Perry Rhodan Planetenromane 43/44 "Am Rand des blauen Nebels" / "Die goldenen Menschen"

Hans Kneifel, Perry Rhodan Planetenroman 43/44, Rezension, Thomas Harbach
Hans Kneifel

Der Planetenroman Doppelband 43/44 beinhaltet nicht nur die ersten beiden von vielen Arbeiten Hans Kneifels für die Perry Rhodan bzw. Atlan Serie, die beiden Romane „Am Rand des blauen Nebels“  (Perry Rhodan Planetenroman 8) und „Die goldenen Menschen“ (Perry Rhodan Planetenroman 10) bauen inhaltlich aufeinander auf. Im Nachwort zu „Die goldenen Menschen“ weist Rainer Nagel darauf hin, dass Hans Kneifel noch einen dritten Roman um die mehrfach in der Perry Rhodan Serie angesprochenen umweltangepassten Menschen geschrieben hat. Zusätzlich hat Horst Hoffmann sich in einem weiteren Planetenroman diesem Thema gewidmet, bevor Kneifels und Hoffmanns Ideen rückwirkend von Rainer Castor  als Teil eines großen Plans der Superintelligenz ES und nicht mehr als ein Unglück angesehen dargestellt hat. Es wäre schön, wenn die beiden noch mit dem Thema „goldene Menschen“ zusammenhängenden Planetenromane in absehbarer Zeit im Rahmen der nächsten Zaubermond Bände veröffentlicht werden könnten.

Hans Kneifels Planetenromane sind umfangreicher als einige andere Veröffentlichungen dieser Zeit. Schon die erste Reaktionen der Perry Rhodan Redaktion – siehe das erste Nachwort dieses Sammelbandes – haben deutlich gemacht, dass Hans Kneifel ohne Frage ein interessanter und vielschichtiger Autor  ist. Selbst aus heutiger Sicht erscheint erstaunlich, dass er in dieser Hommage an die Abenteuerromane Jules Vernes wie „Zwei Jahre Ferien“ ein für die damalige Zeit sehr modernes und in der fernen Zukunft des Jahres 2326 fast archaisch erscheinendes Bild der Studenten zeichnet. Seine Gruppe aus 42 Studenten, die ein altes Springer Raumschiff zusammenbasteln, um die Semesterferien mit ihrer Reise ins Alls zu versüßen, wirkt mit ihren Zigaretten, ihrem teilweise arroganten Auftreten auf der einen Seite, der Schüchternheit des „Crest Gedächtnispreisträgers“ auf der anderen Seite und ihrer romantisch Einstellung der Liebe gegenüber wie eine Anhäufung von Klischees. Aber Kneifel gelingt es, die Figuren in einer anfänglich sehr detaillierten, später ein wenig zu gerafften Handlung wirklich zum Leben zu erwecken. Die Verleihung des Crest Preises ausgerechnet an den Studenten Stuart Rushbrook sichert später das Überleben der Gruppe.  Da eine Delegation inklusiv des Preisträgers während der Verleihung sowohl Perry Rhodan als auch Reginald Bull begegnet, können sie die lästigen, wie Beamte agierenden Behörden austricksen.  Später im All öffnet ihnen ein Dokument die Türen selbst zu den Aras.  Wie in Jules Vernes Abenteuerromanen weiß der Leser aber, dass die Tragik und Tragödie quasi um die Ecke liegen und dass keine Reise ohne Gefahren ist. Der Brückenschlag zur Haupthandlung ist die Vernichtung eines der Zellaktivatoren durch den Siganesen Lemmy Danger . In seiner Nähe befindet sich ein Hyperstoßwellengerät der Blues, dessen Impulse den Hyperraum stören und alle sich in diesem Augenblick im Hyperraum befindlichen Schiffe entweder vom Kurs abbringt wie die Expedition der Studenten oder zerstört. Das ehemalige Springerschiff materialisiert im Grunde am anderen Ende der Milchstraße ohne eine Möglichkeit, zur Erde zurückzukehren.  Im Orbit um eine unwirtliche Welt bleibt es Rushbrook überlassen, seine bisherige Theorie von einer Umweltanpassung des Menschen durch eine komplette Restrukturierung seiner Zellen und damit impliziert auch Gene in die Praxis umzusetzen. Es ist hilfreich, dass das Preisgeld ihn in die Lage versetzt hat, ein zweites Labor an Bord des Schiffes zu errichten. Wie bei Matheson oder Wells entstehen neue, in diesem Fall goldene Menschen, die ihre neue, vorher unwirtliche Welt inzwischen als Paradies sehen.

Auch wenn der grundlegende Plot  vorhersehbar ist und Hans Kneifel den Anfängerfehler macht, zu viele Informationen zu früh zu präsentieren, liest sich dieser Band trotzdem ausgesprochen flott.  In der ersten Hälfte des Buches könnten die Studenten auch zu einer Weltumsegelung aufbrechen, wobei Kneifel durch kurze Abstecher auf verschiedenen, aus der Serie schon bekannten Welten ein exotisches Flair versprüht und mit sichtlicher Freude gegen die Erwartungen des Massentourismus an argumentiert.  Neben dem schüchternen Rushbrook ist es vor allem der Opportunist Jared Coln, der mit seiner nassforschen Art und Weise an die Helden aus Kneifels serienunabhängigen Romane erinnert, die mit ihrer draufgängerischen, aber nicht selbstmörderischen Art viele Probleme aus dem Weg geräumt haben.  Alleine die Frauen – attraktiv, aber unabhängig von ihrer beruflichen Stellung schnell den Männern verfallen – wirken eindimensional und sind eher willige Jagdopfer als gleichberechtigte Partner. Zu den Stärken des Romans gehört ohne Frage die Anpassung der ersten Freiwilligen  - Coln und eine junge Frau, die vorher versucht hat, Selbstmord zu verüben -  an ihre zukünftige Welt Chromund (Welt der Farben). Kneifel gibt sich sehr viel Mühe, diesen Prozess plastisch zu beschreiben. Vielleicht erscheint der Weg dahin angesichts des bisherigen Handlungsverlaufes zu einfach, aber wie seine Figuren sucht der Autor das neue Ziel und entwickelt aus dem Stehgreif heraus einen Planeten, der Menschen unwirtlich erscheint, den Goldenen aber zu einem Paradies wird, in dem sie basierend auf ihrem menschlichen Wissen die Rohstoffe jetzt adäquat nutzen können. Es ist ein hoffnungsvolles Ende, das die Rettung in letzter Minute Manier mancher Stoffe absichtlich unterläuft und zeigt, dass der Mensch immer einen Weg finden kann. Im Vergleich zu vielen in erster Linie militärisch angehauchten Stoffen ist „Am Rand des blauen Nebels“  vor allem eine zutiefst menschliche Geschichte ohne viel Pathos oder Kitsch entwickelt.  Mit den „Goldenen“ hat Hans Kneifel „Menschen“ erschaffen, die selbst aus dem vielschichtigen Perry Rhodan Universum herausragen.

Nur zwei Monate später veröffentlichte Hans Kneifel mit „Die goldenen Menschen“ eine Fortsetzung. Auch wenn „Am Rand des blauen Nebels“ inhaltlich abgeschlossen worden ist, bleibt Kneifels Welt der Farben ein so wunderschöner Planet, dass ein weiterer Besuch obligatorisch erschienen ist.  Zehn Jahre sind zwischen den beiden Romanen vergangen, in denen sich die goldenen Menschen nicht nur an ihre Welt gewöhnt haben, sondern ihre Fähigkeiten schärften.  Nur Coln ist nicht zufrieden. Er sehnt sich nach einer idealisierten Erde. Als seine Frau durch einen Unglücksfall stirbt, wird sein Geist rastloser und er sich vor allem an Bord des Springerschiffes nach Möglichkeiten, die Erde zu kontaktieren und das Exil zumindest kurzzeitig zu durchbrechen.  Während sich die erste Hälfte dieses Doppelbandes eher an Jules Vernes Abenteuerstoffen orientierte, wirkt „Die goldenen Menschen“ wie eine Mischung aus Camille Flammarion, Kurd Laßwitzs modernen Märchen und schließlich auch Olaf Stapledon. Die Begegnung mit einem Nebelwesen ermöglicht es Coln und zwei Begleitern, zur Erde zurück zu kehren. Vorher muss mit dieser überdurchschnittlich intelligenten Erscheinungsform – 19 Sinne – ordentlich verhandelt werden.  Die Reise zur Erde alleine durch Willenskraft und dank der Energie aus dem im Orbit um Chromund schwebenden Springerschiff wirkt fast surrealistisch. Da wird einer Besatzung eines Havaristen im Vorbeiflug geholfen. Die vier Reisenden erleben ganze Schöpfungen in den Tiefen des Alls und mit markigen, aber auch treffenden Worten beschreibt Kneifel die Sehnsucht nach den Sternen, die vor allem in „Am Rand des blauen Nebels“ Colns Katalysator gewesen ist. Auf der Erde werden die Fremden anfänglich trotz ihrer persönlichen Botschaft an Perry Rhodan und Reginald Bull vom Militär mit Mistrauen empfangen.  Dass das Wesen in den Energiestrahlen der Raumschiffe förmlich badet, erscheint übertrieben.  Sowohl Rhodan als auch Bully sind vom Schicksal der 42 Studenten berührt. Sie beschreiben der Delegation die Hintergründe. Es kommt zu einem Austausch von wissenschaftlichen Forschungen und Coln besucht seine wahre Liebe – Bullys seit zehn Jahren sehnsuchtsvoll ausharrende Sekretärin - , aber die goldenen Menschen fühlen sich auf der für sie inzwischen trostlosen Erde auch nicht mehr wohl. Diese Sehnsucht nach einer echten Heimat, diese ruhiger werden beschreibt der Autor sehr gut. Aber anstatt es weiter in Worte zu fassen, bringen die drei Goldenen eine Art Schmalfilm mit, damit Rhodan und Co sich ebenfalls einen Eindruck von Chromund machen können.  Das Ende ist in doppelter Hinsicht offensichtlich, da das Nebelwesen Axhalaisom sonst trotz seiner pazifistischen Grundeinstellung und Neugierde dem Menschen gegenüber zu „allmächtig“ geworden wäre. Entfernungen stellen kein Problem dar. In einem weiteren Auftritt der Serie kann es sogar einen ganzen  44000 Tonnen Frachter aus dem  Randgebiet der Milchstraße in den Halo von Andromeda ziehen. Mit seinen neunzehn Sinnen ist es in der Theorie dem Menschen überlegen und Kneifel bemüht sich, diese Kommunikation zwischen Mensch und Nebelwesen absichtlich komplexer und stellenweise unnötig komplizierter aufzubauen. Immer wenn es ums Handeln geht bzw. Coln ihm sein innersten Wesen offenbart macht Hans Kneifel deutlich, dass goldener Mensch und Alien nicht so unterschiedlich sind wie man denkt.  Perry Rhodan und Reginald Bull sind im Grunde Randfiguren. Gut beschreibt der Autor die Entfremdung der Goldenen von der Erde im kurzen Zeitraum von zehn Jahren. Das könnte überzogen und vielleicht auch klischeehaft erscheinen, aber durch die Beschreibungen des Autoren birgt Chromund so viel fremdartiges Potential, das sich der Leser vorstellen kann, diese Welt der Erde zu bevorzugen.  Da jeder der Studenten auch eine Partnerin gefunden hat, besteht auch kein Grund, aus Liebe zurück zu kehren. Nur Coln muss ein zweites Mal eine Frau wiederfinden, die ihn liebt. Mit diesem Kniff schließt Kneifel nicht nur offene Handlungsfäden aus „Am Rand des blauen Nebels“ geschickt ab, sondern vervollständigt seine Gemeinschaft wieder. Wobei der Angriff des Baumes auf Chromund zu Beginn des Buches eher wie ein literarisches MacGuffin erscheint, da sich ansonsten dieser Planet als ausgesprochen friedfertig erwiesen hat.

Obwohl handlungstechnisch überschaubar – Begegnung mit einem Alien, Flug zur Erde, melancholisches Resümee – unterhält „Die goldenen Menschen“ auf einer eher intellektuellen Ebene. Wie in „AM Rand des blauen Nebels“ streift Kneifel fast Selbstgespräche führend immer wieder durch die Geschichte der Menschheit von den Griechen bis zu George Berhard Shaw. Seine Goldenen Menschen erscheinen menschlicher als es die Terraner sind, die mit einer Mischung aus Furcht und Misstrauen  -  siehe den Exkurs im Blumenladen – den Fremden und doch Vertrauten begegnen. Die goldenen Menschen wirken dabei ein wenig zu stilisiert, da sie bis auf den „Formwandler“ – eine Idee, die Ruthbrook ja in seiner Studie auch auf der Erde gelassen hat – sich auf Chromund nicht wirklich zivilisatorisch weiterentwickelt, sondern  dem Planeten angepasst haben.  Es ist aber das Gesamtpaket mit der selbst für die Perry Rhodan Serie ungewöhnlichen Reise – nur Ernst Ellert und Superintelligenzen sind bis dato so schnell und jegliche Naturwissenschaften ignorierend gereist – und den humanistischen Aspekten, die aus der ganzen Trilogie – in „Die Schatten des kristallenen Todes wird mehr über Coln und seine wachsende Familie berichtet – eine noch heute lesenswerte ungewöhnliche Geschichte machen. Bei Hans Kneifels Debüt sind neben seinem Ideenreichtum basierend allerdings auf einigen erkennbaren Vorlagen sein Hang zum guten Leben zu erkennen.  Neben dem in den sechziger Jahren nicht als Laster angesehenen Rauchens wissen seine Studenten auch mit bescheidenen Mitteln zu leben. Erst auf der noch zu zähmenden Welt Chromund erinnern sie sich körperlich verändert, aber geistig Mensch geblieben an ihre Urfähigkeiten, während sie auf der Erde  nicht nur als goldene Menschen als Außenseiter erscheinen.  Kneifel beschreibt die Sehnsucht nach einer Heimat, die im Perry Rhodan Kosmos eben nicht zwangsläufig die Erde sein muss, sehr überzeugend und mit den goldenen Menschen betreten echte Kosmopoliten und nicht „Übermenschen“ die intergalaktische Bühne.

Rainer Nagel geht in beiden Nachwörtern kombiniert noch einmal auf die goldenen Menschen und ihre Nebenrolle ein, auch wenn die Erfindung / Theorie Rushbrooks den Schlüssel für alle Planeten beinhaltet. Eine überfällige Neuveröffentlichung, die zeigt, dass in den sechziger Jahren aufstrebende und vor Ideen übersprühende Autoren auf eine friedliche Art und Weise den Perry Rhodan Kosmos nicht nur belebt, sondern teilweise  aus sich selbst heraus mit dem unglaublichen Potential erneuert.

Taschenbuch, 350 Seiten

www.zaubermond.de

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