Weltkrieg interessant, die Duchateaus Werk im Allgemeinen und bei „Hans“ im besonderen geprägt haben. 

 Das fünfte Album “Das Gesetz von Ardelio“ (1990 erschienen) schließt quasi den Stadtzyklus ab. Hans ist zusammen mit seinen Freunden ins Exil geflohen, als die Stadt plötzlich von fliegenden Menschen – eine wunderschöne Anspielung auf „Flash Gordon“ - bedroht wird. Nur die Einsetzung der gestürzten Mächtigen und die Auslieferung von Hans und seinen Getreuen kann die Stadt retten. In der politischen Komponente setzen sich Duchateau und sein Zeichner Gregor Rosinski mit diesen typischen Aspekten der Massenmanipulation auseinander. Natürlich ist die Auslieferung von Hans und seine Odyssee nur eine Finte, denn die Zerstörung der Stadt und die Ermordung aller Einwohner kann nicht aufgehalten werden. Wie wichtig Hans dabei ist, zeigt sich am opportunistischen Ende, das den Rebellen zumindest kurzzeitig die Oberhand gibt. Interessant sind die Prüfungen, denen Hans und Odyssee unterworfen werden. Eine Zeitreise soll sie an den Anfang der Geschichte im ewigen Eis und die erste Begegnung mit einer Handvoll Soldaten zurückbringen. Anscheinend müssen sie aufgrund der Zeitreise diese Momente immer wieder scheiternd durchleben. Die Auflösung wirkt ein wenig zu simpel, da angesichts der vorhandenen virtuellen Möglichkeiten – siehe den ersten Sammelband – und der Manipulation des Volkes andere Wege begangen werden können. Aber die eigentliche Geschichte verfügt über viele Ideen – eine Hexe wird wieder jung, um dann ihre körperliche Agilität wieder zu verlieren ; die Rebellion einer Handvoll Entschlossener; die Gottesgerichtmaschine und das interessante, den persönlichen Kreis schließende Codewort -  , die nicht alle in sich überzeugend präsentiert werden und nicht unbedingt für das literarische Science Fiction Genre neu sind, welche aber mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und dank Rosinski fast surrealistisch farbenprächtigen, dann wieder erstaunlich realistisch, von Erdfaben dominierten Zeichnungen dreidimensional vor dem Leser ablaufen.

 Zumindest hat Hans ein Teilziel erreicht. Im folgenden Band wechselt der Schauplatz und Duchateu entwickelt eine vielschichtige Space Opera, die Elemente verschiedener, heute bekanntere französischer Comicserien wie „Luc Orient“ oder „Valerian & Veronique“ in sich vereint und trotzdem originelle, visuell faszinierende Wege betritt.  1993 erschien „Planet der Zaubereien“. Hans und Orchidee suchen als eher schwacher Aufhänger nach neuen Stützpunkten in den Tiefen des Alls, um von dort aus die Rebellion voranzutreiben. Sie werden verfolgt und landen auf einem heißen Planeten, der sich schnell als lebendig erweist. Ihre Verfolger werden angegriffen und entweder gefressen oder assimiliert. Hans braucht sich im Grunde nicht sonderlich zu verteidigen, sondern kann mit der schwangeren Orchidee – das Thema ist im letzten Album eher stiefmütterlich behandelt worden – in ihrem Versteck förmlich abwarten. Aber anscheinend hat dieser Planet schon in der Vergangenheit der Königin eine wichtige Rolle gespielt, da sie eine Expedition ausschickt, an welcher auch ihr Sohn teilnimmt, der wiederum väterlicherseits vielleicht nur in seine Heimat zurückkehrt. Das über weite Strecken faszinierende an dieser Geschichte ist eine wirklich fremdartige Welt, deren einziges Manko vielleicht angesichts der exotischen Flora und Fauna sowie den hohen Temperaturen die ohne Probleme Atem bare Luft ist. Rosinski hat sichtlich Spaß, diesen bizarren Planeten mit einer offensichtlich vor vielen Jahren von der Natur zum Untergang verdammten Natur zu entwickeln. Ohne auf weite Strecken der Handlung in die Details zu gehen und alleine die Stimmung für sich sprechen zu lassen, handelt es sich um eine interessante Science Fantasy, bei der zumindest in der ersten Hälfte noch impliziert wird, dass es sich vielleicht nicht um eine tatsächliche Reise, sondern nur eine weitere Illusion handeln könnte. Interessant ist, dass der Leser wie die Königin im Gegensatz zu Hans/ Orchidee die Zusammenhänge kennt. Auch wenn die Lösung ausgesprochen phantastisch erscheint und die Implikation eines lebendig gemachten Planeten irreal erscheinen. Zumindest sucht Duchetau eine Erklärung, warum der Planet die Krieger der Königin vernichtet und im Umkehrschluss mehrmals Hans/ Orchidee schützt.

Mit den nächsten beiden Alben „Die Kinder des Unendlichen“ (1994) und „Das Gesicht des Monsters“ (1996) kehrt Hans wieder in seine Stadt zurück. Fünf Jahre hat er zusammen mit seiner Frau Orchidee und seiner Tochter auf der fremden, zu ihm wohlwollenden Welt gelebt, bis man ihn durch einen Zufall wieder gefunden hat. Konsequent ist das nicht, da die Informationen über den Planeten am Ende des voran gegangenen Albums noch vorhanden gewesen sind. Hans kehrt in eine Stadt zurück, in welcher jetzt die Diktatur der Königin und ihres Vasallen Ramoz beendet worden ist. Es herrscht jetzt eine geistige Elite, welcher früh die Kinder ihren Eltern entzieht, um sie selbst manipulativ auszubilden. Natürlich widersetzt sich Hans erst passiv, dann aktiv dieser politischen Fehlentwicklung. Als mehrere Kinder darunter auch seine Tochter von Außenstehenden entführt werden, um eines der Geheimnisse der Stadt aufzulösen, macht er sich aktiv auf den Weg, seine Tochter zu befreien. Auch „Das Gesicht des Monsters“ folgt ein wenig diesem Handlungsschema. Inzwischen ist Hans Stadtoberhaupt und die geistige Elite im Exil. Es sind die reichen und einflussreichen Familien, die sich ihm offen oder im geheimen widersetzen. Duchetau und Rosinski zeichnen sie als eine elitäre Schicht, die mit ihrem affektierten Gehabe eher einem Alexandre Dumas Roman entstiegen sein könnten. Höhepunkt ist ein klassisches Duell in der unwirtlichen Umgebung der Stadt. Diese Elite macht bestialisch Jagd auf Außenseiter und anscheinend von fremden Welten kommende Menschen. Interessant wird es, wenn eine unbekannte Macht wiederum die Jäger jagt und bestialisch hinrichtet. Die finale Auseinandersetzung beinhaltet eine Idee, die nicht unbedingt in der Science Fiction neu ist, aber visuell interessant umgesetzt wird. Auch dieser Roman beinhaltet die Entführung von Hans und Orchidees Tochter, wobei sie dieses Mal eher als Schutz denn hinsichtlich des Wissens der anderen Kinder mitgenommen wird. Beide Alben zeichnet eine ausgesprochen stringente Handlung aus. Ohne in die Details dieser surrealistischen und sich aus verschiedenen Elementen zusammensetzenden Stadtzivilisation einzugehen, präsentiert Duchetau verschiedene politische Systeme, die aus seiner Sicht nicht funktionieren. Solange entweder die geistige Elite eher sich an  Orwell und Huxley inklusiv einer Diktatur von oben orientiert oder die reichen Familien von der Macht ausgeschlossen ein eigenes System etabliert haben, kann in der Stadt keine Ruhe herrschen. Natürlich steht Hans im Mittelpunkt der Ereignisse. Als Volksheld wird er in „Die Kinder des Unendlichen“ relativ schnell von den Männern, denen er vorher geholfen hat, in seine Schranken verwiesen, während er in „Das Gesicht des Monsters“ trotz seiner extra etablierten Position als Stadtvertreter die Rettung quasi selbst in die Hand nehmen muss. Inhaltich wirken die beiden letzten Alben dieses Sammelbandes sehr viel stärker und vor allem auch fokussierter. Während „Planet der Zaubereien“ eine exotische Spielerei gewesen ist, arbeitet sich der Autor in die semipolitischen Zusammenhänge sehr viel besser ein und versucht verschiedene Ideen inklusiv eines Familienvaters namens Hans in den Plot einzubinden.

 Zeichnerisch orientiert sich Rosinski bei den Actionszenen ein wenig zu stark an Hermanns „Jeremiah“. Die realistischen Hintergründe werden sehr gut mit den dynamischen Bewegungen seiner Protagonisten verbunden.  Hier wirken die Einfälle auf dem Planeten der Zaubereien ehr viel origineller und vor allem auch markanter. Auf der anderen Seite ist Hermanns Stil so allgegenwärtig, dass bei den Actionszenen angesichts der sehr guten Charakterisierung der einzelnen, auch außerirdischen Protagonisten diese Ähnlichkeit nicht weiter ins Gewicht fällt. Diese hier im zweiten Band zusammengefassten „Hans“ Abenteuer zeigen deutlich, da Duchetreau sich zwar an seinen Pulpvorbildern wie Murray Leinster inhaltlich orientiert, aber die Antiutopie und vor allem die kritische Auseinandersetzung mit Oligarchien als Regierungsform bevorzugt. Natürlich geht er im Umkehrschluss einen zu einfachen Weg, in dem er im letzten Album personifiziert den Befreier Hans als beste unter allen schlechten Regierungsformen in Form eines förderativen  Stadtoberhaupts etabliert, aber insbesondere Comics brauchen Identifikationsfiguren.  

Wie beim ersten Sammelband hat Splitter mit der sehr guten Übersetzung; dem übergroßen die Zeichnungen gut zur Geltung bringenden Format und der hervorragenden Druckqualität einen weiteren Meilenstein bei der Wiederentdeckung dieses Science Fiction Comics gesetzt.

VerlagSplitter
ÜbersetzerUwe Peter
EinbandHardcover
Seiten208
Band2 von 3
Lieferzeit3-5 Werktage
ISBN978-3-95839-021-8
erscheint am:01.05.2015
Kategorie: