Getrickst- Die Chroniken des eisernen Druiden Band 4

Kevin Hearne

“Getrickst” ist der vierte Roman um den eisernen Druiden. In seinem Nachwort stellt Kevin Hearne fest, dass die schnelle nicht immer effektive Produktionsabfolge der ersten drei Romane es ihm nicht ermöglicht hat, seinen Lesern für den Erfolg zu danken. Auch wenn sich „Getrickst“ unmittelbar an die ersten drei Bücher inhaltlich anschließt und die Hintergrundinformationen besonders für Neuleser eher spärlich und nicht immer zielführend in die laufende Handlung eingestreut worden sind, bemüht sich Kevin Hearne, den Handlungsbogen mit einem ruhigeren Tempo zu erzählen und vor allem die beiden wichtigen Höhepunkte – den Tod des Helden zu Beginn und die Goldbeschaffung als Gegenleistung für einen Gefallen -   sehr gut in einen stringent erzählten Plot einzubauen. Gleich zu Beginn muss der eiserne Druide Atticus seinen eignen Tod in Szene setzen, weil zu viele nordische Götter nach seinem Husarenstreich hinter ihm her sind. Weil ihm der amerikanische Ureinwohner Coyote geholfen hat, nicht nur visuell eindrucksvoll zu sterben, sondern zusammen mit seinem Wolfshund Oberon und seiner Schülerin Granuaile Mesa zu verlassen, fordert er einen gegengefallen. Die Navajos haben sich ein Stück wertloses Land gekauft, auf dem sie eine kleinstädtische Gesellschaft errichtet haben. Die örtliche Kohlemiene ist seit langem versiegt und die Indianer möchten, um ihre Lebensumstände abzusichern, dass ein Erdgeist einen beträchtlichen Goldvorrat unter ihrem Land entstehen lässt.  Leider gibt es mit den Skinwalkers eine oppositionelle Kraft direkt aus dem Legendenland der Navajos, die etwas gegen diese Entwicklung im Allgemeinen und anscheinend Atticus im Besonderen haben.

Ein Großteil der Faszination dieser Urban Fantasy Serie lag vor allem weniger auf das Zusammentreffen von alten Mythen in Form von Fabelwesen oder dem eisernen Druiden mit der Gegenwart und dem amerikanischen Traum / Trauma, sondern den dreidimensionalen Charakteren, die wie in einigen klassischen vielleicht auch manchmal ein wenig klischeehaften Slapstick Komödien im Grunde von ihren perfekten Plänen überrollt werden. Dass es bei Hearne nicht immer friedlich zugeht steht ebenso außer Frage wie die Tatsache, dass vor allem die Götterwelt mit ihren absurden Allmachtsphantasien nicht selten durch den buchstäblich sprichwörtlichen Kakao gezogen wird.

Bei den neuen Figuren ragt Coyote deutlich heraus und ersetzt eine Reihe von lieb gewordenen Protagonisten, die aufgrund der Flucht aus Mesa nicht mit ziehen konnten. Coyote ist ein klassischer Opportunist, auf den ersten Blick auch mit erstaunlich wenig Humor für die Serie ausgestattet. Er ist aber kein reiner Schurke, die rücksichtslos seine Interessen gegen die seiner Mitmenschen und vor allem der übernatürlichen Wesen durchsetzt. Er hat einen Plan, der geradlinig und vor allem effektiv umgesetzt werden muss. Die Schwierigkeiten der Details überlässt er nach getaner Arbeit – Atticus Todesinszenierung sieht er als einen Job, der gut verrichtet worden ist – Atticus, der ihm ja einen Gefallen schuldet.  Obwohl die beiden Männer das gleiche Ziel haben, ist es überdeutlich, dass Attila vor allem nur Hilfe erhält, die teilweise konträr zu den Zielen Coyote eher widerwillig gewähren will. Für ihn ist es auch ein Spiel.  

Erstaunlich ist, wie sehr Hearne hinsichtlich seiner Hauptfigur gereift ist. Vom ersten Roman an hat er Atticus zwar als sympathischen Außenseiter mit zahlreichen Geheimnissen und einer eher differenziert beschriebenen Vergangenheit entwickelt, aber emotional konnten nur wenige Figuren an ihn ran. Da Granuaile jetzt seine Schülerin ist, gibt es entgegen der menschlichen Vorstellungen – auch Lehrer machen immer wieder mit ihren Schülerinnen rum – keine weitere Romanze. Während Atticus den Leser in seine Vergangenheit einlädt, arbeitet der Autor parallel deutlich weitergreifende Motive der jungen Fraus heraus, Druiden zu werden. Obwohl Oberon dieses Mal ohne die sich wiederholenden Szenen aus den ersten drei Bücher die Schau stiehlt und nicht nur durch den Niedlichkeitsfaktor zu den überzeugenden Charakteren der ganzen Serie gehört, wirkt Atticus deutlich reifer und dreidimensionaler als in den ersten Büchern.  

Auf der anderen Seite verzichtet der Autor bis auf die Exzesse Oberons inklusiv der als „Running Gag“ gestalteten Würstchenwette auf den Slapstickhumor der ersten Romane. Atticus kann sich zwar die eine oder andere Bemerkung nicht verkneifen, aber die untermauern das Verhältnis zwischen dem Druiden als Erzähler seiner Lebensgeschichte und seinem wichtigsten Vertrauten – der Leser. In dieser Hinsicht folgt Hearne einer fast heiligen Tradition und stellenweise ragt vor allem „Getrickst“ mit seinen spontan wirkenden und doch effizient geplanten Randbemerkungen an die besten MYTH Romane von Asprin heran. Dadurch wirken die Romane ohne in Teilen ihren ureigenen Flair zu verlieren auch deutlich zeitloser und ambivalenter.

Der Wendepunkt seiner Entwicklung ist die nicht unkritisch zu betrachtende Begegnung mit Jesus in „Hammered“. Jesus warnte ja Atticus vor seiner Zukunft und anscheinend versucht Hearne beginnend mit dem Tod des Charakters diese dunklen Visionen Realität werden zu lassen. Ohne seinen Teeladen, ohne seine zeitweilige Heimatstadt, aber mit seinem treuen Hund und einer netten Assistentin an seiner Seite ist er anfänglich isoliert und versucht sich am Ende mit dem ländlichen Leben abzufinden.  Mit dem über mehrere Bände sich erstreckenden Plot versucht Hearne seiner Serie mehr Tiefe zu geben. Nach den eher komischen Wendungen in den ersten Büchern ist diese Idee nicht schlecht, zumal die Balance zwischen Komik und Tragik nicht selten in die eine oder andere Richtung ausgeschlagen ist. Auf der anderen Seite muss der Autor in den folgenden Büchern aber auch diesen potentiellen Visionen weiter folgen, sonst wird es generell schwierig, den Hintergrund mit der laufenden Handlung zu verbinden. In dieser Richtung wirkt „Getrickst“ ein wenig spröde und distanziert. Vielleicht macht das Buch auch in dieser Hinsicht nur seinem doppeldeutigen Titel alle Ehre, denn es ist nicht das erste Mal, dass der Druide Atticus im Laufe seines langen Lebens wie auch während seiner Zeit in den USA getrickst hat.  Gegen Ende überschlagen sich die Ereignisse zu schnell. Während der zugrundeliegende Plot fast nebenbei nach der Auseinandersetzung mit den Skinwalkers ad acta geschoben werden kann, greift der Autor mit dem Auftauchen eines besonderen Vampirs einen Aspekt aus den vorangegangenen Teilen wieder auf, der angesichts des soliden Umfangs des Buches und des angemessenen Tempos der Erzählung nicht unbedingt in dieser Form notwendig gewesen wäre.  

Nicht zuletzt durch den von Beginn an – der Tod ist natürlich und ohne Frage einer der Höhepunkte des ganzen Buches – sehr interessanten, auch wie bei einigen anderen Teile der Serie ökologisch ohne belehrend zu sein informativ angelegten Plot liest sich „Getrickst“ kompakter und deswegen auch reifer als vor allem der bislang schwächste Teil der fortlaufenden Serie „Hammered“, in dem Hearne wahrscheinlich unter Zeitdruck ein zu schwaches Szenario mit eher schablonenartig gezeichneten Charakteren niedergeschrieben hat. Theoretisch ist es möglich, mit dem ersten Band zu beginnen und dann zum Beispiel „Getrickst“ zu lesen, da die meisten der aufeinander bauenden Elemente ausführlich immer wieder in jedem neuen Buch der Serie angesprochen und extrapoliert werden. Da die charakterliche Reife vieler Figuren aber vor allem in „Getrickst“ sehr überzeugender ist, erscheint es trotz einiger Schwächen bei den zuvor veröffentlichten Büchern sinnvoll und notwendig, die Chronik um den eisernen Druiden als eine der interessanteren Urban Fantasy Serien chronologisch zu lesen. „Getrickst“ zeigt einen guten Weg, die Serie basierend auf den Wurzeln des bislang besten und vor allem, originellsten Auftaktromans in neue Richtungen weiter zu entwickeln.

 

 

 

  • Chronik des Eisernen Druiden
  • Die Chronik des eisernen Druiden Bd.4
  • Verlag: Klett-Cotta
  • 1. Aufl.
  • Seitenzahl: 381
  • 2016
  • ISBN-13: 9783608961348
  • ISBN-10: 3608961348
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