Earl Dumarest 7- Technos

E.C. Tubb

Auch "Technos" ist als siebentes Earl Dumarest Abenteuer eine Art Standardabweichung. Earl Dumarest trifft zwar wieder auf eine Frau, die ihn attraktiv findet, doch in diesem Abenteuer ist sie nicht zuletzt aufgrund ihrer sozialen Stellung deutlich dominanter. Auf der anderen Seite begegnet der Weltraumtramp auch eine Frau mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Sie verfügt über ein photographisches Gedächtnis und kann ihn aus den alten von ihrem inzwischen verstorbenen Vater gesammelten Büchern die von der Erde aus zu erkennenden Sternbilder nennen. Da entsprechendes Kartenmaterial fehlt, bringt diese Information Earl Dumarest nicht gleich weiter. Die Kampfszenen sind in erster Linie durch verschiedene Verfolgungsjagden ersetzt worden, in denen sich der von der Cyclan so bewunderte Überlebensinstinkt - wird mit außergewöhnlicher Intelligenz gleichgesetzt - durchsetzt.
Aber "Technos" ist auch aus anderer Perspektive ein ungewöhnliches Abenteuer. Earl Dumarest hat zusammen mit einigen anderen Männern in den Bergwerken einer primitiven Welt gearbeitet, um sich die nächste Hochpassage zu einem eher in Frage kommenden Planeten zu verdienen. Als einer seiner Kameraden während eines misslungenen Überfalls tödlich verwundet wird, gewährt er ihm eine letzte Bitte. Er soll nach Loame reisen, einer Plantagenwelt und dem Bruder eine wichtige Nachricht überbringen. Als Belohnung erhält Dumarest den Hinweis, das auf dieser Welt ein alter Mann leben soll, der aufgrund der von ihm gehorteten Bücher die Position der Erde kennen könnte. Auf Loame angekommen, muss Dumarest erkennen, dass der alte Mann inzwischen verstorben ist. Loame ist eine - wie so oft bei E.C. Tubb - primitive Welt, die aber unter ihren strengen Regeln zu zerbrechen droht. Es wird immer schwieriger, reiche Ernte zu halten. Die alten Familien sterben aus und die Erbfolge sorgt nicht dafür, dass geeignete Nachfolger die Höfe erhalten können. Zusätzlich kommt eine Unkrautplage hinzu. Dumarest einzige Hoffnung ist die Tochter des alten Mannes, die über ein photographisches Gedächtnis verfügt. Sie lebt allerdings auf dem Planeten der Technos.

Auch wenn Tubb im Rahmen seines geradlinigen Romans eine Reihe von historischen Fakten wie die Abstellung von Jugendlichen für die von den Technos geführten Kriege integriert, ist das vorliegende Abenteuer mit politischen Zwischentönen gespieckt. Da wäre zum einen die zum Scheitern verurteilte familiäre Agrarpolitik auf Loame, die teilweise durch die Inzest begünstigten Familienstrukturen und die primitiven Anbaumethoden den Boden auslagt. Da der Krieg der Technos immer mehr Opfer verlangt, werden statt einmal im Jahr inzwischen mehrmals die jungen Menschen beiderlei Geschlechts zwangsverpflichtet. Das stetige Ausbluten der Gesellschaft reicht den Technos nicht. In reaktionärer Manier haben sie verschiedene dschungelartige Unkrautpflanzen auf dem Planeten ausgesetzt, um die Lebensgrundlage der Menschen zu vernichten und die stoische Bevölkerung zu vernichten. Tubb geht aber zu wenig ins Detail. Auf der einen Seite suggeriert er eine gegenseitige Abhängigkeit der Technis und der loamischen Bauern, auf der anderen Seite wird die Existenzgrundlage im Grunde beider Zivilisationen vernichtet.
Die Technos dagegen lernt der Leser vom Kopf an kennen. Der Herrscher ist amtsmüde, sehnt sich aber auf der anderen Seite nach einer Art relativer Unsterblichkeit, die ihm die Cyborgs nur in Form eines Bewusstseinsübertrages in einen Kunstkörper "schenken" können. Er ist ein Werkzeug der Cyborgs, die diesen Abschnitt der Galaxis zwar kontrollieren möchten, die Technos aber noch für die Führung des anscheinend inzwischen Jahrzehnte dauernden Krieges benötigen. Die Technos haben ein faschistisches Regime etabliert, in dem die verschiedenen Eliteeinheiten der Militärs den Heimatplaneten unter Kontrolle gebracht haben. Obwohl sie über die technisch höchststehende Zivilisation verfügen, in der sich Earl Dumarest und die Leser bislang bewegen konnte, wirkt die totale Kontrolle in der Tradition von Orwells "1984" in Kombination mit der Herausbildung einer kleinen elitären Oberschicht und einer gänzlichen Verarmung der restlichen Bevölkerung eher wie eine klassische Antiutopie denn Teil eines Abenteuerromans. Der Autor bleibt allerdings an der Oberfläche. Zwischen der Verfolgungsjagd auf den Weltraumtramp, der mit einem Trick den eher stupiden Offizieren der Techno Truppen entkommen konnte, blitzt schlaglichtartig Kritik am herrschenden faschistischen System und dessen Exzesse auf, bevor sich Tubb schließlich wieder auf den zugrundeliegenden Plot konzentriert. Auch wenn Tubb zwei konträre Gesellschaften beschreibt – Technik und Landwirtschaft – würden sie sich für den objektiven Beobachter zu einem nicht perfekten, aber vordergründig harmonischen Ganzen ergänzen. Gäbe es nicht die Cyborgs, die nicht nur die Galaxis unterjochen wollen und dabei am liebsten hinter den Kulissen intrigieren, sondern ihre mechanisch distanzierte Weltanschaffung als Quasireligion vor der Brust tragen. Der schwache Anführer der Technos mit seinen paranoiden Ängsten als klassisch klischeehafter Ausdruck eines totalitären Systems spielt ihnen förmlich in die Hände. Dagegen stellt Dumarest durch seinen Überlebensinstinkt für sie einen nicht berechenbaren Faktor da. Sie brauchen nicht unbedingt sehr dringend, aber zeitnah Informationen, die er bei sich trägt. Es ist der zweite starke Kontrastpunkt neben den beiden unterschiedlichen sozialen Kulturen des Romans.

Dumarest Verhältnis zu Frauen ist im vorliegenden Roman wie schon angesprochen ambivalent. Er hat deutlich mehr Sex – von der Prostituierten, die sich ihren Hilfsdienst in Naturalien auszahlen lässt bis zur reichen, gelangweilten Lady, die von Dumarest einen Gefallen einfordert – als in den ersten Romanen, wird aber schließlich doch zu einem Werkzeug reduziert, das den Herrscher der Technos umbringen soll. Diese Wendung wirkt ein wenig zu ambitioniert, auch wenn Dumarest als unkontrollierbarer Faktor schließlich den Sturz der herrschenden Ordnung einleitet. Auf der anderen Seite fehlt dem vorliegenden Roman die nicht selten vorherrschende, ein wenig kitschig devote Liebesgeschichte. Dumarest ist im Beziehungsdschungel eher ein willfähriges benutzbares Opfer als Vaterersatz.

Zu den bizarren Höhepunkten des Romans gehört ein Labyrinth des Todes. Es ist nicht das erste Mal, dass Dumarest sich derartigen Herausforderungen stellen muss. Nach der Arena in einem der ersten Romane erscheint das mit Videos überwachte Labyrinth der nächste logische Schritt, zumal der Herrscher ein fast sadistisch sexuelles Vergnügen daran hat, Dumarest unter Überwachung in einen sicheren Tod zu schicken.

Das Ende des Buches ist ein wenig überhastet, die Wogen glätten sich den weisen Ratschlägen des Weltraumtramps folgend ein wenig zu schnell, aber zusammengefasst handelt es sich bei „Technos“ um einen interessanten, vielschichtigen Roman, dessen sozialkritische Zwischentöne nachhaltiger sind als in den bisherigen  Teilen der Serie.     

 

   

Originalausgabe erschienen 1972 unter dem Titel Technos, deutsche Ausgabe erstmals 1973 , 160 Seiten. ISBN 3811857045. Übersetzung ins Deutsche von Heinz Peter Lehnert / Horst Hoffmann.