Alles auf Zucker

Originaltitel: 
Alles auf Zucker
Land: 
Deutschland
Laufzeit: 
95 min
Regie: 
Dani Levy
Drehbuch: 
Dani Levy, Holger Franke
Darsteller: 
Henry Hübchen, Hannelore Elsner, Udo Samel, Golda Tencer, Steffen Groth, Anja Franke, Sebastian Blomberg
Kinostart: 
06.01.05

Jaeckie ist ganz schön tief gefallen. In der DDR war er einst ein angesehener Sportjournalist. Von seiner Prominenz ist nicht mehr viel übrig - er wird zuweilen mit Rex Gildo verwechselt.
Nach der Wende wurde er zum Wendeopfer, und seine Schulden versucht er nun mit Billardspielen auszugleichen - und wenn er mogelt, dann schwört er schon mal auf das Leben seiner Mutter.

Jaeckie hadert gewaltig mit seiner Religion: "Mit dem Club hab` ick nüscht zu tun!" teilt er dem Zuschauer mit, und wird auch nicht bei seinem Familiennamen Zuckermann genannt - und so wurde aus dem Juden Zuckermann der Berliner Loser Zucker.

Jüdische Riten sind ihm egal, er weigert sich sogar seine Enkelin Sarah mit ihrem (jüdischen) Namen anzusprechen. Stattdessen trauert er der DDR nach und investiert in einen Sex-Club für Ostalgiker.

Aber nun steht er vor den Trümmern seines Lebens...


Filmkritik:
von Holger Lodahl (für SF-Radio.net)

Regisseur und Drehbuchautor Deni Levy ist mit "Alles auf Zucker!" ein ganz besonderer deutscher Film gelungen. Es sind doch meist amerikanische Filme, die jüdischen Humor und Humor mit Juden unverkrampft auf die Leinwand bringen. Nicht nur die Woody Allen-Filme haben eine sympathische, liebenswerte und sehr menschliche Sicht auf die oft merkwürdig und fremdwirkenden Riten der Juden erlaubt und geprägt.

Bei deutschen Filmen war das stets anders. Wenn Juden im Kino auftraten, dann immer in Verbindung mit dem Holocaust, Ausgrenzung und schwerer Vergangenheitsbewältigung. Als normale Menschen mit allseits bekannten Sorgen, Nöten und Freuden des Lebens wurden sie bisher nicht gezeigt und wurden in den Status der Exoten und Fremde gedrängt.

Mit "Alles auf Zucker!" könnte dies nun anders werden. Levy präsentiert mit seinem Film zwei im vereinigten Deutschland lebende und völlig unterschiedliche jüdische Familien und deren Konflikte. Er erlaubt dadurch einen Blick auf Menschen, die dem Zuschauer plötzlich so normal vorkommen wie sie selber, obwohl sie eine Religion befolgen, die einem kaum fremder erscheinen könnte.

Basis dafür liefert das fast perfekte Drehbuch, das sich nicht nur auf die religiösen Gegensätze konzentriert. Wie es sich für eine gute Komödie gehört, ballen sich in 90 Minuten viele Gegensätze und brechen im richtigen Moment aus:

Der Rabbi, der auch auf das Erbe blinzelt; die Tochter, die ein uneheliches Kind von einem (noch) unbekannter Vater hat und mit einer Frau zusammen wohnt; der stotternde Sohn, der seine Leidenschaft im Bankgeschäft sucht und mit seiner Cousine erste sexuelle Erfahrungen sammelt; die Bordellchefin, die sich unversehens in ihrem alten Beruf als Krankenschwester wiederfindet; die Prostituierte aus Palästina, die mit dem auf Extacy schwebenden Samuel abfeiert, und und und ...

Das klingt überfrachtet und durcheinander, ist es aber nicht. Die Gags, verbale Spitzen und Anzüglichkeiten sind perfekt platziert, auffallend unterhaltsam und rutschen nicht in den Klamauk ab. Levy jagt seinen Figuren durch die unterschiedlichsten Orte des modernen Berlins, um in der Synagoge, dem Bordell, dem Billardsalon, der Wohnung und den Straßen immer wieder neue Konflikte zu finden, sie mit einer gehörigen Portion Absurdität und Komik zu zeigen und in die Handlung einfließen zu lassen.

Die Schauspieler bis in die Nebenrollen sind beeindruckend perfekt besetzt und schaffen es, dem Buch das nötige Leben zu geben:

Henry Hübchen als Marionette seiner Probleme kommt mit jeder Minute mehr in Fahrt. Es ist ein Genuss, seinen immer absurder werdenden Ausreden zu folgen und nur darauf zu warten, dass sein Lügennetz zerreißt. Die Narben und Wunden in seinem Gesicht, Ergebnis der Wut eines betrogenen Gegenspielers und jahrelanger Versuche, dem Leben wieder Ordnung zu geben, lassen ihn als echten Berliner Spieler erscheinen.

Hannelore Elsner, Münchner Schauspielerin mit "Winnetou"- und "Kommissar"-Vergangenheit, berlinert sich durch die Handlung, als hätte sie nie etwas anderes getan. Das Engagement ihrer Figur, die passend Marlene genannt wurde, hat weniger mit Interesse an jüdischer Religion denn mit dem winkenden Erbe und der Zusammenführung der Familie zu tun. Elsner mit der Taschenlampe unter der Decke die jüdischen Riten zu lesen und in Tränen darüber zu verzweifeln, sie nicht mal für einige Tage befolgen zu können, ist eine reine Lust und zeigt einmal mehr, dass sie eine der großen Schauspielerinnen Deutschlands ist.

Udo Samel ist wie auch wie Sebastian Blomberg unter der Maske des Juden kaum wieder zu erkennen. Samels Schauspiel ist wunderbar zurückhaltend und zeigt in der Szene, in der er unter Extacy zu Tekkno-Rhythmen tanzt, dass weniger diesmal mehr ist.

Erfreulich das Kino-Wiedersehen mit Renate Krößner, die als Solo Sunny DDR-Filmgeschichte schrieb. Und besonders Golda Tencer kann nicht perfekter die jüdische Mamma darstellen und hat einige gute Gags auf ihrer Seite.

"Alles auf Zucker!" ist eine unterhaltsame Komödie, und man kann von Glück sagen, dass sie den Weg vor der Fernsehausstrahlung in die Kinos geschafft hat. Gedreht in kaum einen Monat merkt man den Zeitmangel im temporeichen Spiel der Protagonisten und es zeigt, wie viel Kinopotential im Kino-Deutschland steckt.

Filmemacher und Produzenten müssen nur mehr Mut haben, dies zu entdecken. Es ist zu hoffen, dass der Kinobesucher diesen Mut bei "Alles auf Zucker!" auch belohnt.

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