Hermit, der Froschbarbar

Ina Ehlbracht & Daniel Bechthold

Ina Ehlbracht als Autorin und Daniel Bechthold als Zeichner legen den ersten Band einer möglicherweise neuen Sword &/Sorcery Abenteuer Reihe mit einem ungewöhnlichen Helden vor: Hermit, der Froschbarbar.

Der 1967 im Hessischen lebende Daniel Bechthold bezeichnet seine eigenen Werke als makabren Surrealismus. Sich selbst zählt er eher zum Symbolismus. Zu seinen Hauptmotiven zählen der Mensch (und inzwischen auch der Froschbarbar) mit einer Prise Humor und Augenzwinkern gezeichnet, ohne in Karikaturen zu enden. Dieser geradlinige Zeichenstil mit satten Strichen, aber auch einer feiner Feder zeichnet die eher klassisch  zu nennenden Arbeiten im vorliegenden Roman aus. 

Ina Ehlbracht setzt die Tradition interessanter Kölner Phantastikautoren fort. Neben ihren Jobs im Kultur- und Medienbereich präsentiert sie inzwischen eine Reihe von dunkelphantastischen Stoffen, von denen einige auch in ihrer Heimat Köln spielen.

Der erste Anstoß kam von Daniel Bechthold, dessen Charakterskizzen Ina Ehlbracht in der inzwischen dritten Kooperation der Beiden literarisch zum Leben erweckt hat. Viele der Zeichnungen erinnern an die Tradition der alten Pulp Magazine, in denen die Überhelden auch visuell zum Leben erwacht sind. Nicht selten war das auch notwendig, da viele Autoren mit weniger Fähigkeiten als der geborene Erzähler Robert E. Howard mehr Action als Charakterisierung oder gar Beschreibungen der exotischen Welten in den Mittelpunkt ihrer Erzählungen stellen. 

Auch wenn der größten Teil der beiden Handlungsebenen klassische Sword & Sorcery mit tierischen Charakteren, aber zutiefst menschlichen Verhalten ist, gibt es einige wenige Science Fiction Elemente und um die goldene Scheibe leider eine Idee, welche der Leser relativ schnell erkennt und die inzwischen einen Bart hat. „Star Trek I“ lässt genauso grüßen wie einige moderne Science Fiction Serien sowie zahllose SF Kurzgeschichten und Romane. Die Handlung spielt auf dem Havarie Planeten. Laut Klappentext der einzige Ort im Universum, wo die verlorene Fracht oder der Weltraumschritt als Gaben der Götter verehrt werden. Hinzu kommt, dass auf dem Planeten Rohstoffe selten und eine technische Zivilisation nicht vorhanden ist. Den Protagonisten fehlt auch überwiegend das Wissen über die Herkunft der vom Himmel fallenden Dinge. Es reicht, dass sie einen ausreichenden Wert darstellen.

Der Plot entwickelt sich auf zwei Ebenen. Im Mittelpunkt steht die Gottesanbeterin Kassandra, die zweimal den Froschbarbaren anheuern möchte. Zwischen den beiden Missionen liegen zwanzig Jahre und sehr viel Misstrauen vor allem von Hermit, derauf Daniel Bechtholds Titelbild ein wenig an die berühmten Teenage Mutant Ninja Turtles erinnert….nur ohne Panzer und deutlich grimmiger, in „Conan“ Tradition die Leser an blickend.

In der Vergangenheit sollte er eine goldene Scheibe aus einem entlegen gelegenen Tempel stellen. Sein Team besteht aus dem Axolotling Lauch, ein wenig empfindlicher und sensibler und dem Roboter 08/13. Auch die Roboter sind vor einer unbestimmten Zeit vom Himmel gefallen. Aufgrund der Solarzellen können sie sich immer wieder regenerieren und führen meistens ein isoliertes Leben. Roboter 08/13 ist da deutlich opportunistischer unterwegs und mit seiner Kraft; seinen multifunktionalen Händen und schließlich seiner strammen Logik ist er lange  Zeit ein wichtiger Faktor in dieser kleinen Gruppe. Die Idee der durch die Landschaft streifenden Roboter ist genretechnisch auch kein Neuland.

In der Gegenwart versucht Kassandra den misstrauischen Hermit zu einer weiteren Mission zu überreden. Das Ziel wird ein wenig schwammiger formuliert, dafür ist die persönliche Preis für Hermit deutlich verführerischer, auch wenn sein Misstrauen erweckt ist. Trotz der langen Diskussionen um einen mit  kaltem Wasser gefüllten Badebottich herum in einem örtlichen Bordell entschließt sich Hermit natürlich, auf diese wieder lebensgefährliche Mission zu gehen.

Die Handlung spricht zwischen den beiden Spannungsbögen hin und her. Dass Hermit trotz aller Gefahren niemals wirklich in Lebensgefahr ist, wird keinen Leser überraschen. Ehlbracht und Bechthold folgen  in dieser Hinsicht den Regeln des Sword & Fantasy Genres. Spannung kommt dadurch nur bedingt auf. Der Plot muss von den exotischen Hintergründen angetrieben werden, zumal – wie angesprochen – der Leser relativ schnell aufgrund der Beschreibungen und seiner Leseerfahrung weiß, um was es sich bei der goldenen Scheibe handelt. Es empfiehlt sich, auf keinen Fall einen Blick in den Anhang zu werfen, in dem nicht nur die beiden Künstler vorgestellt werden, sondern sich einige Hinweise zum Hintergrund der Geschichte finden.

Ina Ehlbracht und Daniel Bechthold haben sich in ihrer Geschichte für einen klassischen Weg entschieden. Auch wenn die Gestaltung des Covers und die grellbunte Schrift eine Parodie auf das Sword & Sorcery Genre implizieren, handelt es sich grundsätzlich erst einmal um einen ernsthaften Roman mit zwei Missionen, die lebensgefährlich sind und auch teilweise Spannung versprechen. Die Hommage an die Conan Romane - weniger martialisch, weniger brutal - eben in Kombination mit Comicserien wie “Teenage Mutant Ninja Turtles” und Co - ist zwar zu erkennen. Aber Parodie oder Hommage erdrücken an keiner Stelle die fortlaufende Handlung und per se keine Quadratur des Kreises. Ohne Plot funktionieren solche Geschichten nicht und der ist vorhanden. Der Humor ist gröber, beschränkt sich auf einige lakonische Bemerkungen und nicht auf akrobatische wie unrealistische Slapstick Aktionen. 

Die  grundlegende Erzählstruktur ist fast profan zu nennen. Die Beschreibungen des Havarieplaneten sind ausreichend bis zufriedenstellend. Ina Ehlbracht legt an den entscheidenden Stellen ausreichend Beschreibungen den jeweiligen Reise Abschnitten bei, so dass sich der Leser nicht nur orientieren, sondern auch die archaisch wirkenden “Landschaften” sich vorstellen kann. 

Mehr als fünfzig großformatige Tuschezeichnungen begleiten nicht nur den Text, sie ergänzen ihn perfekt. Immer wenn Ina Ehlbracht erzählerisch vor allem in den Actionszenen und manchmal auch den zu kargen Beschreibungen der gewaltigen, von Legenden umwobenen Bauwerke oder heruntergekommenen Städte scheitert, spricht ihr Daniel Bechthold mit einer auch in den Details beeindruckenden Zeichnung zur Seite und überdeckt die stilistisch- erzählerischen Schwächen insbesondere im teilweise zu gedehnten mittleren Abschnitt des Buches elegant und einprägsam.    

Die Mischung aus zeichnerischer Ruhe - die Doppelseiten - und Unruhe - wenn Bilder manchmal etwas unglücklich in den zu groß gesetzten Texten erscheinen -  bilden einen überzeugenden Kontrast zu der Geschichte.  

Die Charakterisierung der menschlich handelnden, aber trotzdem als “Tiere” erkennbaren Protagonisten ist stellenweise ausgesprochen überzeugend. Hermit mit Raupenpelz, gehörten Helm, aber den fehlenden Spuren am Körper ist der käufliche Söldner mit einem Gewissen. Er macht viel für Geld, aber nicht alles. Damit folgt er der Tradition anderer Barbaren und bildet ein Gegengewicht zu Wagners Kane. 

Die verführerische opportunistische Kassandra spielt gerne mit ihren biologischen Schwächen. Einen Froschbarbar wird sie im Gegensatz zu ihren Männern nicht fressen, auch wenn sich Leser wie Hermit in dieser Hinsicht nicht sicher sein können. Nicht umsonst spielt sich die erste Begegnung nach zwanzig Jahren im Baderaum eines Bordells ab. 

Der Axolotling Lauch ist eher unscheinbar. Aber er dient als ausgleichendes Element zum deutlich impulsiveren Hermit. Zusätzlich ist er ein Mittler zum Leser und gibt Informationen entsprechend weiter. Im Laufe der Handlung verliert Lauch allerdings an Präsenz. Insbesondere bei der ersten Mission - die Suche nach der goldenen Scheibe, die in einem engen Zusammenhang mit dem Schmätterlingen steht - agieren Hermit und Lauch als Team sehr gut. 

Zwei Science Fiction Element führen Ina Ehlbracht und Daniel Bechthold ein.  Zum Einen der Havarieplanet, der allerdings eine unbestimmte und unbestimmbare Anzahl von Sonnen umkreist. Das Klima ist erdähnlich. Wüsten sind genauso wie Dschungel vorhanden. Rohstoffe wie Gold sind allerdings selten. Im Grunde nicht existent, so dass die von den Göttern “gegebene” goldene Scheibe natürlich einen unendlich hohen Wert hat. Interessant ist, dass Ina Ehlbracht dem Gold auf einem Planeten, der dieses Edelmetall im Grunde nicht kennen kann, einen legendären Wert zuschreibt. Das wirkt ein wenig zu sehr konstruiert, ist aber notwendig, damit die Protagonisten zu ihrer natürlich lebensgefährlichen Mission motiviert werden können. Der Haverieplanet alias Treboria ist ansonsten die Erde, die hier auf einen fiktiven fernen Planeten “transportiert” und mittels intelligenter Tiere, aber keinem echten Menschen, wiederbelebt worden ist. Im Gegensatz zu den Protagonisten können die Leser die Gaben der Götter sehr viel einfacher zuordnen und klassifizieren. Hier bemüht sich Ina Ehlbracht um literarische Ablenkung, erreicht aber nicht ganz ihr Ziel. 

Das zweite Element sind die Roboter bzw. der Roboter 08/13. Der etwas zu simple Name sollte die Leser nicht irritieren. Autorin und Zeichner versuchen eine komplexe Figur zu entwickeln, wobei sie dessen körperliche wie technische Überlegenheit immer wieder aus dem Spiel nehmen, damit die Verhältnisse nicht zu einseitig werden. Das funktioniert auf den ersten Seiten sehr gut, später verlaufen einige dieser Versuche im literarischen Sand. 

“Hermit, der Froschbarbar” ist - wie mehrfach angesprochen - eine grundsätzlich stringente Sword & Scorcery Geschichte mit klassischen, allerdings auch in der Struktur stellenweise mechanischen Plotelementen. Die vertrauten, aber wie bei der goldenen Scheibe auch schnell vorahnenden Teile der Geschichte sind niemals wirklich unleserlich. Dazu ist Ina Ehlbracht eine zu routinierter Autorin, aber in einigen Abschnitten will der Funke auch nicht immer übersprungen und mancher Kampf wirkt eher wie ein Abziehbild unzähliger vergleichbarer Sequenzen als aus sich selbst heraus originell. Das Buch als Ganzes hebt sich vor allem durch die tierischen, dreidimensionalen und in den Grenzen des Subgenres auch markanten Charaktere; dazu ein wenig Geschlechtergeplänkel zwischen Frosch und Gotteanbeterin. Es sind aber vor allem die unzähligen sehenswerten und drucktechnisch auch gut wiedergegebenen  Zeichnungen Daniel Bechtholds, welche den Froschbarbaren aus der Vielzahl vergleichbarer Sword & Socercy Geschichten positiv hervorheben. 

Hermit der Froschbarbar: Der Schrei der Schmättterlinge

  • ASIN ‏ : ‎ B0DJ1J3QWD
  • Herausgeber ‏ : ‎ Independently published (30. September 2024)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 246 Seiten
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 979-8337684963
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