Veit

Ria Beinhölzl

        Mit „Veit“ beginnt der MGVerlag eine neue Reihe von Ritterromanen. Wer allerdings nur an glänzende Rüstungen und schöne Burgfräuleins in Bedrängnis denkt, liegt beim Auftaktband „Veit“ falsch. Es ist nicht nur eine Liebesgeschichte mit faustischen Ambitionen, es ist nicht nur die Geschichte eines eher einfachen, aber tapferen Söldners in einer immer verrückten werdenden Welt, es ist sicherlich auch ein Abgesang auf die Ritterzeit mit ihren vorgeblichen Klischees, die sich der Leser heute noch unter Rittern – nicht zuletzt dank der Minesänger – vorstellt. Ria Beinhölzl versteht sich auf das Sujet. Schließlich ist die diplomierte Designerin nicht nur Autorin und zusammen mit ihrem Mann in Würzburg auf den eigenen Brettern, die die Welt bedeuten, Schauspielerin, sie versteht sich auf Stunts und hat eine Ausbildung für Schaukämpfe mit klassischen Waffen. Diese Erfahrung zeigt sich in den wenigen, aber sehr intensiven Kampfszenen. Dabei hat sich auch die Zeit für herrenlose Söldner wie Veit verändert. Mit Hilfe von Hellebarden und Spießen, Langbogen und schließlich auch dem Schwarzpulver ist die Zeit von viel Feind, viel Ehr auf dem Schlachtfeld abgelöst worden. Viele der Ritter konnten sich mit den Veränderungen nicht anfreunden. Veit hat inzwischen umgedacht und zu Beginn der Geschichte hat er sich in einer befestigten Stadt als Beschützer anheuern lassen. Im Grunde ein ruhiger Job, wenn nicht seine Probleme mit dem Alkohol währen. Er flieht vor seiner jüngsten Vergangenheit. Vor der Tragödie seiner kurzen, aber schönen Ehe und vor den Schmerzen, die der plötzliche Tod seiner Frau in den Flammen verursacht hat. Natürlich gerät er schnell in Schwierigkeiten und steht nicht nur vor der Obrigkeit, sondern kurze Zeit später vor dem Henker. Da bietet ihm ein geheimnisvoller Mann einen Handel an. Instinktiv erkennt Veit, dass er mehr als sein Leben und seine Schwerthand verkaufen soll.

Auf den ersten Blick erweckt „Veit“ den Eindruck, aus einer Reihe von bekannten Klischees der Literaturgeschichte zu bestehen – die tragische Liebesgeschichte, der Pakt mit dem Teufel, die Katharsis und schließlich der blutige Showdown. Bei der Lektüre selbst fällt diese Häufung von klassischen Themen nicht unbedingt gleich ins Auge. Ria Beinhölzl hat sich bemüht, ihre historische Welt so authentisch wie möglich zu beschreiben. Ihre Charaktere sprechen Akzent – auch wenn Veits lübecker Herkunft aufgrund seiner Aussprache eher zweifelhaft ist – und Beinhölzls Städte sind derart detailliert beschrieben, dass man in ihnen zu Leben glaubt. Vor diesem Hintergrund ist es ihr phasenweise gut gelungen, eine Geschichte zwischen Kitsch und Tragik zu erzählen. Sie lässt Veit – im inneren Monolog – seine Schmerzen, seine Verzweifelung, aber auch seinen Pragmatismus sehr gut ausdrücken. Ihre Schwierigkeit als Autoren liegt in der Tatsache, diese Emotionen in eine spannende Handlung umzusetzen. Dazu braucht sie einen Schlüsselmoment. In seiner Wut tötet Veit einen Bürgerlichen, als er glaubt, seine tote Frau in Gefahr zu sehen. Die Folgen dieser Tat bis zum Packt wirken dann allerdings sehr stark konstruiert und unterstreichen die Schwierigkeit der Autorin, die Vergangenheitsebene mit einer packenden gegenwärtigen Geschichte zu verbinden. Mit einer Art cineastisch sicherlich sehr effektiven Auflösung beginnt schließlich der eher nihilistische Endkampf um die Festung. Es ist erstaunlich, wie sich Veit plötzlich wieder für die Stadt einsetzt, die ihn wenige Augenblicke vorher vom Leben in den Tod befördern wollte. Hier wäre es vielleicht auch effektiver, wenn auch nicht unbedingt positiv für den Handlungsträger, gewesen, Veit zu schildern, wie er seine eigene Haut zu retten sucht.

Die Liebesgeschichte in der Vergangenheit ist anrührend, wenn auch ein wenig kitschig. Der verletzte Ritter auf seinem Lager, die junge, allein stehende Frau, der Widersacher. Es liest sich gut, erinnert aber – nicht stilistisch, aber inhaltlich – an die Frauenromane jede Woche am Kiosk. In diesen Passagen offeriert „Veit“ seinen Lesern keine originelle Rittergeschichte, sondern befriedigt die oft aus Vorurteilen bestehende Erwartungshaltung. Der Autorin gelingt es nicht, diesen Eindruck durch eine besonders originelle Handlung auszugleichen. Unwillkürlich bleibt das Gefühl, dass sie selbst ein wenig träumend verklärt durch die von ihr wieder zum Leben erweckte Zeit und Welt wandert. Diese Bruchstücke fügt sie dann zu einer sehr geradlinigen Geschichte zusammen.

Ein wenig Humor kommt durch die Integration von „Veits“ Schlachtross, das wie im Off eines Films die Aktionen ihres Herrn mit bissiger Ironie oft treffend kommentiert und wie eine Art Muttertier für den phasenweise haltlosen Ritter von der traurigen Gestalt agiert. Im Gegensatz zur bekannteren Tier- Fantasy „TRaveller“ von Richard Adams ist Veits Pferd kein tumbes Schlachtross, sondern ein treuer Begleiter/ Freund. Was in dieser Besprechung kitschig wirken könnte, gehört allerdings zu den überraschend gut funktionierenden Teilen des Romans. Leider bleibt nicht mehr genug Raum, um auch den anderen Charakteren wirklich überzeugende Züge zu geben. Einzelne Figuren – wie der Henker – bleiben dem Leser im Gedächtnis, andere – wie leider auch Veits Liebe – haben nicht ausreichend Raum, um sich wirklich überzeugend zu entwickeln und der aus dem Dunkeln heraus agierende Puppenspieler wirkt ein wenig ambivalent. Beinhölzl gelingt es zwar gut, den Gewissenskonflikt Veits herauszuarbeiten, aber sie bleibt auf dieser Ebene stehen. Es fehlt in dieser Tragödie der letzte Brückenschlag zwischen einfacher Versuchung und Überzeugung. Allerdings gelingt dieser emotionale Paukenschlag auch erfahrenen Autoren recht selten und es muss Ria Beinhölzl hoch angerechnet werden, diesen schwierigen Passagen nicht auszuweichen.

Stilistisch ist der Roman allerdings überzeugend gut geschrieben. Ria Beinhölzl hat ein gutes Gespür für eine solide Mischung aus Hintergrundinformationen, spannenden, pointierten und manchmal auch ironischen Dialogen und guten Actionszenen. Es ist eine schmutzige, harte Welt, die der Leser kennen lernt. In der Gefühle eher eine Gefahr als eine Wohltat darstellen und das Leben kurz ist. Diese grundlegenden Komponenten funktionieren sehr gut und das Buch lässt sich kurzweilig und schnell lesen. Die Liebesgeschichte ist bis auf das konstruierte Ausgangsszenario emotional überzeugend geschrieben worden. Die Autorin zeichnet hier ein sensibles Portrait von zwei einsamen Menschen unterschiedlicher Herkunft. Veits Charakter beginnt dreidimensionaler und überzeugender zu wirken. An ihrer schriftstellerischen Grenzen gelangt sie allerdings kurze Zeit später, als sie versucht, Veits Emotionen wegen des Verlusts und seinen inneren Dämon in Worte zu fassen. Hier wirkt die Geschichte ein wenig distanziert und die Tiefe der Figur geht schnell zu Gunsten einer geradlinigen, aber wenig überraschenden Handlung verloren.

Historisch spielt „Veit“ in der Zwielichtzone zwischen dem Untergang des Rittertums und der aufkommenden Bürgerschicht in den immer größer werdenden Städten. Wie in den Spätwestern der siebziger Jahre malt Ria Beinhölzl das geschichtliche Portrait des „Mann ohne Namen“, der sich den Veränderungen der Zeit anzupassen sucht, innerlich verletzt wird und schließlich offenen Auges dem Untergang seines Standes entgegengeht. Weil er nicht anders kann, weil er nichts anderes gelernt hat und weil es keinen Menschen mehr gibt, der ihm Halt geben kann. Auf dieser einfachen, aber überzeugenden Basis ist „Veit“ trotz einzelner Erstlingsromanschwächen eine interessante Alternative zu der Unzahl von Fantasy- Epen in den Regalen deutscher Buchhandlungen.

Im Buch findet sich noch ein fast vierzigseitiger Anhang, in dem die Zeit, die Waffen und die Stände/ Regeln des Rittertums ausführlich erläutert werden. Es empfiehlt sich, diesen Anhang zuerst zu lesen. Erst dann erkennt man, welche Sorgfalt und Detailtreue von Seiten der Autorin in diese Abenteuergeschichte geflossen sind und wie authentisch insbesondere die Kampfszenen wirken. Sie hat es geschafft, zumindest für die Länge ihres Romans diese Zeit wieder lebendig werden zu lassen. Handlungstechnisch ist die Geschichte noch ein wenig kränklich, aber emotional großes Abenteuer.

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Ria Beinhölzl: "Veit"
Roman, Softcover
MG Verlag 2006

ISBN 3-9311-6437-3

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