Kris Longknife- die Rebellin

Mike Shepherd

Mit Mike Shepherds alias Mike Moscoes "Kris Longknife: die Rebellin" erscheint der erste einer inzwischen elf Romane umfassenden neuen Military Science Fiction Serie auf deutsch. In den USA sind die Teile zwölf bis vierzehn mit einem jeweils im Herbst terminierten Erscheinungsdatum schon angekündigt. Wie eine Reihe anderer Military Science Fiction Autoren hat Moscoe einige Jahre beim amerikanischen Militär, in diesem Fall der Navy, zugebracht. 1991 begann er mit der Veröffentlichung von Kurzgeschichten. Seitdem arbeitet er nach einer abgeschlossenen Trilogie an zwei Serien parallel. Zum einen die von Ray Longknife auf "Jump Universe" umbenannte Reihe mit bislang vier Romanen und die jetzt anlaufende Serie um Kris Longknife.  Mit der attraktiven Kris Longknife versucht der Autor auf den ersten Blick eine ungewöhnlichere Figur zu präsentieren. Nicht nur hat ihre Familie eine sehr lange und erfolgreiche militärische Vergangenheit, sie hat auch Einfluss in der Politik und ist zusätzlich unwahrscheinlich reich.

Im Original heißt der Roman "Mutineer". Eine Meuterei findet aber erst auf den letzten Seiten statt. Wie es sich für derartige Arbeiten gehört, zeichnet der Autor ein eher eindimensionales Bild des zukünftigen Militärs.  In erster Linie scheinen die Aufgaben der Soldaten in der Befreiung von kleinen Mädchen aus den Händen von politisch ambivalent beschriebenen Terroristen, der Lieferung von dringend benötigten Nahrungsmitteln und schließlich der Aufrechterhaltung der Wehrbereitschaft zu bestehen. Obwohl der Autor seinen Fähnrich Kris Longknife dem Militär beitreten lässt, wird die von ihm beschriebene Welt so charakterisiert, als handele es sich nicht um den ersten Roman einer Serie, sondern den vierten oder fünften Teil. Shepherd verzichtet auf weitergehende Beschreibungen. Wenn am Ende einzelne Offiziere ihre Meuterei starten, sind sie vom Autoren von Beginn an als "böse" bezeichnet worden. Ihre Motive, einen Krieg zu starten, werden leider ebenso rudimentär herausgearbeitet wie der Hintergrund dieser Serie. Zwischen den Zeilen wird die Begegnung mit einer außerirdischen Rasse - den Iteeche - erwähnt. Ob sie in einem der nächsten Romane eine Rolle spielen, sei dahin gestellt. Hier wirken sie als Vorzeigefremde, um das bislang nur von Menschen besiedelte All ein wenig farbenprächtiger zu gestalten. Auch politisch erscheint Shepherds Konstruktion eher fragwürdig. Es sind zwar hunderte von Welten besiedelt worden, wobei die Erde und Kris Longknifes Heimatplanet Wardhaven einen gewichtigen Einfluss haben. Wie gewichtig oder welchen politischen Einfluss die beiden Welten insgesamt haben, wird verschwiegen. Der Leser erfährt nur, dass Kris Longknifes Vater der amtierende Premierminister und ihr Großvater dessen politischer Vorgänger gewesen ist.

 

Der Autor versucht, Kris Longknife über ihren einzigartigen Hintergrund - es lässt sich diskutieren, ob es sich um einen Fluch oder möglicherweise Segen handelt - eine Persönlichkeit zu geben. Das geht er ausgesprochen ambivalent vor. Kris hatte einen kleinen Bruder, der entführt und ermordet worden ist. Dieses Trauma hält sie weiterhin gefangen.  Sie kann kaum seinen Namen aussprechen. Dieses traumatisch tragische Erlebnis soll eine Art Spiegelbild zu der Rettungsaktion darstellen, welche den ersten Roman dominiert. Kris Longknife wird in eine vergleichbare Situation geworfen - sie ist an der Rettung eines entführten Mädchens beteiligt -, welche sie äußerlich fordert aber die inneren Mauern aufreißt. Das Traumapotential wird über die Grenze des Glaubwürdigen hinaus ausgespielt. Dagegen steht, dass ansonsten Kris Longknife selbst als unerfahrene zweiundzwanzig Jahre alte Anwärterin sich in ihren Handlungen viel zu sicher ist. Der Autor hat vergessen, ihrer Figur eine glaubwürdige Komplexität zu geben. Sie ist sich ihrer Sache immer wieder sicher. Ihre Entscheidungen stellt sie nicht in Zweifel und am Ende des Tages hat sie auch recht gehabt. Alle Versuche, ein wenig Zweifel hinsichtlich ihrer Taktik oder Vorgehensweise zu streuen, wirken unglaubwürdig. Ihr kommt ohne Frage zu Gute, dass sie im Vergleich zu verschiedenen anderen Military Science Fiction Serien allerdings auch vor nur wenige wirklich harte oder schwierige Entscheidungen gestellt wird.  Hinzu kommt, dass sie erstens eine überragende und natürlich auch kameradschaftliche Persönlichkeit hat. In den wenigen schwierigen Situationen kann sie Gefallen einfordern und im Grunde muss sie nur die Kameraden überzeugen, dass das verwöhnte Mädchen - auch eine unglaubwürdige Wandlung - tapfer an ihrer Seite stehen wird. Viel schlimmer ist, dass Shepherd selbst nicht an seine Prämisse glaubt. So verfügt Kris Longknife über eine herausragende künstliche Intelligenz an ihrer Seite, die ihr bei der Informationsbeschaffung hilft und die selbstverständlich vergleichbaren KI ihrer Kameraden deutlich überlegen ist. Wenn dieser Computer auch noch auf Informationen zurückgreifen kann, welche zumindest ihre unmittelbaren Vorgesetzten nicht haben, dann hinterfragt der Leser endgültig die Logik des vorliegenden Romans. Wenn sich die Protagonistin schon dem Militär anschließen will und soll, um Karriere zu machen und vor allem den Namen ihrer Familie nicht zu beschmutzen, dann sollte es als Gleiche unter Gleichen erfolgen. Davon ist nichts zu spüren und deswegen wirkt der Versuch, sie als einfachen Fähnrich zu etablieren, auch absurd. Viel schlimmer ist, dass sie im Grunde außerhalb ihres überragenden, vom deutschen Titelbild wie das blonde Püppchen symbolisiert, Aussehen über keine wirklich weiblichen Attribute verfügt. Sie handelt wie ein Mann. Vom Trauma abgesehen. An ihrer Seite steht ein chinesisch- irischer Freund. Zusammen mit dem schottischen Highlander Raumfahrtregiment ein Anachronismus, der viele Military Romane durchzieht. Alle anderen Figuren erscheinen gesichtslos und dienen eher funktional als Staffage. Wie schon angesprochen sind die Militärs zu eindimensional beschrieben. Die guten Offiziere dienen einer natürlich guten Sache, wobei die Schutzfunktion für die Zivilpersonen noch ertragbar beschrieben worden. Es gibt keine Zweifel an ihrer Missionen. Die meuternden Offiziere werden noch einseitiger beschrieben. Als Schurken unterliegen sie ihrer Zweckbestimmung, eine eigenständige Persönlichkeit oder zumindest eine Meinung wird ihnen aberkannt. Da der Roman nach knapp vierhundert Seiten und einer nicht zufriedenstellenden Struktur abrupt endet, entzieht sich Mike Shepherd für einen inzwischen routinierten Autor jeglicher weiterer Argumentation.

 

Aber auch der Hintergrund ist eher uneinheitlich und vor allem sehr wenig einfallsreich konzipiert worden.  Auf der einen Seite soll eine fremde Zukunft beschrieben werden, auf der anderen Seite benötigen die Autoren Aspekte des 19. Jahrhunderts wie das schottische Regiment oder die immer noch klassische Kommandostruktur ohne wirkliche Anpassung an die gigantischen Entfernungen im All oder die weitergehende Schwierigkeit, zwischen Raumschiffen und den entsprechenden Bodenstationen zu kommunizieren, um ihre Geschichten mit Fleisch zu füllen. Diese Bodenständigkeit wirkt genauso befremdlich wie die Tatsache, dass kaum eine der gegenwärtigen Science Fiction Autoren dieses Subgenres - Jack Campbell sei hier als rühmliche Ausnahme erwähnt - über ein dreidimensionales taktisches Denken verfügt, was bei Raumschlachten unabdingbar ist.

Zusammengefasst ist „Kris Longknife: die Rebellin“ – der deutsche Titel ist genauso falsch wie der Originaltitel, da sie gar keinen Raum hat, um wirklich als Persönlichkeit zu rebellieren – ein schwacher Auftaktband, in dem zu viel zu stark konstruiert worden ist, um den eher rudimentären Plot nachvollziehbar zu erzählen. Hinsichtlich der Stellung seiner wichtigsten Figur ist sich Mike Shepherd genauso unsicher wie bei der Geschichte, die er eigentlich erzählen wollte.     

 

  • Taschenbuch: 512 Seiten
  • Verlag: Bastei Lübbe (Bastei Verlag); Auflage: Aufl. 2013 (17. Mai 2013)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3404207165
  • ISBN-13: 978-3404207169
  • Originaltitel: Kris Longknife: Mutineer