Die Schiffbrüchigen der Zeit Band 5: Zärtliche Bestie

Die Schiffbrüchigen der Zeit Band 5, Zärtliche Bestie, Rezension, Splitter Verlag
Jean-Claude Forest und Paul Gillon

Im Vergleich zu den bisherigen Abenteuern zerfällt „Zärtliche Bestie“ in zwei zwar miteinander verbundene und doch getrennt wirkende Episoden. In der ersten Hälfte des Albums wird quasi mit den losen roten Fäden gespielt. So stirbt die zweite „Schiffbrüchige der Zeit“, wobei sie den Eindruck hinterlässt, als handele es sich eher um eine Kopie als das Original. In seiner Trauer geht Chris nicht zu der ihn still und heimlich liebenden Mara, sondern zu einer Prostituierten. Auch der Tapir ist nicht wirklich tot.  Oder besser gesagt, es gibt mehr als einen Tapir. Diese Erklärung hinter der Erklärung lässt für den Autoren Jean- Claude Forest alle Türen offen, während der Zeichner Paul Gillon sich weiter an dieser einzigartigen Figur messen kann.  Das Verwandtschaftsverhältnis und die stille Machtübernahme im familiären Hintergrund kann allerdings auch nur eine weitere verwirrende Taktik in dieser vielschichtig angelegten Geschichte sein, wobei nicht selten die Erläuterungen den Handlungsfluss eher hindern als beschleunigen.

In der zweiten Hälfte kommt es zu einer interessanten Verfolgungsjagd mittels eines Raumzeittransmitters durch verschiedene Welten. In letzter Sekunde kann Chris dem Tapir folgen. Auf den verschiedenen Welten wird er immer wieder mit sehr unterschiedlichen Kulturen konfrontiert. Dabei  gestaltet sich diese Reise für ihn passiv, da er keinen Einfluss auf das Ziel hat. Das Spektrum reicht von gigantischen Maschinenmenschen – die Körper sind Roboter, im Inneren befinden sich verkrüppelte an Menschen erinnernde Wesen mit gigantischen Köpfen und starren Augen – bis zu den primitiven affenartigen Vorfahren der Menschen, die ein ungesundes Interesse an Mara als auch Handfeuerwaffen zeichnen. Ohne auf die einzelnen Welten wirklich individuell einzugehen fliegt die Handlung förmlich dahin.  Hinsichtlich der Transportersprünge  fügt der Autor insbesondere für den Comicbereich basierend auf seiner Vorliebe für „Flash Gordon“ interessante Aspekte hinzu, welche deutsche Leser im Kontrast dazu  vor allem aus der „Perry Rhodan" Serie kennen. Diese Splitterreise gipfelt  sogar mit einem Sprung ins Vakuum, wobei  die Protagonisten sich durch ein besonderes Kaugummi für Sekunden vor den unwirtlichen Bedingungen im Vorwege geschützt haben. Der vorläufige Endpunkt dieser Verfolgungsjagd durch verschiedene Welten gipfelt aber in einem neuen eher unfreiwilligen Team und leider einem viel zu offenen Ende, da die Suche nach Valerie weiterhin dominiert.  Auf der emotionalen Ebene ist die Affinität zwischen Chris und Valerie als Schiffbrüchige der Zeit auch eher ein ambivalentes Mittel zum Zweck. Auch wenn keine echte Chemie zwischen den beiden Menschen zu bestehen scheint und Chris sich eher fast widerwillig zu Mara hingezogen fühlt, hält er stoisch an dem unbewiesenen Gedanken fest, dass wir als nur die Zeitreise ihn mit Valerie verbindet. In Kombination mit der teilweise distanzierten Darstellung seines Charakters wirkt diese Dickköpfigkeit gegen alle zur Schau gestellte Logik unglaubwürdig.  

Jean Claude Forests auch im Vorwort noch einmal ausführlich gelobter Zeichenstil lebt förmlich auf.  Die verschiedenen Landschaften, der Moloch einer Stadt und schließlich die eher an den Orient erinnernden weiten Kostüme bilden einen interessanten Kontrast, in dem Forests zeichnerische Dominanz auch unter den gut gesetzten Farben von Hubert  fast klassisch zu erkennen ist.

Während die Hintergründe absichtlich immer ein wenig verschwimmend erscheinen, skizziert er mit einem leichten Hang zur Übertreibung die unterschiedlichen Charaktere. Neben den durchgehend hübschen Frauen in langen, lasziven Kleidern sind es vor allem die Obrigkeiten, die mit ihren Ecken und Kanten übertrieben, dominant und „blind“ zu gleich erscheinen. Aus Dankbarkeit erhält Chris einen kleinen tierischen Begleiter, der als Miniatursaurier allerdings intelligent und mit großen erstaunlich natürlichen und ausdrucksstarken Augen dem weiterhin ein wenig steifen und sich auf der emotionalen Ebene auch gerne im Weg stehenden Chris schnell hinsichtlich der Popularität gefährlich werden kann.

Während „Das Labyrinth der Illusionen“ die futuristische Gesellschaft und ihren Hang zur Dekadenz am besten skizziert hat, dienen die ersten Sequenzen eher als Mittel zum Zweck. Viele Erläuterungen, die angesichts der sich umgehend wieder neu entwickelnden Situationen fragwürdig erscheinen, zielen eher ins Leere, während mit dem Auftauchen des echten Tapirs der Plot schnell wieder an Schwung gewinnt und sich durch den Fall durch Raum / Zeit – auch hier weiß der Leser anfänglich nicht, ob es eine wirkliche Reise oder wieder eine Illusion ist – plastischer, dreidimensionaler entwickelt. Wie einige andere der vorangegangenen Alben ist zumindest Chris nicht klüger und die Grundidee, das insbesondere Chris wichtige, waffentechnische Informationen in sich trägt, die nicht nur für den Tapir interessant sind, wird leider nicht weiter extrapoliert, so dass am Ende „Zärtliche Bestien“ vor allem durch die Doppeldeutigkeit des Titels – selbst die „sanftmütige“ Maya hat wie die anderen drei wichtigen Frauen in Chris Zukunftsleben eine wilde Seite aufzuweisen – neugierig macht.

Nach einem eher langsamen, vor allem auf der emotionalen Ebene zu sperrigen Auftakt ist die zweite Hälfte des Halbzeitalbums gut zu lesen und zeigt, wie vielschichtig und exotisch zugleich Gillons und Forests „Schiffbrüchige der Zeit“ ist.            

Splitter Verlag

AutorJean-Claude Forest
ZeichnerPaul Gillon
EinbandHardcover
Seiten56
Band5 von 10
Lieferzeit3-5 Werktage
ISBN978-3-95839-104-8
erscheint am:01.01.2016
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